Bei Pankreaskarzinom Therapie mit Knollenblätterpilz erfolgversprechend
03.04.2012
Bauchspeicheldrüsenkrebs gilt als besonders heimtückisch und schwer heilbar. Jetzt ist es Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungsinstitut (DKFZ) in Heidelberg gelungen, Amanitin, das Gift des Knollenblätterpilzes, erfolgreich gegen das Pankreaskarzinom bei Mäusen einzusetzen.
Häufig schlechte Prognose bei Bauchspeicheldrüsenkrebs
Bauchspeicheldrüsenkrebs (medizinisch: Pankreaskarzinom) ist nur schwer therapierbar. In der Regel wird die Diagnose sehr spät gestellt, da im Anfangsstadium der Erkrankung kaum Beschwerden auftreten. Erst im späteren Verlauf kann es zu den klassischen Beschwerdebildern wie Gelbsucht, Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Untergewicht, Übelkeit und Erbrechen sowie ein mögliches Druckgefühl im Oberbauch kommen, wenn aus medizinischer Sicht kaum mehr Behandlungserfolge erzielt werden können. Die Schmerzen können jedoch vielfältige Ursachen haben, so dass eine genaue Diagnose notwendig ist. Die Symptome treten in der Regel erst dann auf, wenn das Pankreaskarzinom bereits auf benachbarte Organe wie Darm oder Magen übergesprungen ist. Die Tumore verursachen dann die genannten Beschwerden. Der Bauchspeicheldrüsenkrebs selbst führt normalerweise bei Patienten fast zu keinen spürbaren Symptomatiken.
Nur bei etwa fünf Prozent der Diagnosen ist der Tumor noch operierbar. Zu den prominenten Betroffenen gehörte Apple-Gründer Steve Jobs, der nach siebenjähriger Leidensgeschichte letztes Jahr an den Folgen der Krebserkrankung starb. Die Fünf-Jahres-Überlebenschance nach einer Erstdiagnose beträgt bei Männern weniger als sechs und bei Frauen nur acht Prozent. Patienten sprechen auf eine Chemotherapie in der Regel sehr schlecht an. Umso erfreulicher ist die Meldung aus dem DKFZ: deutsche Forscher konnten erste Erfolge beim Einsatz des Knollenblätterpilzes im Kampf gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs vermelden.
Gift des Knollenblätterpilzes wirkt im Inneren der Krebszelle
Den Wissenschaftlern des DKFZ gelang es, das Amanitin an einen Antikörper (anti-EpCAM) zu koppeln, der ein krebs- typisches Zielmolekül identifizieren kann. Der Antikörper wirkt als Steuerelement, das das Gift gezielt zu den Krebszellen transportiert. Auf diese Weise verschwanden bei Mäusen Bauchspeicheldrüsentumoren vollständig.
Der Knollenblätterpilz ist dem Parasol sehr ähnlich. Er enthält eines der tödlichsten Gifte im Pflanzenreich. Amanitin, sein Gift, tötet ausnahmslos jede Zelle ab. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese gesund oder von Krebs befallen ist. Der Immunologe Gerhard Moldenhauer entwickelte gemeinsam mit dem Biochemiker Heinz Faulstich einen Mechanismus, mit dem das Pilzgift ausschließlich Krebszellen vernichtet und gesunde Zellen verschont.
Antikörper transportiert das Gift
Um dies zu erreichen, muss das Gift in die Tumorzellen transportiert werden. Als Transportmittel fungiert ein Antikörper, der mit seinen speziellen Greifarmen dazu in der Lage ist, am krebstypischen Zelloberflächenprotein EpCAM anzudocken. Das Pilzgift ist dabei chemisch stabil an seinen Transporter gekoppelt. Bereits eine einmalige Verabreichung der Antikörper, hemmte bei Mäusen, denen menschlicher Bauchspeicheldrüsenkrebs eingepflanzt worden war, das Krebswachstum. Bei zweimaliger Injektion mit höherer Dosierung verschwand der Tumor bei 90 Prozent der Tiere sogar vollständig. Erfreulicherweise zeigten die Mäuse keinerlei Organschäden trotz der hohen Dosierung des Giftes.
