Von einem Nervenzusammenbruch ist umgangssprachlich die Rede, wenn eine akute mentale Belastungssituation zu massiven psychischen Beschwerden führt, die sich ihrerseits zum Beispiel in Form von Wutanfällen, Weinkrämpfen, depressiven Stimmungslagen, Erschöpfungszuständen oder auch körperlichen Symptomen äußern können.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Eine eindeutige medizinische Definition des umgangssprachlichen Begriffs „Nervenzusammenbruch“ liegt nicht vor. Es handelt sich um die Reaktion auf ein traumatisierendes Ereignis, welche der Internationalen statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) zufolge am ehesten den neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen zuzuordnen ist. Hier fällt der Nervenzusammenbruch in die Kategorie der Anpassungsstörungen und umfasst Beschwerdebilder wie die akute Belastungsreaktion (kurzfristiger Nervenzusammenbruch unmittelbar nach einem Ereignis) oder die Posttraumatische Belastungsstörung (langfristige psychische oder soziale Beeinträchtigung durch traumatische Ereignisse).
Die Betroffenen sacken regelrecht in sich zusammen. Sie umhüllt eine massive Schwere. Patienten berichten von einem Gefühl der massiven Leere. Auslöser können lang anhaltende Demütigungen, Mobbing, sexuelle Übergriffe oder auch Gewalteinwirkungen sein. Häufig sind aber plötzliche Ereignisse wie Unfälle oder Todesnachrichten enger Freunde oder Verwandter ursächlich. Die Betroffenen fallen um, weinen und scheinen außer Kontrolle.
Ursachen
Traumatisierende Ereignisse, die einem Nervenzusammenbruch zugrunde liegen können, sind zum Beispiel Eindrücke eines schweren Verkehrsunfalls, einer Naturkatastrophe oder Kriegserlebnisse. Aber auch persönliche Schicksale wie eine Vergewaltigung oder Entführung sind mit derart extremen psychischen Belastungen verbunden, dass die Betroffenen oftmals einen Nervenzusammenbruch erleiden. Des Weiteren hat der Verlust besonders nahestehender Personen, wie beispielsweise der eigenen Kinder, nicht selten eine traumatisierende Wirkung. Dem Nervenzusammenbruch müssen jedoch keine entsprechenden Extremereignisse zugrunde liegen, sondern mitunter können auch vermeintlich harmlosere Erlebnisse, wie beispielsweise anhaltendes Mobbing oder Beziehungsstress, eine psychische Überlastung auslösen. Ob jemand einen Nervenzusammenbruch erleidet, ist demnach nicht nur von den durchlebten Ereignissen abhängig, sondern steht in engem Zusammenhang mit den individuellen Voraussetzungen. Hier spielen die persönlichen Bewältigungsstrategien beziehungsweise -optionen eine maßgebliche Rolle.
Symptomatik
Ein Nervenzusammenbruch kann sich durch eine Vielzahl von Symptomen äußern. Beispielsweise ist im Rahmen einer akuten Belastungsstörungen oftmals eine gewisse mentale Abwesenheit der Betroffenen zu beobachten und die Patienten neigen zu irrationalen Handlungen. Auch zeigen sie starke emotionale Schwankungen, mit einem Wechsel von intensiver Trauer, Wut, Aggression und Gleichgültigkeit. Körperliche Symptome wie übermäßiges Schwitzen, Herzrasen, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen können ebenfalls Bestandteil des Beschwerdebildes sein. Manche Betroffene beginnen in der Akutphase unkontrolliert am ganzen Körper zu zittern und verfallen in Weinkrämpfe. Auch lange nachdem das belastende Ereignis überstanden ist, können sich noch sogenannte Flashbacks zeigen, bei denen die Patienten die Situation erneut durchleben. Nicht selten versuchen Sie daher vergleichbare Situationen zu meiden, um sich nicht erneut den psychischen Belastungen auszusetzen. Hiermit sind meist erhebliche Einschränkungen im Alltag verbunden.
Leiden die Patienten an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, zeigen sich neben vielen der genannten Symptome in der Regel auch langfristige Dissoziationen (fehlende Verbindung beziehungsweise Assoziation zwischen Wahrnehmung, Gedächtnis, Sinneseindrücken etc.) und Veränderungen der Persönlichkeit. Die Betroffenen neigen zudem vermehrt zu (auto-)aggressivem Verhalten und Suizidversuchen. Ihre Fähigkeit persönliche Bindungen einzugehen, wird nachhaltig gestört und sie entwickeln nicht selten begleitende Depressionen. Eher unspezifische Beschwerden wie Albträume und Schlafstörungen zählen unter Umständen ebenfalls zu dem Beschwerdebild.
