Ausbreitung von Borreliose durch Zecken ein wachsendes Problem
22.04.2012
Jährlich warnen Mediziner, Gesundheitsbehörden und -verbände mit Beginn der Zecken-Saison vor den gesundheitlichen Risiken, die ein Zeckenbiss mit sich bringen kann. Denn die winzigen Blutsauger dienen oftmals als Überträger gefährlicher Krankheitserreger, welche zum Beispiel Borreliose oder eine Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) auslösen können.
Beim gestrigen Auftakt der Jahrestagung der Deutschen Borreliose-Gesellschaft (DBG) 2012 betonten die Referenten die medizinischen Herausforderungen, welche sich aus der zunehmenden Verbreitung der Borreliose durch Zecken ergeben. Obwohl die Infektionskrankheit lange bekannt ist, bringe die Diagnose und Behandlung oftmals noch erhebliche Schwierigkeiten mit sich. Laut dem Vorsitzenden der Deutschen Borreliose-Gesellschaft, Kurt E. Müller, wurden zwar „in den vergangenen Jahren wesentliche Fortschritte gemacht, die zuverlässige Therapie ist allerdings weiterhin ein großes Problem.“
Borreliose und FSME
Mit den milden Frühlingstemperatur hat die Zecken-Saison begonnen. Ab sieben Grad Celsius werden die kleinen Blutsauger aktiv und starten ihr Suche nach Nahrung. Hier ist menschliches Blut ebenso gern genommen, wie das von Vögeln, Haus- und Wildtieren. Die winzigen Tierchen heften sich an, durchbohren die Haut und beginnen mit dem Blutsaugen. Im Verlauf der Nahrungsaufnahme schwellen die Zecken auf ein vielfaches ihrer eigentlichen Körpergröße an und fallen, wenn sie satt sind, wieder von alleine ab. Dieser Vorgang an sich wäre keine besonderes Problem für den menschlichen Organismus, doch übertragen die winzigen Blutsauger oftmals Krankheitserreger in die Wunde. Zu den verbreitetsten Erregern, die durch einen Zeckenbiss übertragen werden können, zählen dabei die Borrelia Bakterien, welche beim Menschen die sogenannte Lyme-Borreliose verursachen. Die Zecken geben während des Saugvorgangs außerdem des öfteren FSME-Viren weiter, die zu grippeähnlichen Symptomen wie Fieber und Kopfschmerzen, aber auch zu einer potenziell lebensbedrohlichen Hirnhautentzündung führen können.
Diagnoseschwierigkeiten bei Borreliose
Bei der durch Zecken übertragenen Borreliose ist eines der Hauptprobleme die zuverlässige, möglichst frühzeitige Diagnose. Zwar gilt die sogenannte Wanderröte, welche sich als roter, wachsender Fleck auf der Haut zeigt (zuerst um die Einstichstelle, später auch an anderen Körperstellen), als typisches Symptom. Doch etwa ein Drittel der Patienten leidet nicht unter diesem auffälligen Krankheitsmerkmal, berichten die Experten der DBG. Die übrigen Symptome wie Fieber, Muskel-, Gelenk- und Gliederschmerzen seien zudem derart unspezifisch, dass der Verdacht oft nicht auf eine Borreliose fällt. So können sich die Erreger häufig schon über Wochen im Körper der Betroffenen ausbreiten, bevor überhaupt eine Untersuchung auf Borreliose stattfindet. Wird eine ärztliche Untersuchung durchgeführt, so ist auch bei dieser nicht in jedem Fall sichergestellt, dass die Erreger entdeckt werden. „Die Diagnose erfolgt nicht mit ausreichender Sicherheit. Befunde werden oft unterschiedlich interpretiert und es wird nicht selten unterschiedlich eingeschätzt, wann eine behandlungsbedürftige Borreliose vorliegt“, erläuterte der DBG-Vorsitzende Kurt E. Müller. Um sicherzustellen, dass der Nachweis einer vorhandenen Borreliose gelingt, haben Forscher aus Innsbruck daher ein Verfahren entwickelt, bei dem Gewebeproben mit Hilfe einer speziellen Schnitttechnik systematisch spiralförmig mit dem Mikroskop durchsucht werden können, berichtete Müller. Durch diese sogenannte Focus-Floating-Microscopy „können wir Borrelien leichter finden und die Notwendigkeit der Behandlung zuverlässiger erkennen“, betonte der Experte.
