Ungerechter Lohn macht Menschen krank
11.06.2011
Wer ungleich und ungerecht entlohnt wird, der verfügt über ein höheres Risiko an Krankheiten wie Herzinfarkt, Bluthochdruck oder Depressionen zu erkranken. Das ergab eine wissenschaftliche Studie der Forscher Prof. Dr. Armin Falk und Prof. Dr. Johannes Siegrist. Denn subjektiv gefühlte Ungerechtigkeit versetzt Arbeitnehmer in dauerhaften Stress und Stress fördert bekanntermaßen das Krankheitsrisiko.
Gefühlte Ungerechtigkeit versetzt Arbeiter in Stress
Gefühlte und erlebte Ungerechtigkeit erhöht das Erkrankungsrisiko von Arbeitnehmern. Das konnten erstmals Wissenschaftler in einem Experiment nachweisen. Die Folge sind Herzerkrankungen, Depressionen und Bluthochdruck. Je unangemessener ein Proband im Versuchsaufbau behandelt wurde, desto höher lag auch das Risiko, eine ernsthafte Krankheit zu erleiden. Wer demnach ungerecht für seine Erwerbstätigkeit bezahlt und behandelt wird, der erfährt auch ein höheres Erkrankungsrisiko, erklärten die Studienleiter Armin Falk (Wissenschaftsökonom) sowie der Düsseldorfer Medizinsoziologe Johannes Siegrist. "Menschen, die ihre Bezahlung als unfair empfinden, geraten schnell unter Stress“, erläutert Falk. „Zudem leiden sie wahrscheinlicher unter Herzkrankheiten, Bluthochdruck und Depressionen.“, so das Resümee.
Beide Forscher untersuchten in einer Studienarbeit Emotionen und Herzfrequenzen von Menschen, die offensichtlich ungerecht behandelt wurden. Zusätzlich wurden die Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ausgewertet. Bei SOEP handelt es sich um eine repräsentative und sich wiederholende Befragung von rund 12.000 Haushalten (rund 20.000 Menschen) in Deutschland. Die Teilnehmer werden seit 1984 regelmäßig einmal im Jahr zu ihrem Befinden, Einkommen und Gesundheit befragt. Dabei werden immer dieselben Personen und Privathaushalte interviewt. Beauftragt mit der Erfassung der Daten ist das Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.
Eine Gruppe arbeitet, die andere bekommt mehr Geld
In dem wissenschaftlichen Experiment teilten die Wissenschaftler eine Gruppe von 80 Studenten in 12köpfige Teams auf. Die Gruppen bestanden aus Arbeitern und jeweils aus Chefs. Die Angestelltengruppen bekamen Blätter mit Nullen und Einsen. Genau 25 Minuten lang mussten die Arbeiter die Nullen zählen. Wählerendessen durften sich die Chefteams ausruhen und die Zeit mit nichts tun verbringen. Je mehr die Arbeiter Nullen zählten, je mehr Geld konnten die Gesamtteams erwirtschaften. Als die Arbeit vorüber war, traten die Chefs in Erscheinung. Ihre Aufgabe bestand darin, das erwirtschaftete Geld aufzuteilen. Hierfür gab es keine Vorgabe. In den meisten Fällen bekamen die Angestellten weniger Geld zugeteilt, als sie erwartet hätten. Diese subjektiv erlebte Ungerechtigkeit versetzte die meisten Erwerbstätigen in Stress. Messbar war dieser durch eine Überprüfung der Herzfrequenz. Je weniger Lohn die Arbeiter bekamen, desto stärker variierte die Herzfrequenz, desto höher war auch die Stressbelastung.
Dauerhafter Stress belastet Herzfrequenzvariabilität
Die Herzfrequenzvariabilität zeigt an, wie stark die Länge zwischen den Herzschlagintervallen schwankt. Ein gesunder Organismus passt die Herzschlagrate fortlaufend an Erfordernisse an. Seelische und körperliche Belastungen haben bekanntlich eine Erhöhung der Herzfrequenz zur Folge. Lässt die Belastung nach, lässt normalerweise auch der schnellere Herzschlag nach. Dabei zeigt sich eine höhere Anpassungsfähigkeit an Belastungen in einer größeren Variabilität der Herzfrequenz. Wer jedoch einer chronischen Stressbelastung ausgesetzt ist, bei dem besteht eine beständig höhere Anspannung der Herz-Kreislauf-Systems. Demnach reduziert sich auch die vegetative Regulation des Organismus und damit die Anpassungsfähigkeit des Körpers. Die Langzeitfolge sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder manifestierte Depressionen. "Wenn das Gefühl von Ungerechtigkeit die Varianz der Herzfrequenz auf Dauer beeinflusst, kann sich das negativ auf die Gesundheit auswirken“, erläutert Falk. Ist die Herzfrequenz verringert, kann dies ein früher Warnhinweis für eine bevorstehende Herzkrankheit sein. "Wenn Normen verletzt werden, wird ein tiefsitzendes Gerechtigkeitsgefühl verletzt", sagt Siegrist. Auf rationalem Wege erfasse man zunächst nicht die Verletzung, aber sehr bestimmt auf emotionaler Ebene.
Die Thesen aus dem Experiment wurden durch die Sozio- ökonomischen Panel Daten bestätigt. Wer sein eigenes Einkommen als ungerecht und schlecht bezeichnet, der bewertet auch seinen eigenen körperlichen Zustand und seine Gesundheit als schlecht. Zudem lasse sich anhand der Auswertungen nachweisen, dass schlecht bezahlte Menschen insgesamt häufiger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Herzinfarkte, Bluthochdruck und Depressionen litten. (sb)
Zu den Studienleitern: Prof. Dr. Johannes Siegrist ist Medizinsoziologe, Hochschullehrer und Direktor des postgradualen Studiengangs Public Health an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Dr. Armin Falk ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Direktor des Center for Economics and Neuroscience sowie des Labors für Experimentelle Wirtschaftsforschung an der Universität Bonn.
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