Gen als Ursache der Manie identifiziert
03.09.2012
Sogenannte bipolare Störungen, auch bezeichnet als Manie, werden maßgeblich durch ein bestimmtes Gen bedingt. Zu diesem Ergebnis gelangten Forscher der Universität Bonn und des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim in einer gemeinsamen Studie, die im Fachmagazin „The American Journal of Psychiatry“ veröffentlicht wurde.
Manische Depression: „Himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt“
Himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt. Das Manie-Gen „NCAN“ ist laut Aussage der Wissenschaftler der Universität Bonn und des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit auf molekularer Ebene für die euphorischen Phasen der Patienten mit bipolarer Störung verantwortlich. Den Wissenschaftlern ist es gelungen zu entschlüsseln, wie das Gen NCAN zu manischen Symptomen bei der bipolaren Störung führt.
Wie die Forscher berichten, durchlaufen Menschen mit einer bipolaren Störung eine ständige Achterbahn der Gefühle. „In depressiven Phasen leiden sie unter sehr gedrückter Stimmung, vermindertem Antrieb und häufig auch unter Suizidgedanken“, während in den „manischen Episoden Rastlosigkeit, Euphorie und Größenwahn“ typische Merkmale sind, so die Mitteilung der Universität Bonn. Professor Dr. Andreas Zimmer, Direktor des Instituts für Molekulare Psychiatrie, und Professor Dr. Markus M. Nöthen, Direktor des Instituts für Humangenetik, hatten in der aktuellen Presseerklärung die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Experten um Prof. Dr. Marcella Rietschel vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim betont. Gemeinsam konnten die Forscher in ihrer umfassenden Studie nachweisen, „auf welche Weise das NCAN-Gen an der Entwicklung der Manie beteiligt ist.“ Zwar war laut Prof. Nöthen schon früher bekannt, dass „das NCAN-Gen wesentlich Einfluss auf die Entwicklung einer bipolaren Störung hat“, doch der funktionelle Zusammenhang blieb bisher unklar.
Mechanismus des Manie-Gens entschlüsselt
Um den Wirkungsmechanismus des Manie-Gens zu entschlüsseln, werteten die Wissenschaftler die genetischen Daten und die dazugehörigen Symptombeschreibungen von 1.218 Patienten mit bipolaren Störungen aus. Anhand der gewonnenen Daten konnten die Forscher überprüfen, welche Symptome der bipolaren Störung mit dem NCAN-Gen in einem besonders engen Zusammenhang stehen. Es habe sich gezeigt, „dass das NCAN-Gen sehr eng und ganz spezifisch mit den manischen Symptomen korreliert”, erläuterte Prof. Rietschel. Die Expertin des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit kommt zu dem Schluss, dass das Gen nur für die manischen Episoden der Erkrankung verantwortlich ist – nicht jedoch für die depressiven. Die anhand der Patientendaten gewonnene Erkenntnisse überprüften Prof. Zimmer und Kollegen in Versuchen mit sogenannten Knockout-Mäusen, bei denen das NCAN-Gen ausgeschaltet war. Auch hier habe „sich gezeigt, dass diese Tiere keine depressiven Verhaltensanteile zeigen, sondern manische Symptome“, erläuterte Prof. Zimmer.
Dem Experten zufolge waren die Knockout-Mäuse zum Beispiel wesentlich aktiver als die Kontrollgruppe und zeigten eine höhere Bereitschaft, Risiken einzugehen. Darüber hinaus zeigten sie öfter einen maßlosen Genuss der Zuckerlösung, die ihnen von den Forschern angeboten wurde, was auf ein übersteigertes beziehungsweise fehlgeleitetes Belohnungsverhalten schließen lässt. Vergleichbares Verhalten ist auch „von Menschen bekannt, die in manischen Phasen oft übermäßig viel und oft Drogen konsumieren“, so die Mitteilung der Universität Bonn.
Im weiteren Versuchsverlauf verabreichten die Wissenschaftler den manischen Knockout-Mäusen Lithium, welches beim Menschen als Standardtherapie zur Behandlung bipolarer Störungen eingesetzt wird. „Die Lithium-Gabe unterband vollständig die Hyperaktivität der Tiere“, erläuterte Prof. Zimmer. Die Versuche haben gezeigt, dass auch beim Lithium, die Reaktionen von Mensch und Maus das NCAN-Gen betreffend praktisch identisch sind, so das Fazit der Wissenschaftler. „Wir waren überrascht, wie stark die Befunde bei den Mäusen und den Patienten übereinstimmen”, betonte Prof. Nöthen. In dieser Deutlichkeit sei das sonst nur selten der Fall. Die Wissenschaftler hoffen nun auch auf neue Ansätze für eine Therapie.
Aus früheren Studie sei bereits bekannt gewesen, dass es zu einer Entwicklungsstörung im Gehirn kommt, wenn das NCAN-Gen ausgeschaltet und dadurch die Bildung des Proteins „Neurocan“ unterbunden wird. Nun werde immer mehr deutlich, dass sich „als Konsequenz dieser molekularen Störung später offenbar die manische Symptomatik bei den Betroffenen“ ausprägt, betonte Prof. Zimmer. Die Entdeckung die molekularen Wirkungsmechanismus könnte möglicherweise bei der Entwicklung neuer Medikamente helfen. Weiterhin spielen bei der Entstehung der Erkrankung vermutlich jedoch auch erbliche Komponenten und psychosoziale Faktoren der Umwelt eine wesentliche Rolle, was im Rahmen der Therapie ebenfalls Berücksichtigung finden sollte. (fp)
Lesen Sie zum Thema:
Depressionen werden zu selten behandelt
Depressiven Ängste nicht absprechen und kleinreden
Industriefette fördern Depressionen
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.