Mit Multiple Sklerose ist ein normales Leben möglich
01.06.2013
Rund 130.000 Menschen leiden in Deutschland unter Multiple Sklerose. Die meisten der Betroffenen haben einen Beruf und führen ein ganz normales Leben. Dennoch haben sie mit zahlreichen Vorurteile zu kämpfen. Der Welt-MS-Tag soll auf die Erkrankung aufmerksam machen und mit Vorurteilen aufräumen.
Viele unbegründete Vorurteile bei Multiple Sklerose
Anlässlich des diesjährigen Welt-MS-Tages, der am vergangenen Mittwoch stattfand, finden weltweit Veranstaltungen und Kampagnen rund um das Thema Multiple Sklerose (MS) statt. Unter anderem wollen Betroffene, Ärzte und andere Fachleute Vorurteile ausräumen, mit denen viele MS-Kranke häufig konfrontiert werden. „Wenn wir alle zusammen eines Tages erreichen wollen, dass Menschen mit einer chronischen Erkrankung ein weitgehend normales Leben führen können, ohne Ausgrenzung, ohne Benachteiligung, dann müssen wir in einem ersten Schritt dafür sorgen, dass Vorurteile ausgeräumt werden. Dazu wollen wir mit unserer Arbeit beitragen.“, erklärte Dr. Eva Koch, Leiterin der MS-Projekte der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, in einer Pressemitteilung der Stiftung. Zu den häufigsten Vorurteilen gehören Sätze wie „MS, das ist doch Muskelschwund“, „Daran stirbt man“ oder „Betroffenen sitzen immer im Rollstuhl“. „Vielen Menschen sagt MS etwas, aber meist ist es das Falsche", erklärte Koch gegenüber dem dpa-Themendienst. „Richtig ist: MS ist eine schwere chronische Erkrankung, mit der aber ein weitgehend normales Leben und Arbeiten möglich ist."
Angaben der Expertin zufolge sind nur etwa 15 Prozent der Betroffenen auf einen Rollstuhl angewiesen. „Die Krankheit muss nicht offensichtlich sein. Deshalb nennt man sie auch die Krankheit der 1000 Gesichter", so Koch. Jeder Krankheitsverlauf sei individuell anders. „Das ist das Tückische."
Multiple Sklerose zu Beginn mit unspezifischen Symptomen
MS ist eine neurologische Erkrankung mit chronischem Verlauf, bei der sich Entzündungen des zentralen Nervensystems an unterschiedlichen Stellen im Gehirn sowie im Rückenmark entwickeln. Durch die entzündlichen Prozesse wird die Schutzschicht der Nervenfasern, das sogenannte Myelin, beschädigt oder sogar zerstört. Bislang konnte die Ursache von MS trotz intensiver Forschung noch nicht geklärt werden.
Die Erkrankung zeigt sich anhand von unterschiedlichen Symptome, die teilweise sehr verdeckt sind und auch nur zeitweise auftreten können. Die MS-Diagnose wird deshalb in vielen Fällen erst sehr spät gestellt. Zur Diagnosefindung werden beispielsweise neurologische Untersuchungen, Kernspintomographien und Analysen des Nervenwassers durchgeführt. Die meisten Betroffenen sind zwischen 20 und 40 Jahre alt und zu zwei Dritteln weiblich. Kinder zu bekommen ist für die erkrankten Frauen zwar unproblematisch, jedoch wird bei MS auch eine erbliche Komponente als Ursache diskutiert. Anderes als Muskelschwund gehört MS aber nicht zu den klassischen Erbkrankheiten.
Missempfindungen, kribbelnde Hände und Füße, Sehstörungen, Taubheitsgefühle in den Beinen, Lähmungserscheinungen, Gleichgewichts- und Kraftstörungen können zu den ersten Anzeichen für MS gehören. Da diesen Symptomen aber auch eine andere Ursache zugrunde liegen kann, sind sie für sich genommen noch kein eindeutiger Hinweis auf MS. Manche Betroffenen leiden auch an Konzentrationsstörungen und haben kognitive Einschränkungen. Durch das Fortschreiten der Krankheit funktionieren bei vielen Betroffenen irgendwann die Motorik und die Feinmotorik nicht mehr oder nur noch eingeschränkt. Die Fehlschaltungen der Nerven können zudem auch andere Beeinträchtigungen und Behinderungen bewirken. So treten in einigen Fällen Funktionsstörungen der Harnblase und des Darms auf.
Multiple Sklerose verläuft in Krankheitsschüben
MS tritt meist in Krankheitsschüben auf, die sehr unterschiedlich verlaufen können. Auch der Schweregrad und die Häufigkeit kann stark von einander abweichen. Einige MS-Patienten würden dauerhaft Medikamente einnehmen, andere nur dann, wenn die Beschwerden auftreten, erklärte Koch. „Das Spektrum der Krankheit ist sehr breit, die Unvorhersehbarkeit auch.“ Während einige Betroffene an Taubheitsgefühlen in den Armen litten, verspürten andere ein Kribbeln in den Beinen. Viele Patienten hätten zudem mit chronischer Müdigkeit als Begleiterscheinung zu kämpfen, so dass es ihnen schwerfällt, sich lange zu konzentrieren. Einige MS-Patienten könnten deshalb keiner achtstündigen Arbeit nachgehen.
Wie Koch berichtete, sei neben der Sorge um den Krankheitsverlauf vor allem die Angst vor Stigmatisierung für die Betroffenen sehr belastend. Eine MS-Diagnose bedeute nicht zwangsläufig, dass das Leben der Betroffenen aus den Fugen gerate und sie nicht mehr belastbar seien.
Gen möglicherweise für Multiple Sklerose verantwortlich
Eine spezielle Genvariante könnte bei Patienten mit MS einen wesentlichen Anteil an der Erkrankung haben. Einem internationalen Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Adam P. Gregory und Calliope A. Dendrou von der University of Oxford (UK) gelang im Rahmen ihrer Studie die Identifizierung einer Genvariante, die bei Betroffenen eine Blockierung des sogenannten Tumor-Nekrosefaktors Alpha (TNF Alpha) auslöst, so dass die typischen Entzündungserscheinungen von MS auftreten.
Die Forscher entdeckten die Genvariante bei einer genomweiten Assoziationsstudie, bei der zunächst die DNA von 379 Europäern analysiert wurde. Dabei stellten sie erste Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der Genvariante und MS fest, da sie bei MS-Patienten besonders häufig nachgewiesen wurde. Daraufhin wurde das Erbgut von 1.853 MS-Patienten und 5.174 gesunden Probanden einer Kontrollgruppe untersucht. Dabei bestätigte sich der zunächst lediglich statistisch beobachtete Zusammenhang. Die Forscher veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachmagazin „Nature“. (ag)
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