Nichtzahlertarif für die privaten Krankenversicherungen?
10.03.2012
Seit längerem reifen bei den privaten Krankenversicherungen (PKV) Überlegungen zur Einführung eines extra Tarifs für Versicherte, die ihre Beiträge nicht zahlen. Dabei sollen laut Medienberichten für säumige Beitragszahler nur noch die Kosten medizinischer Notfälle übernommen werden.
Durch die Nichtzahler ist den privaten Krankenversicherungen nach eigenen Angaben bereits ein Schaden in Höhe von 550 Millionen Euro entstanden. Um diesen zu begrenzen, soll nach den Plänen der Privatversicherer nun offenbar ein Nichtzahlertarif eingeführt, in dem ausschließlich die Versorgung von Notfällen abgedeckt wird.
Nur noch Versorgung medizinischer Notfälle vorgesehen?
Am Mittwoch fand im Gesundheitsausschuss des Bundestages ein Expertengespräch statt, bei dem der PKV-Verband laut Medienberichten, auch die Einführung eines Nichtzahlertarifs thematisiert hat. Demnach sollen die säumigen Beitragszahler in einem extra Tarif untergebracht werden, der für einen Beitrag von 100 Euro im Monat nur noch die Versorgung medizinischer Notfälle vorsieht. Auf Nachfrage von „FOCUS Online“ wollte ein Sprecher des PKV-Verbandes diese Gesprächsdetails zwar nicht bestätigen, erklärte jedoch, dass hier „laufende Verhandlungen zwischen dem Gesundheits-, dem Justizministerium und unseren Vertretern“ stattfinden. Auch mache der PKV-Verband kein Geheimnis daraus, dass angesichts der knapp 144.000 säumigen Beitragszahler und den damit verbundenen Belastungen in Höhe von 550 Millionen Euro, nach Alternativen im Umgang mit den Nichtzahlern gesucht werde. „Wir müssen eine Weg finden, wie man mit Nichtzahlern umgeht“, so der Sprecher des PKV-Verbandes gegenüber „FOCUS Online“. Als Nichtzahler sind bei den genannte Zahlen der PKV jegliche Versicherte zu verstehen, die ihre Beiträge drei Monate oder länger im Jahr 2011 nicht entrichtet haben.
Extra PKV-Tarif für Nichtzahler geplant
Unter der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) wurde im Jahr 2009 die allgemeine Versicherungspflicht eingeführt. Seither können die privaten Krankenversicherungen ihren Mitgliedern nicht mehr einfach kündigen, wenn diese ihre Beiträge nicht zahlen. Stattdessen ist die Unterbringung in einem sogenannten Basistarif vorgesehen. Dieser ist an den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) ausgerichtet, kann jedoch mit Beiträgen bis zum Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenkassen verbunden sein. Für die betroffenen Versicherten häufig ein ebenfalls nicht finanzierbare Belastung, so dass die „PKV-Unternehmen diese Summe regelmäßig abschreiben und aus Alterungsrückstellungen“ aufbringen müssen, erklärte der Sprecher des PKV-Verbandes gegenüber „FOCUS Online“. Dabei bleiben jedoch „nur wenige Versicherte auf Dauer Nichtzahler“, weshalb eine finanzielle Entlastung auch im Interesse der säumigen Beitragszahler sei, so der Verbandssprecher weiter. Denn auf diese Weise würden die ausstehenden Beträge überschaubar bleiben und die Betroffenen hätten bei Wiederaufnahme der Zahlungen eine reelle Chance, ihre Schulden abzubauen.
Kritiker sehen hausgemachtes Problem
Auch sei die Beschränkung der Versicherungsleistungen auf medizinische Notfälle vom Gesetzgeber grundsätzlich erlaubt, allerdings müsse bei der Definition des Notfalls genau hingeschaut werden. Es gebe zum Beispiel gute „Erfahrungen aus dem Asylbewerber-Leistungsgesetz“, so die Position des PKV-Verbandes. Zwar ist das Anliegen der Privatversicherungen zur Einführung eines Nichtzahlertarifs unter finanziellen Gesichtspunkten durchaus zu verstehen, doch Kritiker sehen hier ein hausgemachtes Problem der PKV. Denn vor allem bei den privaten Krankenversicherungen, die ihre Kunden massiv mit Billigangeboten gelockt haben, seien heute erhebliche Beitragsausfälle zu verzeichnen. Auch können sich viele Privatversicherte die jährlichen Beitragserhöhungen schlichtweg nicht leisten. Die Einführung eines Nichtzahlertarifs würde außerdem dazu führen, dass fast 150.000 Menschen schlagartige nur noch bei medizinischen Notfällen versorgt werden, so die Kritik an der Position der PKV.
Nichtzahler auch bei der GKV ein Problem
Das Problem der Nichtzahler besteht in wachsendem Maße auch bei den gesetzlichen Krankenkassen, so die Aussage eines Sprechers vom wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) bei dem Expertengespräch im Gesundheitsausschuss. Hier sei im vergangenen Jahr ein Schaden von rund einer Milliarde Euro entstanden, wobei die GKV im Gegensatz zur PKV bei der Deckung jedoch keine Schwierigkeiten habe. Über das Solidarsystem würden die Ausfälle automatisch ausgeglichen. Bei den privaten Krankenversicherungen dürfen die Beitragsausfälle hingegen nicht auf die anderen Versicherten umgelegt werden, so dass Unternehmensmittel zum Ausgleich herangezogen müssen. Möglicherweise auch eine Erklärung für das besondere Engagement der Privatversicherungen bei der Suche nach Alternativen im Umgang mit den säumigen Beitragszahlern. (fp)
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