EpCAM, ein charakteristisches Membranprotein von Epithelzellen, wurde von den Wissenschaftlern als Erkennungsstruktur der Krebszellen ausgewählt. Alle inneren und äußeren Grenzflächen des Körpers sind mit diesem Zelltyp ausgekleidet. Die meisten bösartigen Tumore entwickeln sich aus Epithelgeweben. EpCAM wird von vielen Tumoren wie beispielsweise Brust- und Eierstockkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Gallengangskarzinome oder Kopf- und Halstumoren, in großen Mengen gebildet, was häufig mit einer sehr schlechten Prognose der Krankheit einhergeht. Deshalb entschieden sich die Forscher für EpCAM als Zielstruktur zum Angriff der Tumorzellen.
„Behandlungen mit ungekoppelten Antikörpern gegen EpCAM wurden bereits klinisch erprobt (…). Sie sollten den Krebs allein mit den Waffen des Immunsystems attackieren, haben sich aber als klinisch unwirksam erwiesen", erklärt Gerhard Moldenhauer. „Unser Amanitin-gekoppelter Antikörper hat dagegen ein weitaus höheres Potenzial, Krebszellen zu vernichten."
Vier bis acht Giftmoleküle pro Antikörper
An jedem Antikörper sitzen etwa vier bis acht Giftmoleküle. Amanitin ist besonders geeignet, weil es so klein ist, dass es von den Immunzellen nicht als Eindringling erkannt wird. Andererseits ist es aber so robust, dass es chemisch gut gekoppelt werden kann. „Die Krebszelle muss das Zielmolekül mitsamt dem angedockten Antikörper regelmäßig ins Zellinnere holen, denn nur dort kann das Gift wirken. Im Zellinneren muss sich das Gift vom Antikörper lösen, sonst ist es nicht wirksam", erläutert der Immunologe.
In ersten Studien hat eine ähnliche Strategie Erfolge bei Brustkrebspatientinnen gezeigt. T-DM1 ist ein Antikörperkonjugat, das derzeit gegen Brustkrebs entwickelt wird. Es besteht aus dem monoklonalen Antikörper Herceptin und dem Chemotherapeutikum Mersantine. Es weist kaum Nebenwirkungen auf.
Ursachen für Bauchspeicheldrüsenkrebs
Trotz langjähriger, aktiver Forschung ist die genaue Ursache für die Entstehung von Bauchspeicheldrüsenkrebs noch weitestgehend unbekannt. Neuere wissenschaftliche Untersuchungen weisen daraufhin, dass es häufig bereits 20 Jahre vor dem tatsächlichen Auftreten der Erkrankung zu den ersten Zellmutationen kommt. Nach Meinung britischer Forscher ist es daher nicht überraschend, dass sich die Überlebensrate der Erkrankung in den letzten 40 Jahren kaum verbessert hat. Zum Zeitpunkt der Diagnose tritt Bauchspeicheldrüsenkrebs in der Regel äußerst aggressiv auf und eine Behandlung ist dann kaum mehr erfolgversprechend.
Neben genetischen Dispositionen gelten langjähriges Rauchen, Alkoholhabitus, starkes Übergewicht, Diabetes, zystische Veränderungen und chemische Schadstoffe als stark begünstigend für die Entstehung des Krebsleidens. Wie auch bei den anderen Krebsarten der Verdauungsorgane können ständige Reizungen, wie eine lang anhaltende Bauchspeicheldrüsenentzündung vermehrt zu einer Entartung von körpereigenen Zellen führen. Die genetische Disposition wird unter Experten jedoch mittlerweile als Hauptursache angesehen. (ag)
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