Kindermilch hält weniger als sie verspricht
16.08.2011
Die sogenannte Kindermilch bietet gegenüber fettarmer Kuhmilch keine Vorteile und ist zudem meist erheblich überteuert. Zu diesem Ergebnis kommt die Verbraucherschutzzentrale Baden-Württemberg bei ihrer Untersuchung der als Kuhmilchersatz gehandelten, angeblich speziell auf die Bedürfnisse der Kinder angepassten Produkte.
Neben der Verbraucherschutzzentrale sieht auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in den speziellen Milchgetränken für Kleinkinder keine gesundheitlichen Vorteile. Diese seien „nicht besser als Kuhmilch“, jedoch meist deutlich teurer, so die Aussage des BfR. Die Verbraucherschutzzentrale kritisierte außerdem, dass der Begriff „Kindermilch“ irreführend sei, da die Produkte nicht als Milch, sondern als ein auf Basis von Magermilch und weiteren Zutaten wie beispielsweise Maltodextrin, pflanzlichen Ölen und Aromastoffen zusammengemischtes Pulver zu verstehen seien. Die Anreicherung mit Vitaminen und Mineralstoffe könne dabei unter Umständen sogar eine unkontrollierte Erhöhung der Nährstoffzufuhr mit sich bringen, wodurch zum Beispiel das Risiko von Übergewicht steige.
Überteuerte Kindermilch ohne gesundheitliche Vorteile
Die Verbraucherschutzzentrale Baden-Württemberg hat die von den Herstellern als besonders gesund beworbene Kindermilch genauer unter die Lupe genommen und dabei festgestellt, dass diese gegenüber fettarmer Kuhmilch keine wesentlichen Vorteile für Kleinkinder mit sich bringt. Die Eltern lassen sich zwar häufig von dem versprochenen Plus an Calcium und Vitaminen locken, doch die für Kinder ab dem zwölften Lebensmonat angebotene Kindermilch bietet tatsächlich keine gesundheitlichen Vorteile, so die Einschätzung der Verbraucherzentrale und des BfR. Dafür sind die Produkte jedoch bis zu vier Mal teurer als fettarme Kuhmilch aus dem Supermarkt, berichten die Verbraucherschützer. Im Rahmen der aktuellen Untersuchung hatte die Verbraucherschutzzentrale 21 Kindermilchprodukte von fünf unterschiedlichen Herstellerfirmen untersucht, wobei der Durchschnittspreis der Produkte bei 1,75 Euro je Liter lag. Die teuerste Kindermilch sollte sogar 2,27 Euro kosten. Bei handelsüblichen Supermarktpreisen von 0,54 Euro pro Liter Milch beziehungsweise 1,09 Euro pro Liter Bio-Milch erscheint die Kindermilch daher deutlich überteuert – zumal die Rohstoffe in der Herstellung nur einige Cents kosten, so der Standpunkt der Verbraucherzentrale. Für die Eltern bedeuten die überhöhten Preise einen jährlichen Mehraufwand im Vergleich zu fettarmer Kuhmilch von 245 Euro, erklärte die Verbraucherzentrale.
Vitamine und Mineralstoffe als Argument für Kindermilch
Der Vergleich zwischen Kuhmilch und der sogenannte Kindermilch ist laut Aussage der Verbraucherschützer jedoch ohnehin nur eingeschränkt möglich, da die Milchersatzgetränke in Pulverform vertrieben werden. Außerdem sei an dieser Stelle der Begriff „Kindermilch“ äußerst fragwürdig, da das mit Maltodextrin, pflanzlichen Ölen und anderen Zusatzstoffen angereicherte Magermilchpulver mit natürlicher Milch wenig gemein habe. Zudem würden einzelne Produkte mit einem besonders hohen Calciumgehalt beworben, enthalten jedoch tatsächlich um ein Drittel weniger Calcium als Kuhmilch, erklärten die Verbraucherschutzexperten. Das Werbeversprechen „gesünder als Kuhmilch“ werde von den Herstellern zum Beispiel mit dem geringeren Eiweißgehalt und der höheren Mengen an künstlich zugesetztem Eisen und Vitamin D begründet. Die Kindermilch sei explizit „auf die Ernährungsbedürfnisse von Kleinkindern abgestimmt“ so das Versprechen der Hersteller. Neben den beigefügten Vitaminen und Mineralstoffen, die zur optimalen geistigen Entwicklung der Kinder beitragen sollen, habe die Kindermilch auch einen im Vergleich zur Kuhmilch reduzierten Proteingehalt, der späterem Übergewicht vorbeugen soll, so ein weiteres Argument der Hersteller für die teuren Milchersatzgetränke. Diese Argumente werden von der Verbraucherschutzzentrale und dem BfR jedoch keineswegs geteilt.
Kindermilch für eine ausgewogene Ernährung nicht erforderlich
Die Kindermilch ist „aus ernährungsphysiologischer Sich nicht notwendig“, betonte der Präsident des BfR, Andreas Hensel. Die Anreicherung der Kindermilch mit Vitaminen und Mineralstoffe sei ebenfalls kritisch zu beurteilen, da diese zum Beispiel eine übermäßige Zufuhr von Eisen oder Zink bedingen könne. So bestehe das Risiko einer Überversorgung bei bestimmten Nährstoffen, während andere in deutlich geringerem Maße aufgenommen werden, als mit der Kuhmilch. In Bezug auf den reduzierten Proteingehalt erklärte das BfR, das bisher wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sei, ob eine verringerte Proteinzufuhr im Kindesalter mit einem verminderten Übergewicht-Risiko im späteren Lebensverlauf einhergehe. Insgesamt biete die Kindermilch gegenüber fettarmer Kuhmilch keine Vorteile für die Ernährung der Kinder und für eine ausgewogene Ernährung ist sie nicht erforderlich, so die Mitteilung der Verbraucherschutzzentrale. Eltern können daher nach Ansicht der Experten getrost auf die speziellen Kleinkindermilchprodukte verzichten und ihre Kinder ab dem zehnten Monat entsprechend den Empfehlungen der Ernährungsmediziner langsam an eine ausgewogenen Ernährung mit Kuhmilch als wesentlichem Bestandteil gewöhnen. (fp)
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