Tödlicher Parasit lässt Berlins Tauben sterben: Forscher untersuchen Zusammenhänge
09.04.2012
Eine neue Seuche beunruhigt derzeit viele Taubenzüchter: Zahlreiche Bestände von edlen Zuchttauben sind von einer noch relativ unbekannten Infektionskrankheit betroffen. Bereits nach einigen Wochen versterben die Tiere an den Folgen der parasitären Erkrankung. Erstmals ist es Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin (TU Berlin) gelungen, den Parasiten zu identifizieren. Es handelt sich um einen Eindringling, der bereits weltweit auf dem Vormarsch ist. Mehrere Untersuchungen an bereits verstorbenen Tauben könnten bald wichtige Hinweise liefern. Ein Überspringen auf den Menschen oder andere Nutztiere konnte aber bislang nicht ermittelt werden.
Eine neue Tierseuche unter Tauben ist auf dem Vormarsch. Noch wissen Tierärzte und Forscher recht wenig über die oft tödlich verlaufende Krankheit. Nun sollen Gehirnuntersuchungen von verendeten Tieren erste Rückschlüsse liefern, wie die TU Berlin mitteilte.
Beschwerdebild: Durchfall und Gehirnentzündung
Erstmals ist die Tierkrankheit im Jahre 2006 aufgetreten, wie der veterinärmedizinische Institutsleiter Achim Gruber erklärte. Das erste Symptom bei den Tieren ist Durchfall, erklärte der Experte. Tauben, die an der Durchfallerkrankung nicht verstarben, litten nach sieben bis acht Wochen an einer Gehirnentzündung. Dadurch bewegten sich die Tiere „unkoordiniert, taumelten oder fielen einfach um". Durch die gestörte Motorik werden sie schnell zur Beute von Greiftieren wie Habichte und Falken. Dieser Umstand begünstigt wiederum die Verbreitung des Parasiten mit der Bezeichnung „Sarcozystis calchasi“, so der Tiermediziner.
Werden die Tauben durch andere Vögel gerissen, gelangt der Parasit durch Verzehr des Muskelfleischs in den Darm der Greifvögel. Dort nistet er sich in den Darmzellen ein, und mehrere Millionen winzig kleiner neuer Parasiten entstehen", erläuterte Gruber. Falken oder Habichte versterben selbst nicht an dem Erreger, sondern geben diesen über seinen Kot an die Tauben weiter. Werden Wasser oder Futter mit dem Kot kontaminiert, gelangen die Parasiten wieder in die Tauben. Das Forscherteam Gruber, Philipp Olias und Michael Lierz entdeckten, dass die Tiere demnach nur Zwischenwirte für den Parasiten sind.
Ähnliche Übertragungswege auch bei anderen Tieren
Einen ähnlichen Infektionsweg haben Wissenschaftler bei Rindern bereits beobachtet. Dabei setzen sich „Besnoitia“ unter die Haut der Tiere fest und lösen dort entzündliche Stellen aus. Auch hierbei dienten Vögel als Zwischenwirte. Der benannte Erreger breitet sich derzeit im Süden Deutschlands nach Norddeutschland aus.
Noch keine Behandlung möglich
"Eine Impfung gegen den Taubenparasiten wäre möglich", sagt Gruber. Ein spezieller Impfstoff existiert allerdings noch nicht und müsste erst noch entwickelt werden. Die Entwicklungszeit würde nach Angaben des Experten mindestens vier Jahre in Anspruch nehmen. Zudem müsste sich eine Pharmafirma finden, die ein Präparat entwickeln würde. Ein Problem dabei ist der nachfolgende Absatzmarkt. Dieser müsste entsprechend groß sein.
Im Jahre 2011 wurde der Parasit bereits in den USA beobachtet. "Ob es in Deutschland weitere Fälle gibt, ist nicht gesichert geklärt", berichtet der Institutsleiter. Die Beschwerdebilder, die durch den Erreger verursacht werden, ähneln anderer Krankheiten.
Derzeit keine Übertragungen auf den Menschen beobachtet
Bislang zeigte sich der Erreger gegenüber dem Menschen als ungefährlich. Dennoch sollten Tauben nicht berührt werden, weil sie Träger verschiedener Krankheiten sind", warnt Gruber. Eine Infektion von Hühnern, die ebenfalls von Greifvögeln gerissen werden könnten, ist ebenfalls noch nicht ermittelt worden.
Gehirnentzündung ohne Erreger
Das Forscherteam will nun die Gehirne der verstorbenen Tiere genauer analysieren. Schließlich erkrankten die Tauben an einer Gehirnentzündung. Das Besondere: die Hirnhautentzündung liegt vor, ohne dass sich der Erreger im Kopf befand", erklärte der Veterinärmediziner. Bislang hätten Wissenschaftler bei der Ursachenforschung in derlei Fällen immer im Dunkeln getappt. Daher unterstützt auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Studie. Die Fragestellung ist nun, „Wie können die Entzündungen im Gehirn ohne Erreger entstehen.“ (sb)
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Bild: Ulrich Velten / pixelio.de
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