Studie: Leseschwäche bei Kindern mit Hilfe der MRT schon frühzeitig erkennbar
24.01.2012
Kinder, die an einer Leseschwäche (Dyslexie) leiden, haben Schwierigkeiten beim Lesen und kognitiven Umsetzen von Wörtern oder ganzen Texten. Um eine abschließende Diagnose zu stellen, müssen organische Probleme wie Seh- oder Hörschwierigkeiten ausgeschlossen werden. US-Forschern ist es im Verlauf einer Studienarbeit gelungen, mittels eines Tests eine Leseschwäche bei Kindern frühzeitig vor Schulbeginn zu diagnostizieren.
An den unterschiedlichen Formen und Ausprägungen einer Leseschwäche leiden nach Schätzungen rund 5 bis 17 Prozent aller Deutschen. Oft werden erste Probleme im Rahmen einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (Legasthenie) in der Schule offenkundig. Kinder zeigen im Unterricht beim Erlernen des Lesens und Schreibens weitaus größere Schwierigkeiten, als ihre Mitschüler. Ein Problem der allgemeinen Intelligenz ist dabei nicht ersichtlich. Den Kindern sind längere Sätze ein Rätsel und leiden vielmals psychisch an dem eingeschränkten Vermögen, nicht richtig Lesen zu können.
Frühzeitiger Test soll Kindern helfen
Mittels eines neuen Test könnten Kinder, die schlecht lesen und buchstabieren, frühzeitig erkannt werden. Das Forscherteam um Nadine Gaab von der US-amerikanischen Harvard Medical School in Boston (Massachusetts) berichten, dass die Leseschwäche bereits vor Schulbeginn im Gehirn nachweisbar ist. Laut Meinung der Wissenschaftler kann die neuerliche Studie dabei helfen, Schülern und Eltern mehr Hilfen zu verschaffen. Viele Eltern wissen zwar um die Schwächen ihrer Kinder, finden aber vielmals in den Schulen keine ausreichende Unterstützung. Wenn schon vor Beginn der Einschulung eine Dyslexie diagnostiziert wird, könnte frühzeitig gegengesteuert werden.
Im Fachmagazin „Proceedings“ der US-Akademie der Wissenschaften erläutern die Forscher, dass etwa 5 bis 17 Prozent der Kinder an einer Leseschwäche leiden. Sie können Sätze schlecht lesen und buchstabieren. Den meisten Kleinen fällt es schwer, schnell gesprochene Sätze zu verstehen und das Gehörte aufzuschreiben. Eben jene betroffene Vorschulkinder wählte das Team aus, um eine Studie zu unternehmen. An dem Test nahmen 36 Kinder im Alter zwischen fünf und sechs Jahren teil. Zum Vergleich nahmen auch Kinder ohne Auffälligkeiten teil. Alle Probanden unterzogen sich einer funktionellen Magnetresonanz-Tomographie (MRT), um zu testen, in welchen Gehirnregionen bei unterschiedlichen Tätigkeiten die Areale mal mehr und mal weniger reagieren. Zwar verlief die Untersuchung frei von Berührungen des Gerätes, jedoch mussten die Kinder hierzu einige Zeit still im MRT liegen. Da es Kleinkindern in dieser Altersstufe noch schwer fällt, sich ruhig zu verhalten, bedienten sich die Wissenschaftler einiger Tricks und gutem Zureden. Die Untersuchung wurde für die Kinder spielerisch gestaltet.
Unterschiedliche Aktivitätsgrade im Gehirn
Im Verlauf der Untersuchung zeigten Kinder mit einer Dyslexie eine geringere Aktivität in mehreren Regionen des Gehirns im Vergleich zu Kindern, ohne Leseschwäche. Die Befunde konnten die Forscher in den Verbindungen zwischen den Occipital-Lappen (die hinterste Region des Großhirns) und dem Temporal-Lappen (seitliche Teil des Großhirns) ausmachen. Zudem zeigten sich vergleichsweise weniger Gehirnaktivitäten in den Arealen zwischen dem Temporal-Lappen und dem Scheitel-Lappen.
Zwar wusste das Forscherteam, „dass ältere Kinder und Erwachsene mit Dyslexie Probleme in den gleichen Hirnregionen haben“, allerdings „zeigt die Studie, dass die Fähigkeit des Gehirns zum Verarbeiten von Sprachklängen bereits defizitär ist, bevor Kinder das Lesen erlernen“ erläuterte Studienleiterin Nadine Gaab. Wurde bei Kindern in den benannten Arealen hohe Gehirnaktivitäten gemessen, so hatten diese „ein besseres Verständnis für Buchstaben, Klänge und Rhythmen.“ Die Wissenschaftler hoffen, dass das rechtzeitige Identifizieren eines möglichen Leseschwäche-Risikos im Vorschulalter „die schlechten sozialen und psychischen Folgen reduzieren, mit denen Kinder oft in der Schule konfrontiert sind“, sagte Gaab. „Viele Eltern wissen bereits im Kindergarten von den Problemen ihrer Kinder, können aber in der nachfolgenden Schulzeit keine adäquaten Hilfen auslösen.“ Wenn aber nun nachweisbar ist, „dass die Kinder ein vorhandenes Problem haben, könnten die Schulen dazu motiviert werden, entsprechende Entwicklungsprogramme zu schaffen.“
Studie noch nicht abgeschlossen
Um die Ergebnisse zu sichern, sollen die bereits untersuchten Kinder im Verlauf der ersten Schuljahre noch einmal untersucht werden. Denn noch ist nicht abschließend bewiesen, ob die getätigten Prognosen tatsächlich eintreffen. Ob die Kinder tatsächlich eine Leseschwäche entwickeln, zeigt sich erst in der Folgezeit. Erst dann darf auch von einer erfolgreichen Studienarbeit gesprochen werden. Die Studie wird vom US-Gesundheitsministerium finanziell unterstützt. (sb)
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