Ernährungsstudie: Tierische Fette nicht schlecht fürs Herz?
02.04.2014
Mediziner und Ernährungsberater empfehlen seit Jahren, eher weniger tierische Fette zu konsumieren, um so unter anderem das Herz zu schützen. Eine neue Studie aus Großbritannien stellt dies nun in Frage. Die Wissenschaftler hatten keine Beweise gefunden, die belegen, dass gesättigte Fettsäuren aus tierischen Fetten das Risiko für koronare Herzerkrankungen steigen lassen.
Ernährungsexperten raten seit Jahren zu fettarmer Kost
Seit Jahrzehnten bereits raten viele Ärzte und Ernährungsexperten dazu, eher wenig tierische Fette zu essen, um so unter anderem Herz und Gefäße zu schützen. Der häufige Verzehr von gesättigten Fettsäuren in tierischen Produkten wie Butter, Sahne, Käse oder rotem Fleisch wird mit verschiedenen Erkrankungen in Verbindung gebracht. Es wird meist dazu geraten, lieber auf Lebensmittel mit ungesättigten Fettsäuren, wie Margarine oder Olivenöl, zurückzugreifen. Doch Forscher um Raijiv Chowdhury von der Cambridge Universität in Großbritannien sollen nun herausgefunden haben, dass der Anteil von gesättigten, einfach oder mehrfach ungesättigten Fettsäuren in der Ernährung wohl keinerlei Einfluss auf die Häufigkeit von koronaren Herzkrankheiten hat. Lediglich der Verzehr von Transfetten sei mit einem höheren Erkrankungsrisiko verbunden. Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachblatt „Annals of Internal Medicine“.
Offizielle Empfehlungen stehen auf wackeligen Beinen
Chowdhury und Kollegen haben 76 Studien mit insgesamt über 600.000 Teilnehmern in die Meta-Analyse einbezogen. Die neue Untersuchung gehöre somit zu den umfangreichsten Übersichtsarbeiten, die den Einfluss der verschiedenen Fettsäuren auf das Herzerkrankungsrisiko untersucht hat. Die Autoren kommen zu dem Fazit, dass die offiziellen Empfehlungen des Fettverzehrs wissenschaftlich auf wackeligen Beinen stehen. So wurde kein Beleg dafür gefunden, dass der Verzehr von gesättigten Fettsäuren das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhe. Andererseits könnte die Margarinsäure, eine gesättigte Fettsäure, die in Milch und in Milchprodukten vorkommt, möglicherweise sogar einen gewissen Schutzeffekt für das Herz haben.
Omega-3-Fettsäuren in Kapseln ohne signifikante Wirkung
Für die Transfettsäuren gilt jedoch nach wie vor, dass sie gemieden werden sollen, da sie dem Herz-Kreislauf-System schaden. Unter anderem entstehen diese Fettsäuren beim Frittieren und bei der industriellen Teilhärtung pflanzlicher Fette und stecken beispielsweise in Pommes Frites, Fertigprodukten und Keksen. Die Forscher kommen zudem zu dem Ergebnis, dass die Einnahme von ungesättigten Fettsäuren als Nahrungsergänzungsmittel, wie etwa in Omega-3-Fischölkapseln, sich nicht günstig auf die Gesundheit auswirkt. Omega-3-Fettsäuren sind eigentlich dafür bekannt, auch das Risiko für bestimmte Erkrankungen wie Typ 2 Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu reduzieren. Chowdhury habe jedoch durch die Auswertung zahlreicher Studien festgestellt, dass die Einnahme der Fettsäuren in Form von Kapseln bei den über 100.000 Teilnehmern ohne signifikante Auswirkungen auf die Koronare Herzkrankheit blieb.
Überarbeitung der Ernährungsempfehlungen angeraten
Wie die Wissenschaftler auf der Homepage der Universität schreiben, würden durch die neuen Erkenntnisse auch viele Inhalte der aktuellen Behandlungsleitlinien in Frage gestellt: „Bei so vielen Menschen, die von kardiovaskulären Erkrankungen betroffen sind, ist es äußerst wichtig, dass wir geeignete Präventionsleitlinien haben, die auf der bestmöglichen Evidenz beruhen.“ Für eine endgültige Bewertung der Ergebnisse sei es den Autoren zufolge jedoch noch zu früh. Es seien weitere Studien nötig. Allerdings meinen die Forscher, dass die derzeit geltenden Ernährungsempfehlungen vieler Fachgesellschaften infrage zu stellen sind und eine Überarbeitung derselben angeraten wäre.
Weder belegt noch widerlegt
Die British Heart Foundation, die die Meta-Analyse in Auftrag gegeben hat, bleibt mit ihrer Meinung noch zurückhaltend. Weder würde die Analyse die bisherigen Ernährungsempfehlungen belegen, noch diese widerlegen. Andere Mediziner wiederum warnen nun, gleich alle guten Ernährungsvorsätze über Bord zu werfen, denn angesichts der steigenden Inzidenz von Adipositas und Diabetes in der Bevölkerung wäre es kontraproduktiv, das Thema Ernährung als Krankheitsursache sowie auch als Präventionsinstrument außer Acht zu lassen. Keineswegs überraschend seien die Ergebnisse der Meta-Analyse für den Münchner Ernährungswissenschaftler Dr. Nicolai Worm. Er meinte, man müsse den Leuten sagen, Fett ist nicht zurecht diskreditiert worden. Es enthalte lebenswichtige Stoffe, Vitamine, essentielle Fettsäuren, Geschmack und Aroma und macht satt.
Regeln zur gesunden Ernährung
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hält jedoch an ihren Empfehlungen fest: viel Gemüse, viele Getreideprodukte, am besten aus Vollkorn, und wenig Fett. Besonders vor gesättigten Fettsäuren wird gewarnt. In einer der zehn Regeln zur gesunden Ernährung, die erst im November des vergangenen Jahres aktualisiert wurden, heißt es: „Zu viele gesättigte Fettsäuren erhöhen das Risiko für Fettstoffwechselstörungen, mit der möglichen Folge von Herz-Kreislauf-Krankheiten. Bevorzugen Sie pflanzliche Öle und Fette, zum Beispiel Raps- und Sojaöl und daraus hergestellte Streichfette.“ (sb)
Bild: Tim Reckmann / pixelio.de
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