Wimmelte die Hamburger Krankenkasse HEK Senioren der City BKK bereits am Telefon ab?
09.05.2011
Fast 150.000 Versicherte der Betriebskrankenkasse BKK City müssen sich nach Ankündigung der Schließung eine neue Krankenkasse suchen. Von Seiten des Bundesgesundheitsministeriums wird versichert, dass alle City BKK Mitglieder problemlos eine neue Kasse finden. Laut Recherchen der Fincial Times Deutschland (FTP) werden zahlreiche ältere Menschen von einigen Krankenkassen förmlich abgewimmelt. Angeblich soll eine eigens eingerichtete Hotline der Hamburger Hanseatischen Krankenkasse (HEK) bereits am Telefon älteren Menschen den Rat erteilen, „lieber zu einer Betriebskrankenkasse“ zu gehen.
City BKK Versicherte müssen sich eine neue Kasse suchen
Zum ersten Juli 2011 wird die Betriebskasse „City BKK“ aufgrund finanzieller Nöte geschlossenen. Der Schritt wurde notwendig, weil selbst eingeleitete Strukturmaßnahmen eine drohende Insolvenz nicht mehr verhindern konnten. Der zuletzt eingeführte Zusatzbeitrag von satten 15 Euro führte zusätzlich zu einem schweren Mitgliederschwund. Bis zur endgültigen Schließung müssen sich nun alle ehemaligen Mitglieder eine neue Krankenversicherung suchen. Von Seiten der Politik wird die Schließung der Kasse begrüßt, da dies „ein folgerichtiger Schritt im Sinne des Wettbewerbs unter den Krankenkassen“ sei. Versicherte müssten sich keine Sorgen um eine weiterführende gesetzliche Krankenversicherung machen, die Kassen seien vom Gesetzgeber dazu verpflichtet, ohne Gesundheitsprüfungen neue Mitglieder aufzunehmen. Nun aber scheinen vor allem ältere und chronisch kranke City BKK Mitglieder enorme Schwierigkeiten zu haben, eine neue Kasse zu finden. Nach Berichten der FTP würden vor allem Senioren bereits bei einer Servicehotline der HEK abblitzen. Senioren wurde am Telefon der Servicehotline lau Berichten beispielsweise nahegelegt, sich doch „lieber eine neue Betriebskrankenkasse“ zu suchen, berichtet die Zeitung am Montag unter Berufung ermittelter Informationen.
Verbotene Praxis der HEK?
Was eigentlich gesetzlich verboten ist, wird anscheinend dennoch praktiziert. Auf Nachfrage, warum eine Aufnahme schwierig sei, wurden den Anfragenden mitgeteilt, die Arznei-Rabattverträge müssten angeblich zunächst überprüft werden. Wer ein Pflegefall ist, für den müsste unter Umständen "ein möglicherweise ungünstigeres neues Gutachten über die Pflegestufe" erstellt werden. Zudem würde den ratsuchenden Rentnern am Telefon mitgeteilt, dass ein Wechsel zur HEK länger dauern könne. Um die Anfragen zu bearbeiten, habe die HEK ein spezielles Servicetelefon für Mitglieder der City BKK eingerichtet, um die Anfragen zu bearbeiten. Den Anrufern sei am Ende der Gespräche systematisch ein Wechsel zu einer anderen BKK empfohlen worden, wie die Zeitung weiter berichtete.
Verbraucherschutzzentrale rät Betroffenen zur Anzeige
Die HEK wirbt selbst auf ihrer Internetseite mit dem Prädikat „sehr gut“ in Sachen Unternehmensqualität. So heißt es: „Ein HEK Kunde hat in jeder Lebenssituation die Gewissheit, dass es etwas Besonderes ist, bei der HEK versichert zu sein. Die HEK steht seit Jahrzehnten für mehr Qualität, mehr Leistung und mehr Service. Das bestätigen auch unsere erstklassigen Rating-Ergebnisse von Assekurata.“. Heißt das im Sinne des Wettbewerbs, dass verbotener weise eher ältere und kranke Menschen abgewiesen werden? Laut der FTP würde die Hamburger Verbraucherschutzzentrale die HEK schon länger aufgrund des Verdachts, Mitglieder nach Alter und Gesundheit auszusuchen, beobachten. Man habe schon öfter „gehört, dass Ältere und sehr Kranke bei dieser Kasse nicht willkommen sind", sagte der Vorsitzender für Patientenschutz, Christoph Kranich, dem Blatt. "Dieses Verhalten muss rechtlich geprüft werden – moralisch ist es auf jeden Fall nicht in Ordnung." Eine Abschreckungstaktik entspricht der Logik des künstlich herbeigeführten Wettbewerbs im Gesundheitssystem, dass auch zum Wettbewerb zwischen den Krankenkassen animiert. Die Verbraucherschützer raten deshalb Betroffenen, sich beim Bundesversicherungsamt zu beschweren. Bei einer Anzeige werde das Verfahren bei der HEK geprüft.
Mitarbeiterin der Securvita-BKK wunderte sich über Beschwerden
Die benannten Fällen seien ans Tageslicht gelangt, weil eine Mitarbeiterin der Securvita-BKK hiervon berichtete. So waren in der letzten Woche „dutzende Anrufe von City-BKK-Mitgliedern" eingegangen. Viele ältere Menschen hätten von den Schwierigkeiten erzählt. "Die alten Frauen, die bei mir anriefen, waren sehr irritiert", sagte die Kassenmitarbeiterin.
HEK weist Vorwürfe von sich
Die Hanseatischen Krankenkasse mit Sitz in Hamburg wies die Vorwürfe zurück. Weder habe man eine Servicehotline extra für City BKK Versicherte eingerichtet, noch würden Mitglieder aufgrund ihres Alters oder Gesundheitszustandes abgewiesen werden. Etwa 21 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten derzeit im Telefonservice. Aufgrund der geringen Mitarbeiterzahl hätte man keine Kapazitäten, um ein spezielles Telefonangebot für City BKK Versicherte einzurichten. Auch ein „standardisiertes Antwortverfahren“ sei ausgeschlossen. Allerdings räumt man Missverständnisse ein. "Wenn es im Einzelfall zu missverständlichen Äußerungen gekommen sein sollte, dann tut es uns leid", sagte der stellvertretende Vorsitzende der HEK, Torsten Kafka gegenüber der "FTD". Im Nachhinein könne aber nicht mehr jedes Gespräch nachvollzogen werden. Man halte sich wie alle anderen Krankenkassen auch ans Gesetz, das besagt, dass auch Versicherte der City BKK aufgenommen werden müssen. "Daran halten wir uns natürlich." betonte Kafka. (sb, gr)
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