17.03.2011
Seit Inkrafttreten der Gesundheitsreform zum Jahreswechsel 2011 wurden die Wechselbedingungen zur Privaten Krankenversicherung (PKV) erheblich vereinfacht. Selbstständige, Beamte und gut verdienende Angestellte haben die Wahl: Entweder sie lassen sich gesetzlich krankenversichern oder sie schließen einen PKV Tarif ab. Die Stiftung Warentest warnt in der Ausgabe der Zeitschrift „Finanztest“ vor einem unüberlegten und voreiligen Abschluss eines sogenannten Billigtarifs.
Locktarife der Privaten Krankenversicherungen
Auf dem ersten Blick scheinen die Tarife einiger privaten Krankenversicherungsanbieter recht verlockend zu sein. Geradezu mit Dumpingpreisen versuchen Versicherungsmakler Neukunden zu gewinnen. Es scheint, als wäre ein Wettbewerb in Sachen Preisunterbietung ausgebrochen. Kaum ein PKV Einstiegstarif kostet mehr als 100 Euro im Monat. Teilweise kosten die Tarife weniger als 60 Euro und versprechen dennoch eine ausreichende Gesundheitsversorgung. Sucht man im Internet mit dem Stichwort „Krankenversicherung“, so springen einem zahlreiche und auf dem ersten Blick kostengünstige Angebote entgegen. So bestätigte ein Versicherungsmakler gegenüber „Heilpraxisnet.de“: „Um so weniger Leistungen der Tarif für den Versicherten bietet, um so besser sind auch die Provisionen für die Makler. Deshalb setzen viele in der Branche auf das schnelle Geld, statt eine gute Leistung zu verkaufen.“ Seinen Namen will der Makler aber nicht nennen lassen, schließlich will man sich nicht unter Kollegen unbeliebt machen.
Hohe Provisionen für Versicherungsmakler
Und tatsächlich, die Provisionen sind zum Teil atemberaubend hoch. Der Bundesverband der Versicherungsberater in Deutschland hatte sich deshalb unlängst für eine „drastische Reduzierung der Provisionen“ ausgesprochen. Die gezahlten Provisionen beim Abschluss eines Versicherungsvertrages liegen mittlerweile bei bis zu 18 Monatsbeiträgen der Versicherten, was sowohl von der Politik als auch vom Bundesverband der Versicherungsberater massiv kritisiert wird. Zudem sind bei den schlechtesten Verträgen die höchsten Provisionen zu holen, wodurch die Beratung teilweise erheblich verzehrt werde, erklärte Stefan Albers, Präsident des Bundesverbandes der Versicherungsberater. Aus diesem Grund plädiert man dafür, nur noch maximal sieben Monatsbeiträge zu bezahlen, um den Markt wieder einigermaßen in den Griff zu bekommen.
Solide gesetzliche Krankenversicherung
Selbstständige, die sich für eine gesetzliche Krankenversicherung entschieden haben, zahlen einen Mindestsatz von momentan 340 Euro. Dafür erhalten freiwillig gesetzlich Versicherte eine solide Gesundheitsversorgung, den Pflegeversicherungsschutz sowie Krankentagegeld ab dem 43. Tag der ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit. Wer sich gerade erst selbstständig gemacht hat und Existenzgründer mit einem geringen Einkommen ist, muss sogar nur 226 Euro pro Monat für den gesetzlichen Krankenversicherungsschutz zahlen.
Verlockende Einstiegstarife der PKV
Für viel Existenzgründer und Jungunternehmer sind die Einsteigertarife der PKV sehr verlockend. Wenn man schließlich nur 56 Euro statt 226 Euro zahlen muss, lassen sich eben viele dazu verleiten, in die PKV zu wechseln. Zwar ist die private Krankenversicherung auf dem ersten Blick günstiger, doch die Leistungseinschränkungen gegenüber den regulären PKV Tarifen sind teilweise sehr hoch, mahnt die Stiftung Warentest. Die privaten Tarife sind auch nur dann günstiger, wenn man ungebunden ist, keine Kinder zu versorgen hat und deutlich jünger als 35 Lebensjahre ist.
Wer sich die Leistungen der günstigen Tarife genauer anschaut, wird schnell feststellen, dass von den angeblichen qualitativ hochwertigen Privatleistungen kaum mehr etwas zu erkennen ist. Es gibt keine Einzelbelegung in Kliniken, keine Chefarztbehandlung, eine nur sehr begrenzte Zahnersatz-Erstattung, keine Zuschüsse für Sehhilfen, Zuzahlungen, wenn statt Generika Originalarzneien zum Einsatz kommen, keine Naturheilkunde-Behandlung beim Heilpraktiker und keine frei Arztwahl. Das sind alles nicht unbedingt Leistungen, die man von privaten Krankenversicherungen erwartet.
