Angststörungen: Für viele Menschen ist Weihnachten als Horrortrip
04.12.2012
Während die meisten Menschen die Adventszeit genießen und sich auf Weihnachten freuen, durchleben andere gerade zur besinnlichen Jahreszeit einen regelrechten Horrortrip. „Wer unter sozialen Ängsten oder Panikstörungen leidet, empfindet das nahende Weihnachtsfest häufig als Bedrohung“, erläuterte de Psychotherapeutin und Buchautorin Dr. Doris Wolf gegenüber der Nachrichtenagentur „dapd“.
Angststörungen sind laut Aussage der Expertin ein durchaus verbreitetes Phänomen, von dem rund jeder siebte Deutsche betroffen ist beziehungsweise schon einmal betroffen war. Menschen, die unter Ängsten und Panikstörungen leiden, können die Weihnachtszeit oft kaum genießen, sondern empfinden diese als enorme psychische Belastung, s Wolf weiter. Sie „fürchten, bei festlichen Zusammenkünften die Nähe von Personen ertragen zu müssen, die sie nicht treffen möchten, oder aber sie fühlen sich einsam, gerade weil sie niemanden haben, mit dem sie zusammen sein können oder wollen“, berichtet die Psychotherapeutin. Durch den psychischen Druck zeigen die Betroffenen auch körperliche Symptome, wie eine schnellere und tiefere Atmung, eine erhöhte Muskelanspannung, Herzrasen und Bluthochdruck. Nicht selten erleiden die Patienten im Zuge der Panikattacken regelrechte Todesangst, was auch auf die spürbaren körperlichen Symptome zurückgeht (Angst vor einem Herzinfarkt). Weihnachten ist demnach für die Betroffenen keine besinnliche Jahreszeit, sondern häufig geprägt durch erhebliche psychische Beschwerden.
Selbstzweifel und Ängste verstärkt zur Weihnachtszeit
Zahlreiche Faktoren, die von gesunden Menschen als üblicher Weihnachtsstress bewertet werden, sind für Personen mit Angststörung eine erhebliche Belastung. Sie quälen beispielsweise bei der Essen- und Geschenkauswahl oder der Organisation des Festes erhebliche Versagensängste. Dies zeige sich auch an den Anrufen bei der Telefonseelsorge, erläuterte Ruth Belzner, Psychologin und Vorsitzende der Evangelischen Konferenz für TelefonSeelsorge und Offene Tür. Ängste und Enttäuschungen rund um das Weihnachtsfest seien zu dieser Jahreszeit häufig Thema. „Die Menschen geraten um die Feiertage herum ins Nachdenken über Dinge, die sie im Alltag verdrängen, Enttäuschung und Selbstzweifel brechen leichter hervor“, so die Erklärung von Belzner. Demnach sind die Angst und das Gefühl des Ausgeliefertseins bei Menschen mit Angststörungen zu Weihnachtszeit besonders intensiv. Dies hat nicht selten auch erhebliche Auswirkungen auf das Verhalten der Betroffenen. Allein die Angst vor der Angst in bestimmten Situationen belaste sie manchmal stundenlang und halte sie von wichtigen Aktivitäten, wie beispielsweise dem Einkaufen oder dem Treffen mit Freunden und Bekannten, ab. Ihr Alltagsleben wird durch die Angststörung massiv eingeschränkt. Die Telefonseelsorge bietet den Betroffenen hier die Möglichkeit, über ihre Ängste zu sprechen, ohne bewertet oder gar verurteilt zu werden, erklärte Ruth Belzner.
Körperliche Reaktionen verstärken die Panikattacken
Zwar ist Angst an sich laut Aussage der Psychotherapeutin Doris Wolf eine durchaus sinnvolle Alarmreaktion des Körpers, bei der unser Organismus „auf bestimmte Reize heute noch genauso wie bei unseren Vorfahren (reagiert), die blitzschnell vor wilden Tieren flüchten, mit feindlichen Stämmen kämpfen oder sich mucksmäuschenstill zusammenducken mussten.“ Doch die hierdurch ausgelösten körperlichen Reaktionen, können bei Patienten mit Angststörung die Panikattacken noch verstärken. Sie zeigen zunächst in psychisch belastenden Situationen typische Angstsymptome, wie beispielsweise eine erhöhte Herzfrequenz. Durch die körperliche Reaktion haben die Betroffenen verstärkt das Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung ist und ihre Angst nimmt weiter zu. Ohne objektiven Anlass geraten sie in Panik. Allerdings lässt sich Angstreaktionen laut Aussage der Expertin auch wieder abtrainieren. Um die Angst zu vermeiden sollten Betroffene zunächst darauf achten, welche Gedanken und Befürchtungen ihrem Angstgefühl vorausgehen, erläuterte Doris Wolf. Anschließend müssen sich die Patienten fragen, ob wirklich all die Befürchtungen eintreffen werden oder ob sie selbst das Ausmaß der Gefahr übertreiben.
Ängste wieder verlernen?
Ebenso wie Angstreaktionen erlernt werden, können sie auch wieder verlernt werden, erläuterte die Expertin. Stück für Stück lasse sich die Störung beheben, zum Beispiel indem sich die Betroffenen den eigentlich ungefährlichen Situationen, die bei ihnen Panik auslösen, immer wieder stellen und sich dabei selber sagen: „Ich weiß, dass all meine körperlichen Symptome auftauchen werden. Sie sind das Ergebnis meiner Gedanken. Sie werden vorübergehen. Ich kann es ertragen, sie sind nur unangenehm“, erklärte Wolf. Ihrer Ansicht nach ist es dabei besonders wichtig, dass die Patienten so lange in der Situation bleiben, bis die Angst nachlässt. Da diese Art sich seiner Angst zu stellen, jedoch sehr viel Energie koste, sei „für manche Menschen eine therapeutische Unterstützung sehr hilfreich“, so die Expertin weiter. Hilfreich seien auch Entspannungstechniken wie beispielsweise Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung (Progressive Muskelrelaxation), denn „Angst und Entspannung können wir nicht gleichzeitig empfinden“, erläuterte Wolf.
Vielfältige Ursachen der Angststörungen
Als Auslöser der Angststörung können Faktoren wie der Weihnachtsstress oder hohe Arbeitsbelastungen wirken, die tatsächlichen Ursachen der Beschwerden sind jedoch nach bisherigem Kenntnisstand äußerst vielschichtig. So werden hier zum Beispiel genetische, neurobiologische und soziale Faktoren von den Experten als mögliche Ursachen der Angststörungen genannt. Auch körperliche Erkrankungen, wie eine Schilddrüsenfehlfunktion (Schilddrüsenüberfunktion und Schilddrüsenunterfunktion), sind als mögliche Ursachen der Ängste zu erwähnen. Im Zuge der Diagnosestellung sollte daher dringend die Krankheitsgeschichte der Patienten aber auch ihr persönlicher Entwicklungsgang Berücksichtigung finden. (fp)
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Bild: Gerd Altmann/Carlsberg1988 / pixelio.de
Autoren- und Quelleninformationen
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