Schmallenberg-Virus breitet sich weiter aus: Fast 300 Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland betroffen
06.02.2012
Die Ausbreitung des bis vor kurzem unbekannten Schmallenberg-Virus in den Rinder- und Schafherden deutschlandweit hat sich in den vergangenen Monaten deutlich verstärkt. Mittlerweile sind fast 300 Betriebe betroffen. Die Lämmer beziehungsweise Kälber der infizierten Tiere kommen oftmals mit schweren Missbildungen und nicht überlebensfähig zur Welt.
So ist die Zahl der gemeldeten schweren Missbildungen und Totgeburten bei Schafen und Rindern im Zuge der Verbreitung der rätselhaften Tierseuche während der letzten sechs Monate erheblich gestiegen. Anfangs waren vor allem Tiere in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen betroffen, mittlerweile ist das Schmallenberg-Virus ebenfalls in anderen Bundesländern vermehrt aufgetreten und aktuell erstmals auch in Hamburg nachgewiesen worden. Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) hat als Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit zahlreiche Proben untersucht und bis dato in über 280 Betrieben das neuartige Virus nachgewiesen.
Missbildungen und Totgeburten durch das Schmallenberg-Virus
Laut Angaben des FLI auf der Ostseeinsel Riems wurde das Auftreten der rätselhaften neuen Tierkrankheit erstmals im November vergangenen Jahres bei Rindern in Deutschland festgestellt. Die Experten des Friedrich-Loeffler-Instituts identifizierten damals ein Virus, das der Gattung der Orthobunyaviren zugeschrieben und nach seinem erstmaligen Fundort als „Schmallenberg-Virus“ bezeichnet wurde. Orthobunyaviren sind bei Rindern auf anderen Kontinenten wie Australien oder Afrika relativ weit verbreitet, wobei der Krankheitsverlauf an sich meist relativ milde ausfällt. Allerdings drohen bei einer Infektion schwangerer Tiere erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen für deren Nachwuchs. So können zum Beispiel embryonale Entwicklungsstörungen, Frühgeburten und Beeinträchtigungen der Fruchtbarkeit beim Nachwuchs auftreten. In Deutschland waren Infektionen mit derartigen Viren bis vor kurzem weitgehend unbekannt, doch seit dem Sommer 2011 wurden zunächst in Nordrhein-Westfalen und anschließend in Niedersachsen vermehrt Rinder mit entsprechenden Symptomen beobachtet.
Derzeitige Infektionen nur die Spitze des Eisbergs?
Anfangs dachten die zuständigen Tierärzte und Behörden angesichts der Symptome wie Fieber (über 40 Grad Celsius), reduziertem Allgemeinbefinden, Appetitlosigkeit und einem Rückgang der Milchproduktion um bis zu 50 Prozent, zunächst an eine Ausbreitung der Blauzungenkrankheit. Meist klangen die Symptome bereits nach einigen Tagen wieder ab, so dass zunächst mit keinen weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu rechnen war. In den Folgemonaten stieg jedoch die Zahl der schweren Missbildungen und Totgeburten bei Schafen und Rindern deutlich an, was auf die langfristige Wirkung des Schmallenberg-Virus zurückzuführen ist. Übertragen werden die Viren nach Annahme der Forscher durch Stechmücken und Gnitzen (Bartmücken). Infiziert hatten sich die Muttertiere, die derzeit die Lämmer und Kälber gebären, vermutlich bereits im Sommer und Herbst 2011, erklärte die FLI-Sprecherin Elke Reinking. Demnach könnten die derzeitigen Nachweise des Virus in den Schaf- und Rinderherden möglicherweise nur die Spitze des Eisbergs bilden.
Suche nach einem Impfstoff gegen das Schmallenberg-Virus
Nachdem die Ausbreitung des Schmallenberg-Virus in den vergangenen Monaten rasant zugenommen hat, wird auf Bundesebene derzeit die Einführung einer Meldepflicht für die Infektionskrankheit vorbereitet. Diese ist nach Ansicht der leitenden Tierärztin im Bundeslandwirtschaftsministerium, Karin Schwabenbauer, „erforderlich, damit die Veterinärbehörden sich einen umfassenden Überblick über das Krankheitsgeschehen verschaffen und Bekämpfungsmaßnahmen ergreifen können.“ Auch arbeitet das Friedrich-Loeffler-Institut nach eigener Darstellung zur Zeit mit Hochdruck an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Schmallenberg-Virus. Mit diesem ist nach Einschätzung der Hamburger Agrarminister Till Backhaus (SPD) vorerst jedoch nicht zu rechnen. „Allzu große Hoffnungen auf eine schnelle Lösung in 2012 will ich deshalb nicht erwecken", erläuterte Backhaus im Zuge seiner Stellungnahme zu den aktuellen Nachweise des Schmallenberg-Virus in Hamburg.
Die Ausbreitung des neuartigen Virus konzentriert sich nicht nur auf Deutschland, sondern hat auch England, Belgien, die Niederlande und Frankreich erfasst. Aus Sorge vor einem Import der Erreger haben Russland und Mexiko bereits eine Sperre für die Einfuhr trächtiger Schafe und Rinder, sowie für Rindersamen und -embryonen aus Deutschland verhängt. Nach Einschätzung der Experten besteht für den Menschen keine Infektionsgefahr durch die neuartigen Erreger, allerdings liegt bislang keine abschließende Bewertung der möglichen Gesundheitsrisiken des Schmallenberg-Virus vor. (fp)
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Bild: Makrodepecher / pixelio.de
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