Deutsche Atomkraftwerke sind nach Ansicht von Atomkraftgegnern nicht sicherer als japanische: Kann ein Super-GAU auch in Deutschland passieren?
16.03.2011
Zur Debatte um die Sicherheit der AKW in Deutschland erklärt Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation "Ausgestrahlt": „Um die Sicherheit in deutschen AKW ist es keineswegs besser bestellt als um die in den japanischen Reaktoren. Hier wie dort gibt es zwar mehrfache und redundante Sicherheitssysteme. Fukushima zeigt, dass sie im Zweifel trotzdem alle ausfallen.
Die AKW Isar-1, Philippsburg-1, Brunsbüttel und Krümmel sind im Prinzip baugleich mit den Reaktoren in Fukushima-Daiichi – mit dem Unterschied, dass die deutschen Reaktoren allesamt größer sind als die japanischen. Im AKW Krümmel etwa müsste die Notkühlung bei einem Störfall dreimal so viel Hitze abführen wie in Fukushima-Daiichi-1 und es könnte weit mehr radioaktives Inventar entweichen.
Die AKW in Japan waren angeblich für Erdstöße bis mindestens Stärke 7,75 auf der Richterskala ausgelegt. Stärkere Beben hielt man für undenkbar. Die Reaktoren in Deutschland sind deutlich schwächer gebaut – und halten noch nicht einmal den hier zu erwartenden Beben stand. Das AKW Biblis B etwa ist nur für die schwächere Hälfte der in Biblis zu erwartenden Erdbeben ausgelegt. Und die Reaktoren des AKW Neckarwestheim, auch der erst 1989 ans Netz gegangene Block 2, stehen auf brüchigem Kalkgestein, das 30 Prozent stärkere Erdstöße erwarten lässt, als bei der Genehmigung berücksichtigt.
In Japan brauchte es einen Tsunami, um den sogenannten station blackout, den gefährlichen Stromausfall im AKW selbst, herbeizuführen. In dessen Folge fiel dann die Kühlung aus, was die Reaktorkerne schmelzen ließ. In Deutschland braucht es keinen Tsunami – hier genügt ein simples Unwetter: Achtmal zwischen 1977 und 2004 führten Blitz oder Sturm in einem westdeutschen Atomkraftwerk zum Ausfall wichtiger Instrumente, zum gefürchteten Notstromfall oder gar, wie am 13. Januar 1977 im Atomkraftwerk Gundremmingen A, zum Totalschaden. Gerade die älteren Reaktoren stehen bei einem Unfall besonders schlecht da: ihre Kühlsysteme sind schwach, die einzelnen Stränge etwa der Notstromversorgung weder technisch noch räumlich sauber voneinander getrennt.
Den letzten Schutz vor dem Austreten radioaktiver Substanzen stellt, auch das zeigt Fukushima, der Sicherheitsbehälter dar. In Fukushima ist er aus Stahl und von Beton umgeben. Bei fast allen Reaktoren in Deutschland ist er hingegen nur aus Stahl – bei einem schweren Unfall droht er schnell zu platzen. Bei den älteren Reaktoren ist er zudem viel zu klein und seine Wände ziemlich dünn. Bei den alten Siedewasserreaktoren Isar-1, Philippsburg-1, Brunsbüttel und Krümmel ist die Bodenwanne des Sicherheitsbehälters ebenfalls nur aus Stahl. Der Reaktorkern kann sie bei einem Unfall binnen Minuten durchschmelzen. Für eine Evakuierung bliebe dann überhaupt keine Zeit.“ (pm)
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