Gesundheitsfonds: Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler nutzt Milliarden-Überschuss für Rücklagen
09.03.2011
Die gesetzlichen Krankenkassen haben im vergangenen Jahr insgesamt mit einem massiven Defizit abgeschlossen, obwohl die Versicherten so viel Beiträge wie niemals zuvor gezahlt haben und der Gesundheitsfonds am Ende des Jahres einen deutlichen Überschuss verzeichnete.
Der Gesundheitsfonds, in dem die Versicherungsbeiträge gesammelt und an die einzelnen gesetzlichen Krankenkassen verteilt werden, hat im vergangenen Jahr mit einem Milliarden-Überschuss abgeschlossen, während die gesetzliche Krankenversicherungen rund eine halbe Milliarde Euro Defizit verzeichnen mussten. Der Überschuss von 4,2 Milliarden Euro im Gesundheitsfonds wird nach den Plänen des Bundesgesundheitsministers Philipp Rösler (FDP) gänzlich in die Rücklagen fließen. Eine außerplanmäßige Entlastung der Krankenkassen und / oder der Versicherten ist nicht angedacht, so die Mitteilung des Gesundheitsministeriums.
Bundesgesundheitsminister will Überschuss nicht zur Beitragssenkungen verwenden
Eigentlich müsste der Bundesgesundheitsminister nach den gesetzlichen Vorgaben lediglich etwa drei Milliarden Euro für die Bildung von Rücklagen verwenden, die übrigen 1,2 Milliarde Euro ständen zur Entlastung der Beitragszahler zur Verfügung. Doch Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) lehne mögliche Beitragssenkungen mit Hilfe der überschüssigen Mittel ab und werde die komplette Summe in die Rücklagen fließen lassen, erklärte eine Sprecher des Gesundheitsministeriums. Durch dieses zusätzliche finanzielle Polster werde Vorsorge für schlechtere konjunkturelle Zeiten getroffen, so der Ministeriumssprecher weiter. Ohnehin wäre auf Basis der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel von 1,2 Milliarden Euro lediglich eine Beitragssenkungen von 0,1 Prozent möglich (von 15,5 Prozent auf 15,4 Prozent des Bruttolohns).
Gesundheitsfonds mit Milliarden-Überschuss, Krankenkassen mit Millionen-Defizit
Zwar dienen die gebildeten Rücklagen auch der Absicherung der Krankenversicherungen, doch der Kontrast zwischen der hervorragenden finanzielle Situation des Gesundheitsfonds und dem Defizit der gesetzlichen Krankenversicherungen insgesamt, wirft erneut Fragen am System auf. Das einzelne Krankenkassen wie beispielsweise die AOK (rund 500 Millionen Euro Defizit 2010) oder die Barmer GEK (rund 300 Millionen Euro Defizit) nicht mit den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds auskommen, wäre eventuell noch zu vernachlässigen, da andere Krankenkassen wie zum Beispiel die Techniker Krankenasse (TK) unter den gleichen Voraussetzungen einen deutlichen Überschuss (knapp 600 Millionen Euro ) erwirtschaften konnten. Doch das die gesetzlichen Krankenversicherungen insgesamt ein Minus von 445 Millionen Euro zu verzeichnen hatten, sollte auch der Politik zu denken geben. Die von einem Defizit betroffenen Kassen bemängelten dabei in erster Linie, dass ihr Minus durch nachträgliche Korrekturen am krankheitsbedingten Finanzausgleich entstanden sei. So hätte beispielsweise die DAK nach eigenen Angaben mit Hilfe eines Zusatzbeitrages von acht Euro im vergangene Jahr eigentlich einen operativen Überschuss von 62 Millionen Euro erwirtschaftet, doch dieser habe sich durch die nachträglichen Kürzungen beim Finanzausgleich in ein finanzielles Defizit von 79 Millionen Euro gedreht.
Defizit der Krankenkassen strukturelles Problem?
Das die gesetzlichen Krankenversicherungen trotz Beitragszahlungen in Rekordhöhe und einem Milliarden-Überschuss im Gesundheitsfonds insgesamt mit einem deutlichen Defizit abgeschlossen haben, ist nach Aussage des Gesundheitsministeriums ein strukturelles Problem. Denn die Einnahmen der Krankenversicherungen steigen langsamer als ihre Ausgaben, erklärte der Sprecher des Ministeriums. So seien die Einnahmen 2010 lediglich um zwei Prozent gestiegen wohingegen sich die Ausgaben um gut drei Prozent erhöht haben, so die Mitteilung des Ministeriums. Die sich ergebende Finanzierungslücke, werde von den Versicherungen künftig durch die Erhebung von Zusatzbeiträgen geschlossen, erläutere der Ministeriumssprecher. Bereits jetzt erheben einige Krankenkassen Zusatzbeiträge, um das Defizit aufzufangen, doch wie das Beispiel der DAK zeigt oft nur mit beschränktem Erfolg. Außerdem ist mit der Erhebung von Zusatzbeiträgen in der Regel ein erheblicher Mitgliederschwund verbunden, da momentan noch ausreichend gesetzliche Krankenversicherungen zur Verfügung stehen, die keinen Zusatzbeitrag erheben. So hatte beispielsweise die DAK nach der Einführung von Zusatzbeiträgen im vergangenen Jahr einen Mitgliederverlust in Höhe von deutlich über 300.000 Versicherten zu verzeichnen. Daher lehnen viele Krankenversicherungen wie die AOK und die Barmer GEK – trotz des massiven Defizits im vergangenen Jahr – die Einführung von Zusatzbeiträgen bisher grundsätzlich ab. Mit einer Welle von Zusatzbeiträgen ist nach Ansicht des Gesundheitsministerium nicht zu rechnen und der durchschnittliche Zusatzbeitrag werde auch 2011 weiterhin „bei null Euro“ liegen, erklärte der Ministeriumssprecher.
Gründe der Kostensteigerungen bei den Krankenkassen
Als wesentliche Gründe für die Kostensteigerung nannte das Gesundheitsministerium vor allem die Leistungen im Bereich des Krankengeldes, wobei hier neben der größeren Zahl von Empfängern explizit die „Zunahme langwieriger psychischer Erkrankungen“ genannt wird. Außerdem seien die Verwaltungskosten der gesetzlichen Krankenversicherungen im vergangenen Jahr mit gut sechs Prozent insgesamt ungewöhnlich stark gestiegen. Hier habe die Verpflichtung zur Bildung von Altersrückstellungen für ihre Mitarbeiter den Krankenassen deutlich erhöhte Kosten beschert, erklärte der Sprecher des Ministeriums. Außerdem seien im vergangenen Jahr die Ausgaben für Behandlungen im Krankenhaus um knapp fünf Prozent gestiegen, was ebenfalls zum Defizit der gesetzlichen Krankenversicherungen beigetragen habe. Die Kosten für die ambulante Behandlung beim Arzt haben sich indes im Vergleich zum Vorjahr nur moderat erhöht, so der Ministeriumssprecher weiter (2,6 Prozent 2010 gegenüber mehr als sieben Prozent 2009). Positiv sei die Kostenentwicklung bei den Arzneimitteln zu beurteilen, die sich deutlich abgebremst habe. Die Kostensteigerungsrate liege bei nur noch 1,3 Prozent, was vom Gesundheitsministerium als erstes Erfolgszeichen des von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler initiierten Arzneimittelsparpakets gewertet wurde. Nach Angaben des Ministeriums seien die Ausgaben für Arzneimittel im Januar dieses Jahres sogar gesunken. (fp)
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