Neues Rinder-Virus in Nordrhein-Westfalen nachgewiesen
22.11.2011
Nachdem aus Nordrhein-Westfalen vermehrt Infektionen bei Rindern mit einem bislang unbekannten Erreger gemeldet wurden, hat das Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit (FLI) auf der Ostsee-Insel Riems nun einen ersten Verdacht zu den Ursachen der Erkrankung geäußert. Demnach ist vermutlich ein Virus aus der Gattung der sogenannten Orthobunya-Viren, Ursache der bei zahlreichen Rindern beobachteten Symptome.
Seit den Sommermonaten meldeten mehrere landwirtschaftliche Betriebe aus Nordrhein-Westfalen Erkrankungen in ihrem Rinderbestand, die sich durch Symptome wie hohes Fieber, Appetitlosigkeit sowie starken Milchrückgang (um bis zu 50 Prozent) äußerten. Zwar klangen die Symptome nach einigen Tagen meist wieder ab, doch da die Ursache der Erkrankung unklar blieb, wuchs die Sorge vor den möglichen Risiken eines bislang unbekannten Erregers. Nun hat das Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit erste Ergebnis zu den Laboruntersuchungen der eingesandten Proben bekannt gegeben, die auf eine Infektion mit Erregern des Genus der Orthobunya-Viren – explizit der Akabane-ähnlichen Viren – schließen lassen. „Vergleichende Analysen des Erbmaterials lassen vermuten, dass es sich um ein Virus aus der Gruppe der Akabane-ähnlichen Viren handelt“, berichtet das FLI in einer aktuellen Pressemitteilung.
Neun positive Proben mit dem bisher unbekannten Rinder-Virus
Anfangs stand als Ursache der Symptome die Blauzungen-Krankheit im Verdacht, doch diese Vermutung konnte im Zuge der weiteren Untersuchungen durch das FLI ausgeschlossen werden. Sämtliche eingesandten Proben wurden im Institut für Virusdiagnostik des FLI Insel Riems auf eine Vielzahl von Viren untersucht. Dabei konnten laut Aussage des FLI „das Virus der Blauzungenkrankheit, der Epizootischen Hämorrhagie der Hirsche (EHD), der Maul- und Klauenseuche, der Bovinen Virusdiarrhoe (BVD) und andere Pestiviren, Bovines Herpesvirus 1 und andere Herpesviren sowie Rift-Valley-Fieber-Virus und bovines Ephemeralfieber-Virus“ als Ursache der Symptome ausgeschlossen werden. Die bei der Anzucht ausgewählter Proben auf Rinderzellkulturen festzustellende Virusvermehrung, lasse jedoch eine Infektion mit einem in Deutschland bislang unbekannten Erreger aus der Gattung der Orthobunya-Viren vermuten. Nach dem Herkunftsort der Proben im Hochsauerland wurde das Virus laut FLI zunächst „Schmallenberg-Virus“ benannt. Insgesamt hat das FLI nach eigenen Angaben „mehr als 100 Proben aus 14 Betrieben“ analysiert, wobei mindestens neun positive Proben aus vier Betrieben das „Schmallenberg-Virus“ enthielten. Ob die Erreger tatsächlich Ursache der Symptome bei den Rindern waren, muss laut Aussage des Instituts jedoch vorerst noch in weiteren Studien untersucht werden.
Neues Virus für Menschen ungefährlich
Dem Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit zufolge sind Orthobunya-Viren bisher bei Rindern bisher in „Ozeanien, Australien und Afrika verbreitet und induzieren dort in der Regel zunächst nur eine sehr milde Klinik.“ Zudem gehen die oben beschriebenen Symptome meist nach relativ kurzer Zeit wieder zurück. Allerdings können die Viren bei trächtigen Tieren laut Aussage des FLI „erhebliche kongenitale Schäden, Frühgeburten und Störungen im Fruchtbarkeitsgeschehen“ verursachen. Die Verbraucher seien durch das Auftreten der bislang unbekannten Viren in deutschen Rinderbeständen jedoch nicht gefährdet, da das Virus für den Menschen harmlos ist, erläuterten ein Sprecher der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen am Montag in Bonn. Wie das FLI betonte, bleibt trotz des konkreten Nachweises der Erreger bislang „unklar, ob es sich um einen Neueintrag dieses exotischen Virus handelt oder ob Orthobunya-Viren schon seit längerer Zeit bei Rindern in Europa vorkommen.“ So liegen laut FLI zum Beispiel aus den Niederlanden Berichte vor, die „von mehr als 80 betroffenen Betrieben“ ausgehen. Übertragen werden die Erreger laut Aussage der Experten durch sogenannte Bartmücke (Gnitzen).
Weitere Untersuchungen des neuartigen Rinder-Virus notwendig
Der Nachweis des bislang unbekannten Virus gelang dem FLI mit Hilfe des neuen Verfahrens der sogenannten Metagenom-Analyse, die „den ungezielten Nachweis von Erbmaterial (Genom) potentieller Infektionserreger bzw. von Genomsequenzen in Probenmaterial jeder Art“ erlaubt. Mit dieser speziellen Methode zum Aufspüren viraler Erbgutsequenzen konnte der Erreger nachgewiesen, aber noch nicht isoliert werden, erklärte das FLI. So könnten auch die genannten Symptome noch nicht zweifelsfrei dem Erreger zugeordnet werden, erläuterten die Experte des FLI. Daher werden vom FLI „weitere Untersuchungen eingeleitet, welche die optimierte und erweiterte Erregeranzucht, die Inokulation von Rindern, die Entwicklung einer serologischen Diagnostik sowie die Testung weiterer Proben aus dem betroffenen Gebiet umfassen.“.Darüber hinaus sollen weitere epidemiologische Untersuchungen folgen. (fp)
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