Kostenfalle PKV: Wie können sich Privatversicherte davor schützen?
02.04.2012
Die Privaten Krankenversicherungen (PKV) stecken in der Krise. Die Mitglieder bekommen dies in Form von drastischen Beitragserhöhungen zu spüren. Immer mehr Privatversicherte sind angesichts der massiven Anhebung ihrer Versicherungsprämien schlichtweg finanziell überfordert, berichtet die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz auf Basis einer bundesweiten Stichprobe zur Beitragentwicklung in der PKV. Doch es gibt Möglichkeiten der Kostenfalle zu entkommen.
Die Verbraucherschützer stellten außerdem fest, dass die Privaten Krankenversicherungen ihren Mitgliedern die Möglichkeiten zum Tarifwechsel oftmals erheblich erschweren. So hätten die Versicherten zwar nach § 204 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) theoretisch die Möglichkeit bei einer Beitragserhöhung in einen kostengünstigeren Tarif zu wechseln, doch in der Praxis würden ihnen massive Hürden in den Weg gestellt, kritisierte die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Gemeinsam mit dem Verbraucherzentralen Bundesverband forderten die Verbraucherzentralen der Länder daher von der Bundesregierung, nicht nur den Wechsel zwischen den einzelnen PKV-Tarifen zu vereinfachen, sondern auch einen reibungslosen Wechsel zwischen den verschiedenen Anbietern zu ermöglichen. Darüber hinaus sei auch „eine grundlegende Reform der Privaten Krankenversicherung überfällig“, so die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz in einer Mitteilung am Donnerstag letzter Woche.
PKV-Beiträge von über 1.000 Euro im Monat
Viele Private Krankenversicherungen locken Neukunden mit besonders günstigen Angeboten, die auf den ersten Blick mehr Leistung als in der gesetzlichen Krankenversicherung für weniger Geld versprechen. Nach Abschluss des Vertrages erwarten die Versicherten jedoch oftmals massive Beitragerhöhungen in den kommenden Jahren, was für manche zu einer kaum tragbaren finanziellen Belastung werden kann. Bei älteren Versicherten mit vermehrten gesundheitlichen Problemen erreichen die Beiträge unter Umständen eine Höhe von mehr als 1.000 Euro im Monat. Der einstige finanzielle Vorteil, dreht sich im höheren Lebensaltern in einen Nachteil, der einen Großteil des monatlichen Renteneinkommens verschlingt. Viele Privatversicherte können derartige Versicherungsprämien nicht aufbringen und so ist der Anteil der Nichtzahler bei den Privaten Krankenversicherungen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Allerdings bleiben den betroffenen Privatversicherten theoretische einige Möglichkeiten, die Kosten-Notbremse zu ziehen. Die wichtigsten Optionen sind in dem § 204 des VVG zusammengefasst.
Erschwerter Wechsel in einen kostengünstigeren Krankenversicherungstarif
So garantiert das Gesetzt den Privatversicherten zum Beispiel den Wechsel in einen günstigeren Tarif innerhalb einer Privatversicherung. Doch die Privaten Krankenversicherer haben hier etliche bürokratische und finanzielle Hürden eingezogen, die den Wechsel erschweren, so der Vorwurf der Verbraucherzentralen. Die Verbraucherzentralen haben in den vergangenen drei Monaten bundesweit 144 Beschwerden von Privatversicherten über Beitrags- und Wechselprobleme in der PKV ausgewertet, wobei die Versicherungsprämien zum Jahreswechsel laut Angaben der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz durchschnittlich um 23,9 Prozent gestiegen sind. Besonders negativ sei „die Central Krankenversicherung und die Gothaer Versicherung mit einer durchschnittlichen Erhöhung von 28,4 Prozent beziehungsweise 26,4 Prozent“ aufgefallen, so die Mitteilung der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Der höchste Beitragsanstieg lag bei stolzen 60 Prozent. Insbesondere „langjährige Bestandskunden und ältere Versicherte“ waren der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz zufolge von den massiven Beitragsexplosionen betroffen.
Private Krankenversicherungen unterlaufen Recht auf Tarifwechsel
Die von den Verbraucherzentralen untersuchten Beschwerden bezogen sich überwiegend auf Verträge, die bereits vor mehr als zehn Jahre abgeschlossen wurden, wobei die Versicherten in der Regel älter als 45 Jahre waren. Die teilweise mehr als 1.000 Euro monatlich kostenden Versicherungsbeiträge, würden zu einem massiven Problem für die Betroffenen und viele sehen sich nicht dazu in der Lage, ihre Beiträge auch im Ruhestand noch zu zahlen, so die Mitteilung der Verbraucherzentrale. Da eine Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung normalerweise ausgeschlossen ist, bleiben den Privatversicherten nur wenige Möglichkeiten um der Kostenfalle zu entkommen. Hierzu zählt auch das Wechselrecht in einen kostengünstigeren Tarif, was von den Privaten Krankenversicherungen jedoch „vielfach unterlaufen wird“, erklärte die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Lediglich bei vier von 144 vorliegenden Fällen sei „in den Unterlagen zu erkennen, dass der Wechsel problemlos durchgeführt werden konnte“, berichten die Verbraucherschützer.
