Bakterien im Darm regulieren das Körpergewicht
30.04.2012
Bakterien haben offenbar einen deutlich größeren Einfluss auf das Körpergewicht, als bislang angenommen. Mit den richtigen Bakterien im Verdauungstrakt könnten Diäten in Zukunft überflüssig werden, berichteten französische Wissenschaftler auf dem „Experimental Biology“-Kongress in San Diego.
In Versuchen mit Mäusen entdeckten die Forscher um Frank Duca, Yassine Sakar und Mihai Covasa vom Französischen Institut für Agrarwissenschaft (INRA) einen ungeahnten Einfluss der Bakteriengemeinschaft im Magen- und Darmbereich auf den Stoffwechsel und das Körpergewicht. Hier sehen die Wissenschaftler auch eine mögliche Erklärung dafür, dass einige Menschen regelrecht maßlos essen können, ohne Gewicht zuzulegen, während andere sehr schnell dick werden.
Darmflora mit unmittelbarem Einfluss auf das Risiko von Übergewicht
Die oft unter dem Begriff Darmflora zusammengefasste Bakteriengemeinschaft im Verdauungstrakt hat laut Aussage der Wissenschaftler des Französischen Instituts für Agrarwissenschaft einen maßgeblichen Einfluss auf den Stoffwechsel und die Entwicklung des Körpergewichts. Seit langem ist bekannt, dass unser Darm von unzähligen Bakterien besiedelt wird, die einen wesentlichen Einfluss auf das Immunsystem, die Verdauung und die Bereitstellung von wichtige Substanzen wie zum Beispiel Vitamin B-12 haben.Die Mischung der Darmbakterien, mit denen wir ausgestattet sind, wirkt sich auch unmittelbar auf das Risiko von Übergewicht und Fettleibigkeit aus, berichteten die französischen Wissenschaftler auf dem Kongress „Experimental Biology“. Eine Zusammenfassung des Vortrags wurde in dem FASEB-Journal (Journal of the Federation of American Societies for Experimental Biology) unter dem Titel „Darmflora reguliert den Stoffwechsel“ veröffentlicht.
Unterschiedliche Profile der Darmbakterien übertragen
Erst kürzlich hatten Wissenschaftler des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg herausgefunden, dass die Darmflora der Menschen weltweit – abhängig von der Präsenz bestimmter Bakterien – in drei verschiedene Typen eingeteilt werden kann. Nun konnten die französischen Forscher hier eine weitere Untergliederung nachweisen. So tendieren übergewichtige Menschen offenbar dazu, andere mikrobielle Profile in ihrem Darm zu entwickeln, als Schlanke. Die Wissenschaftler des INRA überprüften in ihren Versuchen auch, ob sich das bakteriellen Profil und somit das Risiko von Fettleibigkeit übertragen lässt. Die Forscher hatten im Rahmen ihrer Studie die Darmbakterien von übergewichtigen und von Adipositas-resistenten Ratten in den Verdauungstrakt von keimfreien Mäusen übertragen.Eine Gruppe der Tiere erhielt daraufhin regelmäßig Futter, der anderen wurde unbegrenzt fettreiche Nahrung zur Verfügung gestellt. Anschließend haben die Forscher die Nahrungsaufnahme und die Entwicklung des Körpergewichts über einen Zeitraum von acht Wochen überwacht. Zusätzlich wurden Darm-Proben entnommen, um bestimmte physiologische Marker des Stoffwechsels, die eine Rolle bei der Erhaltung der Energiebilanz spielen, zu überprüfen, erklärten die Wissenschaftler.
Gewichtszunahmen abhängig von der Darmflora
Im Rahmen der Studie stellte sich heraus, dass die Mäuse, welche die Darmflora übergewichtiger Ratten in sich trugen, mehr fettreiche Nahrung fraßen und in der Gruppe, die unbegrenzt Nahrung zur Verfügung gestellt bekam, nach acht Wochen rund 40 Prozent Gewicht zugelegt hatten. Bei den Tieren die in regelmäßigen Abständen gefüttert wurden, betrug die Gewichtszunahme rund 20 Prozent. Indes hatten die Mäuse mit den Darmbakterien der Adipositas-resistenten Ratten lediglich etwa 10 Prozent zugenommen, unabhängig davon, ob sie regelmäßig gefüttert wurden oder unbegrenzt fettreiche Nahrung zu sich nehmen konnten. Die Mäuse mit der Darmflora übergewichtiger Ratten, glichen auch in ihren Stoffwechselwegen dem Profil des Spenderratten. Zum Beispiel produzierten sie eine ähnliche Enzymkombination zur Fettverarbeitung in der Leber, so die Aussage der französischen Wissenschaftler.
Beeinflussung von Darmflora-Profilen als Diät-Ersatz?
Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass bestimmte Darmflora-Profile eine übermäßige Gewichtszunahme fördern, wenn für die Personen die Möglichkeit besteht, maßlos zu essen.Durch die Auswirkungen auf den Stoffwechsel und insbesondere die verminderte Ausschüttung spezieller Darm-Peptide, die für das Sättigungsgefühl verantwortlich sind, neigen die Tiere mit der Darmflora von übergewichtigen Ratten außerdem zu Verhaltensänderungen und einer vermehrten Nahrungsaufnahme. Gleiches sei auch für Menschen zu vermuten, erläuterten Duca, Sakar und Covasa. Die Forscher hoffen jedoch in Zukunft die Darmflora-Profile gezielt beeinflussen zu können und so ein gesundes Körpergewicht zu gewährleisten. Demnach ließe sich möglicherweise durch die Übertragung bestimmter Bakteriengemeinschaften ein spezielles Profil der Darmflora aufbauen. Zumindest belege die aktuelle Studie eindeutig „die Fähigkeit einer speziellen Darmbakterien-Gesellschaft, den Stoffwechsel des Wirtes zu beeinflussen“, so die Aussage der Experten. Sollte es gelingen diese Bakteriengemeinschaften gezielt zu modellieren, könnten aufwendige Diäten schon bald der Vergangenheit angehören, erklärte die französischen Forscher. (fp)
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Autoren- und Quelleninformationen
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