EU: Jeder zweite Todesfall durch Krebs oder chronische Krankheiten
18.09.2012
Rund die Hälfte der Todesfälle in der Europäischen Union wird durch Krebs oder chronische Krankheiten bedingt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie niederländischer, belgischer und deutscher Forscher, in deren Rahmen mehr als vier Millionen Totenscheine von EU-Bürgern ausgewertet wurden.
„Das Ziel dieser Studie war es, die Anzahl der Personen in Europa zu ermitteln, die an Krebs und chronischen Krankheiten streben“, nicht zuletzt um die Auswirkungen des demografischen Wandels und die regionalen Unterschiede abzuschätzen, berichtet das Forscherteam um Jeroen Hasselaar vom Radboud University Medical Center (Nijmegen, Niederlande) im Fachmagazin „BMJ Supportive and Palliative Care“. Bei der Auswertung der vier Millionen Totenscheine stellten die Forscher fest, dass rund jeder zweite Todesfall auf Krebs oder eine chronische Erkrankung zurückzuführen ist. Außerdem registrierten sie deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten.
Mehr als vier Millionen Todesfälle bei EU-Bürgern untersucht
In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Universitätsklinik Gasthuisberg Leuven (Belgien), der Universität Bonn, dem Malteser Hospital Bonn/Rhein-Sieg und der Universität Göttingen hatte Jeroen Hasselaar 4,1 Millionen Sterbeurkunden von Verstorbenen aus 27 EU-Mitgliedsstaaten analysiert. Die Totenbescheinigungen stammten zum Großteil aus dem Jahr 2007, in wenigen Fällen aus dem Jahr 2006 oder 2004. Die Forscher gingen der Hypothese nach, dass „aufgrund der Alterung der europäischen Bevölkerung die nicht-akuten Todesfälle voraussichtlich steigen.“ Und tatsächlich bildeten chronische Krankheiten und Krebs europaweit betrachtet die häufigsten Todesursachen. Laut Angaben des internationalen Forscherteams gehen rund zwei Millionen der überprüften vier Millionen Todesfälle auf eine derartige nicht-akute Todesursache zurück.
Krebs die häufigste Todesursache in der Europäischen Union
Rund ein Viertel der vier Millionen ausgewerteten Todesfälle wurde den Ergebnissen der Forscher zufolge durch Tumorerkrankungen bedingt. Damit ist Krebs die Todesursache Nummer eins in der EU. Chronische Herzkrankheiten (z. B. Koronare Herzkrankheit) bilden die zweithäufigste Todesursache bei EU-Bürgern – rund fünf Prozent der Todesfälle gehen auf ihr Konto. Als weitere nicht-akute Todesursachen nennen die Forscher chronische Lungenkrankheiten, Erkrankungen der Leber mit anschließendem Leberversagen, Diabetes aber auch neurodegenerative Erkrankungen wie Demenzen. Zwischen den einzelnen EU-Staaten seien jedoch deutliche Unterschiede festzustellen gewesen, schreiben Jeroen Hasselaar und Kollegen in dem Artikel „Die Belastung durch nicht-akutes Sterben auf die Gesellschaft: Sterben durch Krebs und chronische Krankheiten in der Europäischen Union.“
Regionale Unterschiede bei der Sterberate
Den Ergebnissen des internationalen Forscherteams zufolge waren Todesfälle durch chronische Krankheiten und Krebs bezogen auf die Gesamtzahl der Todesfälle in Bulgarien, Dänemark und Ungarn am häufigsten. Am seltensten spielten chronische Erkrankungen und Tumore bei den Todesfällen in Irland, der Slowakei und auf Zypern eine Rolle. Allgemein sei zu beobachten, dass in den wohlhabenden Staaten chronische Krankheiten und Krebs häufiger Ursache von Todesfällen sind, was die Forscher auf die bessere medizinische Versorgung zurückführen. Die Menschen werden hier älter und mit dem Alter steigt das Risiko chronischer Krankheiten beziehungsweise die Wahrscheinlichkeit eines Tumors, schreiben Hasselaar und Kollegen. Wieso jedoch die Ostblockstaaten bei den Krebserkrankungen trotz einer geringeren Alterung der Bevölkerung so weit vorne liegen, konnten die Forscher nicht erklären. Es drängt sich der Verdacht auf, dass dies mit den höheren Umweltbelastungen – möglicherweise sogar mit der Atomkatastrophe von Tschernobyl – zusammenhängen könnte, doch die Wissenschaftler um Jeroen Hasselaar haben hierzu keine Aussage getroffen.
Todesfälle durch chronische Krankheiten und Krebs werden weiter zunehmen
Insgesamt errechneten die Wissenschaftler für chronische Krankheiten und Krebs eine Sterberate von 409 Todesfällen je 100.000 EU-Bürger. In Deutschland liege diese bei 442 Todesfällen je 100.000 Einwohnern – also deutlich über dem EU-Durchschnitt. Der Zusammenhang zwischen dem Durchschnittsalter und der Sterberate durch chronische Erkrankungen oder Krebs wird besonders deutlich bei Betrachtung der Daten zu EU-Bürgern im Alter ab 65 Jahren. Für sie errechneten die Forscher eine Sterberate von 1.783 Todesfälle je 100.000 Personen durch nicht-akute Krankheiten. Damit wird der EU-Durchschnitt für die Gesamtbevölkerung um mehr als das dreifache überschritten. Mit dem steigenden Durchschnittsalter im Zuge des demografischen Wandels werden demnach auch die Todesfälle durch chronische Krankheiten und Krebs weiter zunehmen, erläuterte Jeroen Hasselaar.
Versorgung von Patienten mit chronischen Erkrankungen oder Krebs verbessern
Ihre Studienergebnisse verdeutlichen, welche Bedeutung chronische Erkrankungen und Krebs in Zukunft bei den Todesfällen in der EU haben werden und welche Belastungen für die Gesellschaft zu erwarten sind, schreiben Hasselaar und Kollegen. Auch werde deutlich, wie wichtig die Versorgung der Patienten mit chronischen Erkrankungen und Krebs im Endstadium ist. Schon heute seien Millionen Europäer betroffen und in Zukunft ist ein weiterer Anstieg vorherzusehen. Künftige Untersuchungen sollten daher die nun gewonnenen Informationen in Zusammenhang mit der Häufigkeit bestimmter Symptome und dem Einsatz Palliativ-medizinischer Dienstleistungen bringen, so das Fazit der Forscher. Auch seien die europäischen Politiker dazu aufgefordert „regionale Unterschiede bei der Entwicklung von lang- und kurzfristigen Strategien der Palliativmedizin“ zu berücksichtigen. (fp)
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