Möglichkeiten zur Kosten-Notbremse für Privatversicherte
Die Privatversicherten haben neben der theoretisch bestehenden Wechselmöglichkeit mitunter auch die Option mit ihrem Versicherer eine Reduzierung der Leistungen und damit verbunden einen Nachlass bei den Prämien zu vereinbaren. Schließlich sind Einzelzimmer oder Chefarztbehandlungen im Krankenhaus möglicherweise verzichtbar, wenn hierdurch die Monatsbeiträge wieder auf ein verträgliches Maß reduziert werden können. Des weiteren können die Privatversicherten unter Umständen auch eine Beteiligung an den Behandlungskosten beziehungsweise den Arzneimitteln vereinbaren, um ihre Beiträge zu senken. Allerdings birgt dies im Fall schwerer langwieriger Erkrankungen ein erhebliches Risiko, da schnell horrende Summe zusammenkommen, die aus eigener Tasche bezahlt werden müssen. Ob eine Senkung der aktuellen Beiträge dieses Risiko rechtfertigt, ist schwer zu sagen. Eine Kündigung bei der bisherigen Versicherung macht ebenfalls nur in in Ausnahmefällen Sinn, denn es droht ein Verlust der Altersrückstellungen, die aus den Beiträgen aufgebaut werden.
Sollten Versicherte schon länger als als fünf Jahre in der PKV sein und das 40. Lebensjahr überschritten haben, ist daher von einem Anbieterwechsel abzuraten. Generell besteht auch die Möglichkeit in den Basistarif der PKV zu wechseln, wobei dieser jedoch ein deutlich abgespecktes Leistungsangebot umfasst und oftmals strittig bleibt, welche Maßnahmen die Versicherung übernimmt. Da die Versicherten ihre Behandlung und Arzneimittel vorerst aus eigener Tasche bezahlen und anschließend mit ihrer Versicherung abrechnen ein besonderes Problem. Denn unter Umständen bleiben sie am Ende auf den Kosten sitzen.
Wechselmöglichkeiten müssen verbessert werden
Nach Ansicht der Verbraucherzentralen macht die aktuelle Erhebung deutlich, dass in einem ersten Schritt vor allem die Wechselmöglichkeiten im Sinne der Privatversicherten verbessert werden müssen. Hierfür sollte der Gesetzgeber sicherstellten, dass die Private Krankenversicherung „spätestens zwei Wochen nach Eingang des Antrags über den Tarifwechsel entscheidet, Neutarife so gestaltet sind, dass ein Tarifwechsel ohne Gesundheitsprüfung möglich ist, bei einem Tarifwechsel keine Gebühren erhoben oder Prämienerhöhungen begründet werden und die Kalkulationsgrundlagen bei Beitragserhöhungen nachprüfbar sind“, so die Forderung der Verbraucherzentralen. Außerdem sollte „die Möglichkeit, seinen Anbieter zu wechseln, auf alle in der Privaten Krankenversicherung Versicherten“ ausgeweitet werden. Bisher besteht diese Wechselmöglichkeit lediglich für Versicherte, die ihren Vertrag nach dem 1. Januar 2009 abgeschlossen haben.
Umfassende Reform der PKV gefordert
Als „wesentliche Eckpunkte für eine verbrauchergerechte Reform der Privaten Krankenversicherung“ benannten die Verbraucherzentralen und der Verbraucherzentrale Bundesverband des weiteren die Einführung des Sachleistungsprinzips, bei dem die Versicherten nicht mehr in Vorleistung für ihre medizinische Versorgung gehen müssen, sondern die Leistungserbringer und Versicherungsunternehmen die Kosten direkt abrechnen. Auch sollte bei den Tarifen, deren Leistungsangebot dem der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht, die Beiträge dem Niveau der GKV angeglichen werden. Zudem forderten die Verbraucherzentralen die Einführung einer „Einkommenskomponente bei der Prämienkalkulation“, so dass nicht mehr ausschließlich das Krankheitsrisiko über die Beiträge entscheidet. Die hier erzielbaren Mehreinnahmen sollten in eine Art „Härtefall-Fonds“ eingezahlt werden, aus dem im Zweifelsfall die nicht mehr finanzierbaren Beiträge anderer Mitglieder ausgeglichen werden können. Der Fonds würde greifen, „wenn die Beiträge die finanzielle Leistungsfähigkeit der Verbraucher übersteigen“, so die Erläuterung der Verbraucherzentralen. Damit könnten die sozialen Härten innerhalb des PKV-Systems ausgeglichen werden und würden nicht auf die Gesamtgesellschaft abgewälzt, betonten die Verbraucherschützer.
Politik mit wachsenden Zweifeln am zweigliedrigen Krankenversicherungssystem
Auch in der Politik mehren sich angesichts der aktuellen Entwicklung bei den Privatversicherungen die Zweifel an dem zweigliedrigen Versicherungssystem. So hatte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn, im März öffentlich Stellung bezogen und betont, die Trennung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung sei „nicht mehr zeitgemäß“. Ein Äußerung, die in der Opposition auf offene Ohren trifft. So fordert zum Beispiel Bündnis 90/Die Grünen schon seit langem die Abschaffung der PKV. Da immer mehr Privatversicherte aufgrund der steigenden Beiträge in eine finanzielle Zwangslage geraten, scheint hier ein Einschreiten der Politik dringend erforderlich. Ob am Ende das zweigliedrige Krankenversicherungssystem Bestand haben wird, ist dabei nur von zweitrangiger Bedeutung. Entscheidend ist die zeitnahe Reduzierung der PKV-Beiträge auf ein verträgliches Maß, wobei der Ausgleich wie von den Verbraucherzentralen gefordert aus dem PKV-System selbst erbracht werden sollte. (fp)
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