Fachleute üben im Gesundheitsausschuss massive Kritik am „Pflege-Bahr“
26.06.2012
Der „Pflege-Bahr“ (Wortschöpfung analog zur „Riester-Rente“) sorgt in der Fachwelt weiterhin für heftige Diskussionen. Ab 2013 sollen private Einzahlungen in eine sogenannte Pflegetagegeldversicherung vom Bund mit fünf Euro im Monat bezuschusst werden, so der Plan der .Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP. Auf diese Weise hoffen die Politiker eine verbesserte private Absicherung der Pflegerisiken zu initiieren.
Doch die im „Pflege-Bahr“ vorgesehenen fünf Euro staatlicher Zuschuss für die private Pflegevorsorge stoßen in der Fachwelt zum Teil auf erhebliche Kritik. Lediglich von den privaten Krankenversicherungen wurde bereits die volle Unterstützung des Vorhabens signalisiert. Gewerkschaften, Sozialverbände und die gesetzlichen Krankenkassen lehnen den „Pflege-Bahr“ indes grundsätzlich ab und übten massive Kritik an dem Vorschlag der Bundesregierung.
Fünf Euro Zuschuss im Monat zur privaten Pflegevorsorge
Das nach dem Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) benannte Modell, sieht eine Bezuschussung der privaten Pflegevorsorge in Höhe von fünf Euro pro Monat vor. Anspruch auf den Zuschuss sollen sämtliche volljährigen Antragsteller haben, die bis dato keine Pflegeleistungen oder Leistungen wegen eingeschränkter Alltagskompetenz beziehen und mindestens zehn Euro monatlich in eine förderfähige Pflegetagegeldversicherung einzahlen. Eine weiterreichende Einschränkung beziehungsweise Auswahl der Versicherten im Sinne der Risikoselektion durch die zuständigen Versicherer ist nicht vorgesehen. Im Gesundheitsausschuss des Bundestages fand nun eine Anhörung von Fachleuten zu dem sogenannten „Pflege-Bahr“ statt, wobei deutlich wurde, dass die Vorschläge der Bundesregierung nicht nur von der Opposition kritisch bewertet werden.
Unsozialer und unwirtschaftlicher Vorschlag zur privaten Pflegevorsorge?
Experten der gesetzliche Krankenversicherungen, der Sozialverbände und der Gewerkschaften zeigten eine deutlich ablehnenden Haltung gegenüber dem „Pflege-Bahr“. Der Vorschlag sei gleichermaßen unsozial und unwirtschaftlich, so die Begründung. Professor Klaus Jacobs, Leiter des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), ging sogar noch einen Schritt weiter und empfahl das Vorhaben generell einzustellen, denn für ältere Menschen sei eine entsprechende private Absicherung des Pflegefalls zu teuer und Dreißigjährigen sei der weit in der Zukunft liegende Nutzen nur schwer zu vermitteln. Der Vorsitzende des Bundes der Versicherten (BdV) und Versicherungsmathematiker (Aktuar) Axel Kleinlein erklärte, dass die Verwaltungskosten der Verträge, Zulagen und des Risikostrukturausgleichs vermutlich die komplette staatliche Förderung aufzehren würden, so dass am Ende die geförderten Pflegetarife möglicherweise deutlich teurer würden, als die nicht geförderten.
PKV für die Einführung des „Pflege-Bahr“
Die generell eher als CDU und FDP freundlich gesinnt geltenden Vertreter der Arbeitgeber, konnten dem „Pflege-Bahr“ ebenfalls kaum positives abgewinnen, da dieser keinen Beitrag zur nachhaltigen Finanzierung der Pflegeversicherung leiste. Allerdings hätten sich die Arbeitgeber anders als die Sozialverbände und Gewerkschaften einen noch umfassenderen Ausbau der privaten Pflegevorsorge gewünscht. Die Vertreter der privaten Krankenversicherungen befürworteten indes bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss das Modell des „Pflege-Bahr“ und äußerten sich zuversichtlich, trotz des Kontrahierungszwangs schon Anfang 2013 die Umsetzung entsprechender Produkte zu realisieren. Diese würden anschließend mit den nicht geförderten Angeboten konkurrieren. Allerdings räumte der Direktor des Verbandes der Privaten Krankenversicherungen, Dr. Volker Leienbach, ein, dass per Gesetz das Hin- und Herwechseln zwischen den geförderten und nicht geförderten Produkten ausgeschlossen werden müsse. Denn möglicherweise würden die geförderten Produkte teurer ausfallen als die nicht geförderten, da in letzteren eine klare Risikoselektion erfolgt. Eine dynamische Anpassung der staatlichen Zuschüsse könnte diesem Problem nach Ansicht von Leienbach jedoch entgegenwirken. Der Vertrieb der geförderten Pflegevorsorge sollte dem PKV-Verbandsdirektor zufolge gemeinsam mit den gesetzlichen Krankenversicherungen organisiert werden.
Angesichts der äußerst unterschiedlichen Positionen der Experten zu den Vorschlägen des „Pflege-Bahr“ sind in den kommenden Monaten verschärfte Auseinandersetzungen über dessen Ausgestaltung zu erwarten, wobei die schwarz-gelbe Bundesregierung von ihrem ursprünglichen Ansinnen einer stärkeren privaten Initiative bei der Pflegevorsorge jedoch vermutlich kaum abrücken wird. (fp)
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