Tarife steigen mit dem Lebensalter
Das wäre weiter nicht schlimm, wenn Versicherte tatsächlich nur den geringen Beitragssatz zahlen müssten. Oftmals ist das Gegenteil der Fall, berichtet die Stiftung Warentest. Die Billigtarife werden nämlich teilweise mit einem hohen Selbstbehalt abgeschlossen. Das bedeutet, einen gewissen Betrag müssen die Betroffenen zunächst selbst bezahlen. Erst bei Überschreitung des Selbstbehalts übernimmt die PKV. Ist man noch jung, so ist auch dieser Punkt noch einigermaßen zu verkraften. Da aber kein Mensch immer jung bleibt, ändert sich auch das gesundheitliche Wohlbefinden. Früher oder später müssen ehemals Jungversicherte sich nach besseren Alternativen umschauen. Da der Weg in die Gesetzliche für immer vespert bleibt, bleibt eben nur der Wechsel in einen vernünftigen Tarif mit wesentlich mehr Absicherungen. Wer dann in einen Leistungsstärkeren Tarif wechseln will, muss sich oftmals einer erneuten Gesundheitsprüfung unterziehen. Und genau dann stellt sich zumeist heraus, dass PKV Tarife eben doch weitaus mehr Geld kosten, als die freiwillig gesetzliche Krankenversicherung. So berichtet Werner M. (56) aus Hannover : „Früher zahlte ich nur 254 Euro, heute sind es bereits 780 Euro pro Monat, obwohl ich zahlreiche Leistungen bereits abgewählt habe“. Zum Vergleich: Der Höchstbetrag der Gesetzlichen bei einem überdurchschnittlichen Einkommen beträgt 575 Euro inklusive Familienmitversicherung.
Die PKV Tarife steigen, auch wenn die Branche das öffentlich nicht so gern zugibt. Gesundheitsökonomen gehen davon aus, dass selbst die besten Tarife in den nächsten Jahren um ein Vielfaches ansteigen werden. In den nächsten 30 Jahren könnte sich der Tarifbeitrag bereits verdreifacht haben. Laut einer von „Morgen & Morgen“! im Mai letzten Jahres sind die Beiträge der PKV Versicherungen in den letzten zehn Jahren drastisch gestiegen. So sind beispielsweise 6 unterschiedlichen Tarife des Deutschen Rings in den letzten 10 Jahren durchschnittlich um 3,4 Prozent gestiegen. Bei der Pax-Familienfürsorge sind die Versicherungsprämien der letzten zehn Jahre im Durchschnitt um 6,7 Prozent gestiegen und die der Mannheimer um 6,9 Prozent (inkl. aller Tarife). Umgerechnet bedeutet das, dass beispielsweise Männer seit 1985 durchschnittlich knapp 2000 Euro und mehr pro Jahr für ihre Krankenversicherung ausgegeben müssen. Keine Seltenheit sind zudem überdurchschnittliche Anstiege der Prämien für ältere Menschen. So mussten teilweise Rentner 5 bis 10 Prozent Beitragssteigerungen in den letzten fünf Jahren hinnehmen.
Achtung bei PKV Vertragsklauseln
Die durchschnittliche Pro-Kopf-Ausgabe eines gesetzlich Versicherten beträgt für die Kassen rund 2400 Euro. Nimmt man als Privatversicherter einen Selbstbehalt von 1000 Euro und mehr pro Jahr in Kauf, sollte man damit rechnen, dass sich im Laufe des Lebens man auch diesen Betrag zusätzlich zu den Tarifprämien zahlen muss. Experten mahnen deshalb zur eigenen Vorsorge in Form von Rücklagenbildung.
Die Verbraucherschützer der Stiftung Warentest warnen vor diesem Hintergrund vor einer ganzen Reihe ungünstiger Vertragsklauseln. Verbraucher sollten vor dem Abschluss eines PKV Vertrages genau alle Regelungen durchlesen und verstehen. Grundsätzlich sollte man sich bewusst sein, dass Ärztehonorare im laufenden Jahr zunächst aus eigener Tasche bezahlt werden. Erst am Ende des Jahres werden die Rechnungen bei der PKV eingereicht. Unsicherheit entsteht zum Beispiel deshalb, wenn die Arztrechnung höher ist, als der Betrag, den die Versicherung tatsächlich übernimmt. Das kann durchaus passieren, weil Ärzte bei Privatpatienten einen 3,5-fachen Satz der gesetzlichen Gebührenordnung (GOÄ) berechnen dürfen. Billigtarife sehen aber vielfach nur eine Kostenerstattung eines 1,8 fachen Satzes vor. So müssen in zahlreichen Fällen Versicherte maximal die Hälfte der Behandlungskosten selbst übernehmen. Das gleiche gilt auch bei Zahnarztrechnungen.
Deckelung bei Zahnarztbehandlung und Heilmitteln
Andere Locktarife deckeln die Kosten bei Zahnersatz und Zahnarztbehandlungen. So müssen die Versicherten teilweise zwischen 1000 und 1500 Euro aus eigener Tasche bezahlen. Darüberhinausgehende Kosten muss der Patient selbst zahlen. Es gibt sogar Tarife, die überhaupt keine Erstattung für Zahnersatz wie Kronen, Brücken und Prothesen vorsehen oder diese nur hälftig begleichen. Alle Kosten die darüber hinaus gehen, muss vom Patienten selbst bezahlt werden. Wenn eine aufwendige Kieferoperation fällig wird, können hohe Kosten auf den Betroffenen zukommen.
Keine Erstattung gibt es bei zahlreichen Billigtarifen für Sehhilfen, Gehhilfe, Hörgeräte, Rollstühle oder Prothesen. Auch Heilmittelbehandlungen wie Logopädie, Krankengymnastik, Ergotherapie oder medizinische Massagen werden gern aus dem Leistungskatalog der Lockangebote gestrichen. Erleidet man einen schweren Unfall, Herzinfarkt oder Schlaganfall müssen die weitergehende Kosten zur Rehabilitierung selbst beglichen werden.
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Bild: Gerd Altmann/Gerold Meiners / pixelio.de
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