Nutzen oder Risiken durch Mammographie-Screening?
04.07.2012
Das Bundesamt für Strahlenschutz hat die Universität Münster damit beauftragt, im Verlauf eines Forschungsvorhabens ab Juli diesen Jahres zu prüfen, wie sinnvoll das Brustkrebs-Screening im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen für Frauen ist. Seit Jahren streiten Wissenschaftler über Sinn und Unsinn des deutschen Mammographie-Screening-Programms. Eine norwegische Studien deutet daraufhin, dass aufgrund der Strahlenbelastungen die Untersuchung mehr Schaden als Nutzen zufügt, zumindest für junge Frauen.
Mammografie für Frauen ab 50
Im Rahmen es Forschungsprojekts lässt das Bundesamt für Strahlenschutz Experten der Universitätsmedizin in Münster prüfen, ob die Mammografie-Vorsorgeuntersuchung die Sterblichkeit von Frauen verringert, wenn Brustkrebs im Frühstadium erkannt werden konnte. Seit dem Jahre 2009 können Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren alle zwei Jahre eine Mammografie durchführen lassen. Dabei setzen sich die Untersuchten allerdings auch einer nicht unerheblichen Strahlenbelastung aus, bei der die Zellen ebenfalls geschädigt werden können.
Das Screening-Programm wurde gestartet, um die Sterblichkeitsrate der benannten Altersgruppen zu senken. Eben jenes Projekt soll nun eingehender untersucht werden. „Die Universität Münster wird in dieser langfristig ausgelegten Studie wissenschaftlich fundiert analysieren, ob dieses Ziel erreicht wird. Der Nutzen des Programms muss größer sein als die möglichen Risiken“, betonte Wolfgang Weiss, Fachbereichsleiter beim BfS. Denn jede Untersuchung ist mit „einer zusätzlichen Strahlenbelastung verbunden“, sagt Weiss. Daher soll die Studie herausfinden, ob die Brustkrebs-Sterblichkeit tatsächlich sinkt und Erkrankungen aufgrund der Strahlenbelastungen nicht unverhältnismäßig signifikant steigen.
Noch keine belastbaren Studien in Deutschland
Bislang wurden in Deutschland keine Studien zu dem Programm unternommen, weshalb unklar ist, ob und in welchem Ausmaß überhaupt die Brustkrebssterblichkeit gesenkt wird. Allerdings weisen internationale Untersuchungen daraufhin, dass ein „Nutzen des Brustkrebsfrüherkennungsprogramms für Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren“ besteht. Dennoch hegen zahlreiche Forscher Zweifel, ob eine Risiko-Nutzen-Abwägung ebenfalls zu einem positiven Ergebnis führt. Internationale Studien hatten laut Bundesamt ergeben, dass der Nutzen dem „Strahlenrisiko in dieser Altersgruppe deutlich überwiegt“. Daher hatte auch Deutschland das Mammografie-Brustkrebs-Screening im Jahre 2009 eingeführt. Allerdings hatte sich gezeigt, dass bei jungen Frauen das Strahlenrisiko überwiegt, weshalb ein solches Screening nur für Frauen ab 50 unternommen wird. Zudem ist das Brustkrebsrisiko bei jüngeren Frauen geringer, weshalb solche Untersuchungen „nicht flächendeckend, sondern nur bei begründetem Verdacht erfolgen“, erläutert Weiss.
Kritiker sagen, dass die Mammografie zur Brustkrebs-Vorsorge häufig falsche Ergebnisse liefere. Eine norwegische Studie hatte zudem gezeigt, dass von 1000 Frauen, die zur Strahlenuntersuchung gehen, vier an Brustkrebs sterben. Von 1000 Frauen, die nicht zum Screening gehen, sterben fünf Frau an einem Mammakarzinom. Demnach kann nur eine Frau von 1000 vor dem Sterben an Brustkrebs bewahrt werden, wenn sie an der Vorsorgeuntersuchung teilnimmt. Diese geringe Rate ist als solches kein Hauptkritikpunkt, zeigt aber den wahrscheinlich geringen Nutzen. Bei Reihenuntersuchungen kommt es zudem immer wieder vor, dass Radiologen oder Frauenärzte auch bei eigentlich gesunden Frauen Auffälligkeiten entdecken. Dann werden weitere belastende Untersuchungen und teilweise sogar Operationen durchgeführt, die eigentlich völlig unnötig wären. So ermittelten die Forscher, dass bei rund 20 Prozent der Operierten der Tumor nie zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt hätte. Eine niederländische Studie kam zu dem Ergebnis, dass das Screening die Brustkrebs-Sterberate um 31 Prozent senkt.
Erste Forschungsergebnisse in sieben Jahren
Ob tatsächlich die Brustkrebs-Sterblichkeit gesenkt werden kann, erfordert eine „Forschungsphase von mindestens zehn Jahren“. In den ersten zwei Jahren wollen die Experten der Universität Münster klären, wie die Effekte der Mammografie überhaupt erfasst werden können. Erst im Anschluss erfolgt die eigentliche Studie. Mit den ersten Ergebnisse rechnet das Bundesamt für Strahlenschutz in etwa sieben Jahren. Die Studie wird unterstützt vom Bundesumweltministerium, dem Bundesgesundheitsministerium und der Kooperationsgemeinschaft Mammographie.
Mammakarzinom häufigste Krebserkrankung bei Frauen
Jedes Jahr erkranken in Deutschland rund 72.000 Frauen neu an Brustkrebs. Damit gehört die Tumorerkrankung mit einem Anteil von 32 Prozent zu den häufigsten Krebsneuerkrankungen bei Frauen. Demnach erkrankt statistisch gesehen jede achte Frau im Verlauf ihres Lebens an einem Tumor in der Brust. Zwar steigt seit Jahren die Mammakarzinom-Neuerkrankungsrate, allerdings liegt das vordergründig am demografischen Wandel, weil mit steigender Lebenserwartung auch das Auftreten von bösartigen Tumoren steigt. Im europäischen Vergleich verfügt Deutschland über die höchste Brustkrebs-Todesrate. (sb)
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