Kann Kiffen das Risiko für Hodenkrebs erhöhen?
23.09.2014
Männer, die kiffen, haben ein erhöhtes Risiko für Hodenkrebs. Dies behauptet Professor Boerne im aktuellsten Münsteraner „Tatort“ und fügt an: „Da gibt es eine Studie…“ Seit der Erstausstrahlung am Sonntag beschäftigen sich nun Experten und Medien mit dem Thema und hinterfragen die Behauptung.
Behauptung des „Tatort“-Professors wird hinterfragt
Im neuesten Münsteraner „Tatort“ („Mord ist die beste Medizin“) liegt Professor Boerne, gespielt von Jan Josef Liefers, als Patient auf der onkologischen Station einer Klinik und muss sich das Zimmer mit einem Nachbarn mit Hodenkrebs teilen. „Cannabis-Konsum erhöht das Hodenkrebs-Risiko um bis zu 70 Prozent“, sagt der Mediziner dem Bettnachbarn und unterstellt ihm, „zu viel gekifft“ zu haben. „Da gibt es eine Studie“, behauptet der Professor. Stimmt das aber wirklich, fragen sich viele seit der Ausstrahlung des Sonntagskrimis? Medien und Experten beschäftigen sich seitdem verstärkt mit dem Thema.
In der Fachliteratur finden sich drei passende Studien
Der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Windhorst sagte auf die Frage der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ), ob Boernes Behauptung stimmt: „Definitiv nein. Das ist Angstmache. Es gibt keine Studie, die belegt, dass Cannabis Hodenkrebs erzeugen könnte.“ Doch es gibt auch andere Meinungen. So hat das Magazin „Spiegel Online“ recherchiert und fand in der Fachliteratur drei Studien, – die alle in den USA durchgeführt wurden – die zeigen, dass Männer, die Marihuana konsumieren, statistisch gesehen häufiger an Hodenkrebs erkranken als nichtkiffende Gleichaltrige.In den Untersuchungen zeigte sich, dass das Risiko stieg, je öfter und länger Cannabis konsumiert wurde. Eine der Studien aus Seattle (US-Bundesstaat Washington) kam 2009 zu dem Ergebnis, dass diejenigen Probanden, die Marihuana rauchten, ein um etwa 70 Prozent höheres Risiko für Hodenkrebs hatten. Möglicherweise bezieht sich die Aussage von Professor Boerne auf diese Studie des Fred Hutchinson Cancer Research Center.
Kokain-Konsumenten haben ein niedrigeres Risiko
In einer anderen Untersuchung kam ein Forscherteam des National Cancer Institute in Rockville, Maryland, 2010 zu dem Schluss, dass das Hodenkrebs-Risiko für Cannabis-Konsumenten etwa doppelt so hoch ist wie für Nichtkonsumenten. Ähnliche Ergebnisse lieferte 2012 eine Studie an der University of Southern California in Los Angeles. Interessanterweise stellt sich zudem heraus, dass Männer, die Kokain konsumierten, ein niedrigeres Risiko hatten als Nichtkonsumenten. Dem Team aus Kalifornien zufolge könnte der Grund für das erhöhte Hodenkrebs-Risiko möglicherweise darin liegen, dass der Cannabis-Wirkstoff THC mit Rezeptoren interagiert, die die Spermienproduktion beeinflussen könnten. Bereits bekannt sei, dass Cannabis-Konsumenten einen niedrigeren Testosteronspiegel hätten.
Risikofaktor Hodenhochstand
Ein Grundproblem vereint die drei Studien: Zwar zeigen sie, dass Marihuana-Konsumenten häufiger an Hodenkrebs erkranken als Nichtkiffer. Ob aber Cannabis tatsächlich die Gefahr für den Krebs erhöht, bleibt unklar. Auch andere, von den Wissenschaftlern nicht berücksichtigte, Faktoren könnten dafür verantwortlich sein. Um einen entsprechenden möglichen direkten Zusammenhang zu belegen, seien weitere Untersuchungen nötig. In Deutschland erkranken jährlich rund 3.000 Männer an Hodenkrebs, vor allem in der Altersgruppe zwischen 20 und 40 Jahren. Die genauen Ursachen sind bislang nicht eindeutig geklärt, doch als Hauptrisikofaktor gilt ein Hodenhochstand (Maldescensus testis). Daneben werde das Risiko auch durch erbliche Faktoren erhöht. Idealerweise sollten Eltern bei ihrem männlichen Nachwuchs einen möglichen Hodenhochstand im ersten Lebensjahr behandeln lassen, um unter anderem das Risiko für Hodenkrebs zu reduzieren, wie die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) vor wenigen Monaten mitteilte. Experten raten zudem bei Hodenschmerzen einen Arzt aufzusuchen, da diese auf Hodenkrebs hindeuten könnten. (ad)
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Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.