Therapie
Während ein Nervenzusammenbruch in Form der akuten Belastungsreaktion oft auch ohne weitere therapeutische Maßnahmen nach relativ kurzer Zeit (einige Stunden bis wenige Tage) wieder abklingt, bedarf die Posttraumatische Belastungsstörung in der Regel einer umfassenden Therapie, die den Betroffenen dabei hilft, die traumatischen Ereignisse zu verarbeiten. Die Psychotherapie ist hier durchaus erfolgversprechend, wobei je nach Ausmaß des Beschwerdebildes eine ambulante oder auch eine stationäre Behandlung erfolgen kann. Des Weiteren unterscheiden sich die Ansätze der Psychotherapie abhängig von der individuellen Situation der Betroffenen. Beispielweise ist bei einigen Patienten zunächst dringend eine Stabilisierung ihrer psychischen Verfassung erforderlich bevor in die Trauma-Therapie beziehungsweise die Auseinandersetzung mit den traumatischen Ereignissen eingestiegen werden kann.
Wesentlicher Bestandteil der Behandlung sind bei den Posttraumatischen Belastungsstörungen in der Regel speziell angepasste Varianten der kognitiven Verhaltenstherapie, bei denen auch die Konfrontation mit den traumatischen Erlebnissen erfolgt (Konfrontationstherapie). Darüber hinaus bestehen zahlreiche weitere unterschiedliche meist hochspezialisierte Behandlungsansätze zur Therapie der posttraumatische Belastungsstörung, die abhängig von dem individuellen Beschwerdebild zum Einsatz kommen. Begleitend werden mitunter auch Psychopharmaka wie beispielsweise Benzodiazepine (spezielle Beruhigungsmittel) eingesetzt, wobei angesichts des Nebenwirkungsrisikos und der Gefahr einer Abhängigkeit ein langfristiger Gebrauch jedoch äußerst kritisch zu bewerten ist. Zur Anwendung kommt auch die Trauma-Therapie. In dieser wird versucht Erlebtes vom Kaltspeicher in den Warmspeicher des Gehirns zu transportieren. Hierdurch wird Erlebtes neu verarbeitet.
Naturheilkunde bei einem Nervenzusammenbruch
Die Naturheilkunde bietet insbesondere zur Linderung akuter Belastungsreaktionen einige vielversprechende Ansätze, beispielsweise auf Basis beruhigender pflanzlicher Präparate (Baldrian, Hopfen) oder der Anwendung von Entspannungstechniken (Autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation). Diesen wird auch eine präventive Wirkung zugeschrieben. Fühlen sich Patienten dem Nervenzusammenbruch nahe, können sie mit Hilfe der Entspannungstechniken und der pflanzlichen Präparate eine gewisse Schutzwirkung erzielen. Auch die Homöopathie bietet mit Kalium phosphoricum eine durchaus effektive Präventionsmöglichkeit. Allerdings setzen alle diese naturheilkundlichen Vorbeugemöglichkeiten voraus, dass ein bevorstehender Nervenzusammenbruch frühzeitig erkannt wird.
Nicht selten erleiden die Betroffenen jedoch nach einem unerwarteten traumatischen Ereignis relativ plötzlich einen Nervenzusammenbruch. Hier besteht lediglich die Möglichkeit einer nachträglichen Behandlung. Welche naturheilkundlichen Verfahren hier zum Einsatz kommen, hängt stark von dem individuellen Beschwerdebild ab. Bei längerfristigen Beschwerden erfolgt häufig eine Kombination mit psychotherapeutischen Ansätzen wie der kognitiven Verhaltenstherapie. (fp)
Bild1: Gerd Altmann / pixelio.de
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Helmut Remschmidt: Kinder- und Jugendpsychiatrie: Eine praktische Einführung, Thieme, 2011
- Susanne Andreae et al.: Lexikon der Krankheiten und Untersuchungen, Thieme, 2008
- Hans-Ulrich Comberg; Jörg Barlet: Allgemeinmedizin: 39 Tabellen, Thieme, 2004
- Frank H. Mader; Herbert Weißgerber: Allgemeinmedizin und Praxis: Anleitung in Diagnostik und Therapie. Facharztprüfung Allgemeinmedizin, Glass, 2004
Wichtiger Hinweis:
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