400 Prozent mehr Leiharbeiter in der Pflegebranche
05.07.2012
Immer mehr diakonische und private Einrichtungen lassen Zeitarbeitsnehmer zu Brutlöhnen von weniger als 1600 Euro brutto monatlich schuften. Die Zahl der Leiharbeiter in Krankenhäusern und Pflegeheimen ist seit 2005 um satte 400 Prozent gestiegen. Die meisten Leiharbeiter arbeiten demnach im Pflegebereich. Das ergab eine Auswertung der Bundesagentur für Arbeit.
Etwa 1.600 Euro brutto im Monat verdient ein Leiharbeitnehmer im Bereich der Pflegebranche. Die Zahl der Betroffenen ist seit dem Jahre 2005 um 400 Prozent gestiegen, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) mitteilte. Der Anteil der Leiharbeiter in Pflegeberufen beträgt – gemessen am Gesamtanteil – der Zeitarbeit nunmehr 16,4 Prozent, wie die BA der Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann von der Partei „Die Linke“ auf Anfrage mitteilte.
Verdienst geringer als bundesweite Niedriglohngrenze
Der durchschnittliche Bruttoarbeitslohn der Pflegekräfte in Zeitarbeit betrug durchschnittlich 1600 Euro monatlich. Zwei Drittel der Leiharbeiter verdienten weniger als als 1802 Euro im Monat . Sie lagen somit unter der deutschlandweiten Niedriglohnschwelle für einen Single-Haushalt. Arbeitnehmer, die regulär im Gesundheits- oder Sozialwesen beschäftigt sind, erreichten einen Durchschnittsmonatslohn (bis Ende 2010) von gut 2456 Euro. Die Linkspolitikerin Zimmermann sieht hierin „deutliche Gehaltsunterschiede, die bedenklich sind“.
Zimmermann sagte der Süddeutschen Zeitung, zahlreiche Anbieter der Gesundheits- und Pflegebranche würden Mitarbeiter „ausschließlich als belastenden Kostenfaktor, den es möglichst klein zu halten gilt“ ansehen. Gegenüber der SZ erklärte das Institut für Arbeit und Technik aus Gelsenkirchen, dass die Zahl der Zeitarbeitnehmer im Bereich der Pflege noch weiter ansteigen werde, da die Personaldecke nach dem Stellenabbau der letzten Jahre sehr dünn sei. Wolfgang Müller von der Initiative „Gegen Hartz“ sieht darin ein Kalkül der Arbeitgeber. „Erst werden die regulären Stellen abgebaut, um sie dann mit billigen Arbeitskräften wieder aufzufüllen“, Nach Angaben Müllers würden „viele Leiharbeitnehmer zu wenig verdienen, um ihre Familie zu ernähren“. Sie müssten deshalb mit Hartz IV aufstocken. Die Jobcenter würden die Menschen dazu drängen, im Niedriglohnsektor bei der Zeitarbeit zu arbeiten. Wer sich weigert, wird mit Geldkürzungen sanktioniert, so Müller.
Lohnkosten sollen gedrückt werden
Arbeitsmarktexperten sehen die Entwicklung mit Sorge, da einige Zeitarbeitsunternehmen nur zu dem Zweck aufgebaut wurden, um Arbeitskräfte an Krankenhäuser und Altenheime zu verleihen. Oftmals handelt es sich dabei um sogenannte Tochterunternehmen, die damit Tarifverträge umgehen wollen. Der Sinn dahinter ist, „die Löhne nach unten zu drücken“. Keine Personalkosteneinsparung ergebe sich, wenn Leiharbeiter von externen Zeitarbeitsfirmen angeheuert werden. Dann liegen die Kosten ähnlich hoch wie bei Normalbeschäftigten. (sb)
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Bild: Gerda Mahmens / pixelio.de
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