Stevia-Extrakt soll beim Abnehmen helfen
21.03.2012
Die Heilpflanze Stevia gilt als neues Wundermittel für den Zuckerersatz. Denn der Extrakt ist kalorienfrei, süßer als Zucker und schadet nicht der Zahngesundheit. Darüber hinaus wird Stevia eine gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt. Es soll zum Beispiel zur Senkung des Blutdrucks beitragen.
Ist Stevia der Zucker des 21. Jahrhunderts?
Der Süßstoff-Extrakt wird aus Blättern der im südamerikanischen Grenzgebiet zwischen Paraguay und Brasilien wachsenden Pflanze Stevia rebaudiana gewonnen. Udo Kienle von der Universität Hohenheim bezeichnete den natürlichen Süßstoff als „Zucker des 21. Jahrhunderts“. Denn ihm werden zahlreiche positive Eigenschaften nachgesagt: Zum einen ist Stevia im Gegensatz zu Zucker kalorienfrei und kann damit in Produkten zum Einsatz kommen, die beim Abnehmen helfen sollen. Zum anderen ist der Zuckerersatz nicht schädlich für die Zähne. Die Lebensmittelindustrie plant bereits den Einsatz der Naturpflanze in kalorienreduzierten Getränken, Joghurts, Müslis oder Schokolade. Auch der weltweit größte Hersteller von Getränken, Coca-Cola, hat mitgeteilt, eine ganze Palette neuer Getränke auch in Deutschland auf dem Markt bringen zu wollen. In Frankreich und den USA wurden bereits Softdrinks mit dem Stevia-Extrakt eingeführt. Bereits 2007 hatte der Konzern 24 Patente zum Einsatz der Pflanze angemeldet. Coca-Cola arbeitet seit dem zusammen mit der Firma Cargill als Partner am Ausbau der Produktpalette. Die Kommerzialisierung der auch als Heilpflanze verwendeten Stevia rebaudiana hat somit bereits vor Jahren begonnen.
Aus den Blättern der Pflanze wird Steviolglykosid gewonnen, das 200- bis 300-mal süßer als Zucker sein soll. Seit Ende 2011 ist es in der Europäischen Union (EU) als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen. Eine tägliche Höchstmenge von ungefähr 10 Milligramm pro Kilo Körpergewicht sollte jedoch nicht überschritten werden.
Stevia versteckt sich hinter E960 auf der Zutatenliste
Steviolglykosid ist in deutschen Supermärkten als Streusüße, in Milchprodukten, Getränken und Marmeladen zu finden. Verbraucher finden einen Hinweis auf Stevia in der Zutatenliste auf der Produktverpackung. E960 entspricht Steviolglykosid. Zum Kuchenbacken ist Stevia jedoch weniger geeignet. „Steviolglykosid hat zu wenig Volumen und kann den Zucker daher nicht ersetzen“, sagt Gudrun Köster von der Verbraucherzentrale in Kiel. Da die Dosierung schwierig ist, verwenden Lebensmittelhersteller das Süßungsmittel häufig in Kombination mit klassischem Zucker. Beworben werden steviahaltige Produkte gerne mit Bildern der Stevia-Pflanze als besonders „natürliches Lebensmittel“. „Steviolglykosid ist ein isolierter Bestandteil, der unter Einsatz von Chemie und mit komplizierten physikalischen Verfahren gewonnen wird, mit ’Natur’ darf also nicht geworben werden“, erklärt die Verbraucherschützerin. Die Blätter der Stevia-Pflanze sind zwar ein reines Naturprodukt, jedoch wurden sie in der EU bisher nicht als Lebensmittel zugelassen. Botaniker Peter Klock aus Hamburg sieht darin jedoch kein Problem: „Das ist völlig unproblematisch, Stevia wird in der ganzen Welt eingesetzt.“ Er kennt auch die Heilkraft die den Blättern der Stevia-Pflanze nachgesagt werden. Unter anderem sollen sie blutdrucksenkend wirken. „Mit diesen Nebeneffekten muss man aufpassen“, warnt Udo Kienle. Es gäbe dazu bisher keine klaren wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Außerdem erklärt der Agrarwissenschaftler: „Der Austausch von Zucker in der Nahrung ist immer nur die halbe Miete.“ Kienle kennt das Süßungsmittel bereits seit einigen Jahren, da es in der Schweiz vor der EU-Zulassung im Handel war. Er rät jedoch vor dem Kauf im Internet ab. „Da sollte man konsequent die Finger weg lassen!“. Erwerbe man die Produkte im Supermarkt, sei dagegen sichergestellt, dass es sich zugelassene Ware handelt. Verbraucherschützerin Köster bestätigt das: „Der Verbraucher kann sich jetzt auf die Reinheit des Produkts verlassen.“ Sie erklärt weiter, dass die tägliche Höchstmenge von ungefähr 10 Milligramm pro Kilo Körpergewicht nicht überschritten werden sollte. „Bei einem Kind ist die schon mit einer Flasche Limonade überschritten.“
Stevia ist kein Wundermittel für Diabetiker
Professor Hermann von Lilienfeld-Toal vom Deutschen Diabetiker Bund in Hessen erklärt: „Gerade bei einem Tee-Aufguss mit Pflanzenblättern werden viele unbekannte Inhaltsstoffe gelöst.“ Deshalb rät der Experte dazu, nur auf das zugelassene Steviolglykosid zurückzugreifen. Stevia sei sinnvoll, wenn man beispielsweise abnehmen wolle. Für Diabetes-Patienten sei der Extrakt jedoch kein Wundermittel, da sich Betroffene insgesamt bewusst und gesund ernähren müssten, denn es komme besonders auf die Fettaufnahme an.
Organisation wie „diabetesDE“ und der „Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland“ (VDBD) warnten bereits im Januar vor den unklaren Folgen einer Überdosierung des Zuckerersatzes. Professor Hans-Georg Joost, Wissenschaftlicher Vorstand am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DifE) und Leiter des Ressorts Wissenschaft von "diabetesDE" – Deutsche Diabetes-Hilfe berichtet, dass die Gefahren einer Überdosierung von Stevia nach wie vor ungeklärt seien und die Dosierung derzeit für den Verbraucher schwer zu kontrollieren sei. Heidrun Mund vom Süßstoffverband in Köln erklärt: „Bei der Höchstmenge ist ein hundertfacher Sicherheitsfaktor drin.“
Zudem stand Stevia früher in dem Verdacht, krebserregend und erbgutschädigend zu sein sowie die Fruchtbarkeit zu vermindern. In diversen Studien konnte keines dieser Risiken bestätigt werden, so dass das „Honigkraut“ auch in der EU zugelassen wurde. In Japan findet Stevia bereits seit über 50 Jahren als Süßungsmittel und Heilpflanze Verwendung. (ag)
Lesen Sie zum Thema Stevia:
Diabetes: Überdosierung mit Stevia möglich?
Stevia: Natürliche Süße ohne Kalorien zugelassen
Topinambur: Süße Knolle mit diätetischem Wert
Stevia: Ausbeutung vom Süßstoff aus der Natur?
Ernährung: Gegen Zucker wächst eine süße Pflanze
Bild: Sigrid Rossmann / pixelio.de
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.