Schwindel: Kristalle im Ohr bringen Betroffene aus dem Gleichgewicht
10.12.2013
Etwa jeder Zehnte leidet im Laufe seines Lebens unter akuten Schwindelanfällen. Mit einem Mal dreht sich alles, der Boden gibt nach und Betroffene verlieren die Orientierung. Häufig begleiten auch Übelkeit und Erbrechen die Schwindelattacken. Aus Furcht zu stürzen, halten Betroffene ständig Ausschau nach Sitzmöglichkeiten oder etwas, um sich festzuhalten. Verängstigt trauen sie sich kaum aus dem Haus – gerade im Winter, wenn Schnee und Eis die Sturzgefahr ohnehin erhöhen. Und wer doch einen Schritt vor die Tür wagt, hat die nächste Hauswand zum Haltsuchen meist fest im Blick. Eine der häufigsten Ursachen für solche plötzlichen Drehschwindelattacken ist der gutartige Lagerungsschwindel, der durch bestimmte Bewegungen, z.B. einen Blick zur Decke oder eine Drehung im Bett, hervorgerufen wird und nur wenige Sekunden andauert. Da die Anfälle sehr heftig sein können, lösen sie oft die Angst aus, unter einer ernsten Erkrankung zu leiden. „Betroffene sollten auf jeden Fall einen HNO-Arzt aufsuche. Er kann durch eine einfache Untersuchung sicher zwischen gutartigem Lagerungsschwindel und möglichen anderen Schwindelursachen unterscheiden“, rät Dr. Uso Walter, HNO-Arzt und Vorstandsvorsitzender des Ärztenetzwerks HNOnet NRW.
Die Ursache für gutartigen Lagerungsschwindel liegt im Innenohr. Dort messen normalerweise in einem bestimmten Teil des Gleichgewichsorgans mikroskopisch kleine Kristalle in einer gelartigen Masse die Schwerkraft. Lösen sich diese kleinen Steinchen, so gelangen sie leicht in die Bogengänge. Bei entsprechenden Kopfbewegungen wirbeln sie dort auf und reizen die Sinneshärchen. Da die andere Seite keinen Reiz an das Gehirn übermittel, werden dem Gehirn widersprüchliche Informationen übermittelt, was zu einem heftigen Schwindelanfall führt. „Die Meldungen der beiden Gleichgewichtsorgane stimmen nicht überein. Das Ergebnis ist ein Durcheinander im Kopf, welcher als Schwindel wahrgenommen wird“, erklärt Dr. Walter. Zu den Betroffenen zählen vor allem ältere Erwachsene, da das Ablösen der Kristalle durch Alterungsprozesse begünstigt wird. Aber auch Schleudertraumata oder starke HWS-Probleme scheinen die Erkrankung auslösen zu können. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Grundsätzlich kann die Erkrankung aber in jedem Lebensalter auftreten, selbst bei Kindern.
Um Krankheitsbild und Therapieerfolg einzuschätzen, befragen HNO-Ärzte Betroffene zunächst in einem ausführlichen Gespräch zu Beschwerden, auslösenden Faktoren und Beeinträchtigungen im Alltag. Anschließend überprüfen sie die Symptomatik. Unter Zuhilfenahme einer speziellen Brille erkennen HNO-Ärzte an den Augenbewegungen die Ursache der Beschwerden. Treten diese in Kopftieflage bei einer so genannten Lagerungsprüfung auf, gilt die Diagnose „gutartiger Lagerungsschwindel“ als gesichert. Die anschließende Therapie besteht aus einer Abfolge definierter Bewegungen, die die Steinchen wieder aus den Bogengängen herausbefördern. HNO-Ärzte bedienen sich dazu sogennanter „Befreiungsmanöver“ wie z.B. dem Epley-Manöver. „Dabei handelt es sich um mehrere nacheinander ausgeführte 90°-Drehungen des Kopfes um verschiedene Achsen“, beschreibt Dr. Walter die Therapie. „Beliebig oft wiederholbar führen bereits die ersten Behandlungen bei einem Großteil der Patienten zu Beschwerdefreiheit.“ Medikamente sind bei dieser Schwindelart unwirksam, können aber in Einzelfällen den bei den Lagerungsmanövern auftretenden Schwindel symptomatisch dämpfen. Die Erfolgsquote der Behandlung liegt bei nahezu 100 Prozent. Es kann jedoch im Laufe der Zeit zu Rückfällen kommen. (pm)
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