Schwierige Behandlung von Borreliose
Wird nach einem Zeckenbiss eine Borreliose diagnostiziert, beginnt meist unverzüglich die Behandlung mit Antibiotika. Insbesondere bei frühzeitiger Entdeckung der Erreger stehen die Chancen auf eine Heilung durchaus gut. Doch immer wieder stoßen die Ärzte auch hier an ihre Grenzen. Die Antibiotika wirken nicht in der gewünschten Form und es droht eine chronische Borreliose mit Spätfolgen wie Entzündungen der Gelenke, des Herzmuskels oder des Nervensystems. Die Schwierigkeiten bei der Behandlung ergeben sich nach Ansicht des DBG-Vorsitzenden auch aus der Fähigkeit der Erreger, ihre Struktur zu „verändern und sich zudem in eine Ruheform zurückziehen.“ Eine zuverlässige Behandlung werde auf diese Weise erheblich erschwert, erklärte Müller. Auch spielt nach Ansicht des Experten die individuelle Konstitution der Patienten eine wesentliche Rolle bei der Behandlung und sollte daher Berücksichtigung finden. „Wir müssen uns noch mehr mit den personenbezogenen Eigenschaften auseinandersetzen“, erläuterte Müller bei der DBG-Jahrestagung. Die individuelle Leistungskraft des Immunsystems sollte erfasst und gegebenenfalls Maßnahmen, die das Immunsystem stärken, in die Therapie einbezogen werden, forderte der Experte.
Bis zu 400.000 Borreliose-Neuerkrankungen pro Jahr?
Wie viele Menschen tatsächlich in Deutschland pro Jahr nach einem Zeckenbiss an Borreliose erkranken, ist laut Aussage von Kurt E. Müller unklar. Zu den Infektions- und Erkrankungszahlen gebe „es extrem widersprüchliche Zahlen, weil keine einheitliche Erfassung vorliegt“, so der DBG-Vorsitzende weiter. Zum Beispiel gehe das Nationale Referenzzentrum für Borrelien in Erlangen davon aus, dass jährlich 60.000 bis 100.000 Menschen in Deutschland neu an Borreliose erkranken. Laut Müller gibt es jedoch auch „Zahlen, die deuten darauf hin, dass im Jahr rund 0,5 Prozent der Bevölkerung neu an Borreliose erkrankt“ – was in Deutschland etwa 400.000 Menschen pro Jahr wären. Zu den Gebieten in denen besonders viele Zecken Borrelien in sich tragen, zählen Baden-Württemberg und Bayern, die als als Hochrisikogebiete in Deutschland eingestuft werden. Insgesamt nehme die Verbreitung der Erreger in der Zeckenpopulation jedoch deutschlandweit zu, so Kurt E. Müller weiter. Die hiermit verbundenen Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung würden auch heute noch viel zu häufig unterschätzt, betonte der Experte.
Meldepflicht für Borreliose
Einige Bundesländer haben zur Überwachung der Ausbreitung von Borreliose eine Meldepflicht eingeführt, wobei die gewonnenen Daten laut Aussage des DBG-Vorsitzenden bisher jedoch nur eingeschränkt verwertbar sind. Zwar bestehe in den ostdeutschen Bundesländern und Rheinland-Pfalz bereits eine Meldepflicht und auch in Bayern sei die Einführung geplant, doch „es wäre besser gewesen, noch zu warten und sich auf eine Vereinheitlichung der Meldekriterien zu einigen“, erläuterte Kurt E. Müller. Bei den derzeitigen Meldeverfahren „werden die Zahlen immer wieder infrage gestellt“, bemängelte der Experte. Die Bestimmung von Risikogebieten ist insofern von Vorteil, als dass die Bevölkerung nach einem Zeckenbiss in entsprechenden Regionen für die Gefahr einer Borreliose-Übertragung sensibilisiert ist. Auch könnten Personen beim Aufenthalt im Freien entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen, um die Gefahr eines Zeckenbisses zu minimieren.
Körperbedeckende Kleidung, enge Bündchen und hohes Schuhwerk sind hier angebracht. Nach einem Aufenthalt in der Natur, sollte der Körper gründlich nach Zecken abgesucht werden. Möglicherweise anhaftende Tiere sind mit einer schmalen Pinzette oder Zeckenzange umgehend zu entfernen, wobei Quetschungen der Zecken vermieden werden sollten, damit diese nicht ihren Mageninhalt in die Einstichwunde absondern. Tendenziell gilt: Je früher die Zecken entfernt werden, desto geringer das Risiko einer Übertragung von FSME oder Borreliose.(fp)
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Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.