Schmerzensgeld für 16 Gegenstände im Körper nach einer Operation
14.01.2013
Behandlungsfehler sind in Kliniken deutschlandweit durchaus keine Seltenheit, doch die aktuellen Vorwürfe gegen ein Klinikum in Hannover sprengen eindeutig den bekannten Rahmen. Hatten in der Vergangenheit einzelne Fälle für Aufsehen gesorgt, bei denen ein Fremdkörper nach einer Operation im Körper des Patienten vergessen wurde, ist in Hannover nun von ganzen 16 Gegenständen die Rede, welche nach einer Operation im Körper eines mittlerweile verstorbenen Patienten entdeckt wurden.
Wie 16 Gegenstände im Zuge einer Operation in den Körper eines Patienten gelangen können, ohne dass dies dem anwesenden medizinischen Personal auffällt, ist nicht nur für die Hinterbliebenen des Verstorbenen und deren Anwältin eine ungelöste Frage. Fest steht nur, dass Monate nach der Operation im Henriettenstift in Hannover zahlreiche Fremdkörper wie beispielsweise eine Nadel in dem Körper des 74-Jährigen H. Brecht entdeckt wurden. Der zuständige Chefarzt wies jedoch gegenüber der lokalen Presse sämtliche Schuld von sich. In einem zähen Streit, den mittlerweile die Witwe des im April 2012 verstorbenen Patienten fortführt, muss geklärt werden, welche Schuld die Mediziner des Klinikums tatsächlich trifft.
80.000 Euro Schmerzensgeld vom Henriettenstift gefordert
Eigentlich sollte dem Patienten im Henriettenstift nur ein künstlicher Darmausgang gelegt werden, doch dem Vorwurf der Anwältin des damals 74-Jährigen zufolge wurden dem Mann gleichzeitig mehrere Fremdkörper implantiert. Monate nach der Operation seien 16 Gegenstände in dem Körper des Patienten entdeckt worden, so die Expertin für Medizinrecht, Annette Corinth, weiter.Seither läuft der Streit über die Verantwortung und entsprechende Entschädigungen. Die Familie des mittlerweile Verstorbenen fordert in dessen Namen weiterhin ein angemessenes Schmerzensgeld, die Versicherung des behandelnden Arztes soll hingegen anfangs angeblich lediglich zur Zahlung von 500 Euro bereit gewesen sein. Mittlerweile steht eine Summe von 15.000 Euro Schmerzensgeld im Raum, welche die Versicherung zu zahlen bereit sein soll. Doch die Hinterbliebenen fordern weiterhin eine Summe von 80.000 Euro und kündigten an im Zweifelsfall auch vor Gericht zu klagen. Der Streit zwischen der Versicherung des Henriettenstiftes beziehungsweise des operierenden Arztes, der VGH, und dem Patienten in dessen Körper die Gegenstände entdeckt wurden, zieht sich seit dem Jahr 2010, wobei auch der Hausarzt dem Mann attestiert hatte, dass schwere Behandlungsfehler zu einer deutlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes führten.
Stücke einer Kompresse, Nadel und Verbandsstreifen im Körper des Patienten entdeckt
Die Anwältin des im April 2012 verstorbenen Patienten erklärte gegenüber der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (HAZ), dass dieser im Anschluss an die Operation im Jahr 2009 nach schlechten Befunden in einer Rehabilitationsklinik erneut operiert werden musste. Über Monate seien immer weitere Fremdkörper wie ein Stück Kompresse, eine Nadel oder Verbandsstreifen im Körper des Patienten gefunden worden. Die Medizinrechtlerin bezeichnete das Ausmaß der gefundenen Fremdkörper als „in der medizinischen Fachliteratur einmalig.“ Das bisherige Angebot der Versicherung zur Zahlung von 15.000 bewertete die Medizinrecht-Expertin als "deutlich zu gering" und fordert stattdessen "im Namen der Tochter und der Witwe des Patienten 80.000 Euro Schmerzensgeld". Die Anwältin sieht den Henriettenstift in der Pflicht, zu beweisen, dass die Gegenstände nicht der Grund für den tödlichen Krankheitsverlauf des Patienten waren. Der Argumentation des Klinikums, dass die gefundenen Materialien postoperative Gegenstände seien, die nicht während des Eingriffs in den Körper des Patienten gelangen konnten, folgte Corinth nicht sondern bewertete sie als "reine Hinhaltetaktik". (fp)
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