Privatversicherte sind laut einer Studie oft schlechter geschützt als Kassenpatienten
10.06.2012
Zahlreiche Vollversicherungen der Privaten Krankenversicherung (PKV) haben laut einer aktuellen Studie teilweise erhebliche Ausschlüsse von Gesundheitsleistungen. Im Krankheitsfall müssen sich Privatpatienten auf zusätzliche finanzielle Belastungen einstellen. Vielfach werden Leistungen nicht übernommen, die bei den gesetzlichen Krankenkassen im Leistungskatalog festgeschrieben sind.
Die Privatversicherungen werben mit ihren umfassenden Leistungen und stehen doch unter dem Dauerfeuer der öffentlichen Kritik. Eine Gemeinschaftsstudie des Kieler Gesundheitsökonomen Thomas Drabinski und der Frankfurter Beratungsfirma „PremiumCircle“ hat ergeben, dass viele Privatversicherte Tarife abgeschlossen haben, die zum Teil erhebliche Leistungsausschlüsse aufweisen. Im Falle einer Krankheit drohen den Versicherten erneute Kosten, die zum Teil recht hoch ausfallen. Vielfach betroffen sind sogenannte Anschlussheiltherapien, die in etlichen Tarifen nicht vorhanden sind, wie das Magazin „Der Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe berichtet. Die etwa 10 Millionen Privatversicherten in Deutschland seien mit zum Teil „existentiellen Leistungsausschlüssen im Krankheitsfall" konfrontiert, so der Bericht.
Über 80 Prozent der PKV-Tarife leisten weniger als die Gesetzeskassen
Das Ergebnis der Auswertung ist ernüchternd. So sollen nach Angaben des „PremiumCircle“ Vorsitzenden Claus-Dieter Gorr „über 80 Prozent der Tarifsysteme der PKV weniger als die gesetzlichen Krankenkassen leisten“. Im speziellen gehe es dabei um Leistungen, die bei den gesetzlichen Krankenkassen Standard sind, wie zum Beispiel die „häusliche Krankenpflege“ oder „die sogenannte Hilfsmitteldeklarationen ohne Einschränkungen“. Der Vorwurf wiegt schwer, da viele Versicherer ihre Tarife nicht nach dem Bedarf des Kunden orientieren, sondern „wie sie bei den Preisvergleichen mit anderen Anbietern abschneiden“, so das Resümee der Studie.
Kritisch sei laut Studienautoren, dass viele PKV Anbieter nur eingeschränkte Abschlussheilbehandlungen anbieten und die Kosten für Psychotherapien oder medizinische Hilfsmittel überhaupt nicht oder nur teilweise übernehmen. Im Falle des Bedarfs entstehen dem Privatpatienten zum Teil hohe Kosten, obwohl eine Vollversicherung abgeschlossen wurde. Im Zuge der Berichterstattung zeigte sich der gesundheitspolitische Sprecher der CDU, Jens Spahn, besorgt. Der Politiker fordert von den Versicherungsunternehmen eine baldige „Einigung auf einen Mindestversicherungsschutz.“ Eine ähnlich lautende Forderung kommt auch von den Versicherungen selbst. So mahnt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenversicherung (DKV) Clemens Muth in Hinblick auf ältere Versicherte „einen Mindeststandard in den Bereichen, die für die Menschen oftmals erst im fortgeschrittenen Alter relevant werden.“
Viele Billigtarife ohne ausreichendem Leistungsschutz
Gerade im Alter werden die Privatversicherungen teurer ohne die Möglichkeit eines Wechsels. Werden dann beispielsweise wichtige Hilfsmittel nicht voll übernommen, stecken die Kunden in einer Kostenfalle. Muth fordert die Branche zu einem grundsätzlichen Umdenken auf. „Zu lange wurden Produkte zu oft nur über den Preis und nicht über die Qualität verkauft“. Das habe dazu geführt, dass „Billigtarife mit teils drastischen Leistungsausschlüssen auf dem Markt sind."
Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Privatkassen, Dr. Volker Leienbach, machte in einer Verlautbarung darauf aufmerksam, dass „Versicherte darauf achten sollten, dass sie keine persönlich wichtigen Leistungen ausschließen“. Grundvoraussetzung hierfür sei aber eine gute Beratung, so Leienbach. Sei der Vertrag zustande gekommen, hätten die Versicherten „einen Rechtsanspruch auf vereinbarte Leistungen“.
Die Ökonomen haben für ihre Studie genau 85 Bestandteile für Tarife ausgewählt, die sich am gesetzlich vorgeschriebenen Leistungskatalog der Krankenkassen orientieren. Mit in die Untersuchung einbezogen haben sie auch Angebote wie Brillen, Kontaktlinsen oder Privatarztversorgung, die nicht oder nicht mehr von den Kassen übernommen werden. Insgesamt 32 renommierte Privatanbieter wurden für die Analyse ausgewählt.
Im Abschlussbericht kritisieren sie die mangelnden Einflussmöglichkeiten der Politik. Im Gegensatz zur GKV könne die Politik nur wenig ausrichten, so die Autoren. Zudem bestehe vielfach eine mangelnde Transparenz für den Kunden sich bei den unterschiedlichen Tarifangeboten zurecht zu finden. Ohne Fachkompetenz ist es schwer, die passende Vollversicherung zu finden. (sb)
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