Gesetzlich Versicherte müssen länger auf Arzttermine warten
22.11.2011
Was den meisten gesetzlich Versicherten, die verzweifelt versuchen einen Termin beim Facharzt zu bekommen, bereits seit langem bewusst war, wird nun durch eine aktuelle Studie der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) bestätigt. Wer gesetzlich krankenversichert ist, wartet deutlich länger auf einen Arzttermin als Mitglieder der privaten Krankenversicherung (PKV). Auch in den Arztpraxen müssen die gesetzlich Versicherten deutlich länger warten, bis sie aufgerufen werden, als die PKV-Patienten, so das Ergebnis der aktuellen Umfrage.
Mehr als ein Fünftel der gesetzlich Krankenversicherten (22 Prozent) wartet mehrere Wochen auf einen Arzttermin, wohingegen lediglich vier Prozent der PKV-Patienten länger als drei Wochen auf einen Termin beim Facharzt warten müssen, berichtet der „Stern“ über die Ergebnisse der aktuellen Umfrage. Orthopäden, Kardiologen, Internisten und Co., die gegenüber den gesetzlich Krankenversicherten häufig angeben, keine Kapazitäten für einen zeitnahen Termin zu haben, scheinen bei den privat Versicherten deutlich andere Maßstäbe anzusetzen. Für sie ist offenbar wesentlich häufiger doch noch ein freier Termin zu finden. Ohne Wartezeiten wurden 32 Prozent der gesetzlich und 38 Prozent der privat Versicherten behandelt.
Gesetzlich Versicherte warten deutlich länger auf Arzttermine
Die Frage nach der Krankenversicherung steht beim Telefonat mit den Facharztpraxen meist am Anfang des Gesprächs und scheint auch der Prioritätensetzung bei der Terminvergabe zu dienen. Anders ist es kaum zu erklären, dass rund jeder fünfte gesetzlich Versicherte wochenlang auf einen Termin warten muss, die Privatpatient jedoch meist zeitnah einen Termin erhalten. Den Ergebnissen der aktuellen Untersuchung zufolge werden die Patienten jedoch nicht nur bei der Terminvergabe sondern auch in der Praxis anscheinend in zwei Klassen unterteilt. Denn während fast ein Drittel (27 Prozent) der Kassenpatienten in der Praxis länger als eine halbe Stunde warten muss und neun Prozent sogar länger als eine Stunde warten, saßen lediglich 14 Prozent der Privatpatient länger als eine halbe Stunde im Wartezimmer. Bei der aktuellen Untersuchung hatte die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag der KBV im September 2011 insgesamt 2.048 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger in Deutschland nach ihren Erfahrungen beim Arzt befragt.
Zufriedenheit mit den Ärzten durch die Wartezeiten nicht beeinträchtigt
Die Studie der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen bestätigt, was Kritiker bereits seit langem behaupten und die meisten gesetzlich Versicherten, bei dem Versuch einen Facharzttermin zu erhalten, bereits selber erlebt haben: Bezüglich der Terminvergabe und den Wartezeiten in den Arztpraxen herrscht in Deutschland eine Zweiklassengesellschaft. In Bezug auf die Qualität der Behandlung bestehen jedoch laut Aussage der aktuellen Umfrage keine vergleichbaren Unterschiede. So waren unabhängig von ihrer Krankenversicherung 92 Prozent der Befragten von den fachlichen Fähigkeiten der Ärzte überzeugt und 91 Prozent erklärten, ein gutes bis sehr gutes Vertrauensverhältnis zu ihrem Arzt zu haben. Demnach leidet das Vertrauen in die Ärzte offenbar nicht unter der fragwürdigen Praxis bei der Terminvergabe.
Fragwürdiger Trend bei individuellen Gesundheitsleistungen
Allerdings verdeutlichen die Ergebnisse der aktuellen Umfrage, dass in Bezug auf den Umgang mit den gesetzliche versicherten Patienten bei der Terminvergabe durchaus Missstände bestehen. So bestätigte auch der Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Andreas Köhler, dass in einigen Fälle, die gesetzlich Versicherten eindeutig zu lange warten müssen. Gleichzeitig betonte Dr. Köhler, dass fast die Hälfte der gesetzlich Versicherten sofort behandelt wird und außerdem viele von ihnen die Praxen ohne Terminvergabe aufsuchen. Für den Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist nicht die Praxis bei der Terminvergabe, sondern eher der Trend zu Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL), der im Vergleich zu vorherigen Befragungen deutlich wird, Anlass zur Sorge. So sei „der Anteil der Versicherten, die vom Arzt eine IGeL angeboten bekommen haben, von 22 Prozent im Jahr 2008 auf 24 Prozent“ gestiegen, wobei sich die Versicherten in wachsendem Maße über die ihrer Ansicht nach zu kurze Bedenkzeit, um ein solches Angebot anzunehmen, beschweren. „Ich möchte hier an die Kolleginnen und Kollegen appellieren, mit dem Thema IGeL sensibel umzugehen“, betonte Dr. Köhler. Die Ärzte sollten das Vertrauen der Patienten nicht leichtfertig aufs Spiel setzen, so die Warnung des Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. (fp)
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Gerd Altmann/ Gerold Meiners / pixelio.de
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