NRW: Grünen-Umfrage zeigt längere Wartezeiten von Kassenpatienten bei Arztterminen
29.12.2011
Die Grünen-Abgeordnete Bärbel Höhn und Patientenrecht-Expertin Maria Klein-Schmeink gaben eine Telefonumfrage in Auftrag, bei der Testanrufer in 350 Facharztpraxen in Nordrhein-Westfalen versuchten, Termine als Kassen- beziehungsweise Privatpatient zu vereinbaren. Dabei stellte sich heraus, dass Kassenpatienten durchschnittlich 23 Tage länger auf einen Termin beim Facharzt warten müssen als Privatversicherte. Andere Umfragen waren bereits im Vorfeld zu ähnlichen Ergebnissen gelangt.
Kassenpatienten warten durchschnittlich 23 Tage länger auf Facharzttermin
In Bonn müssen Kassenpatienten sogar durchschnittlich 45 Tage länger als Privatpatienten auf einen Termin warten. In Köln warten gesetzlich Versicherte 41 Tage länger und in Aachen 33. Etwas besser sieht es vergleichsweise im Ruhrgebiet aus. Laut Umfrage warten Kassenpatienten hier 18 Tage länger. Den geringsten Unterschied gibt es in Wuppertal. Kassenpatienten warten nur etwa 10 Tage länger als Privatpatienten auf einen Facharzttermin.
Bärbel Höhn, stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende, äußerte sich gegenüber der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" kritisch: „Das ist nicht fair, dass es solche Unterschiede gibt. Wenn Ärzte für einen Privatpatienten mehr als das doppelte an Honorar bekommen, gibt es einen systematischen Anreiz, diese auch zu bevorzugen.“
Bei Kardiologen warten gesetzlich Versicherte 38 Tage länger
Laut Umfrage besteht der größte Unterschied in der Wartezeit auf einen Termin bei Kardiologen. Hier warten gesetzlich Versicherte durchschnittlich 38 Tage länger als privat Versicherte. Während Privatpatienten nach etwa zwölf Tagen in NRW einen Termin erhalten, warten Kassenpatienten durchschnittlich 50 Tage. Bei Radiologen warten gesetzlich Versicherte durchschnittlich 23 Tage, bei Augenärzten 19 Tage und bei Orthopäden 12 Tage länger als Privatversicherte auf einen Termin.
Die Grünen wollen den gravierenden Unterschieden mit einer Bürgerversicherung entgegen treten. Dabei sollen dann gleiche Bedingungen für privat und gesetzlich Versicherte für die Arzthonorare gelten. Patientenrecht-Expertin Maria Klein-Schmeink erklärt: „Dann gibt es auch keinen Grund mehr für unterschiedliche Wartezeiten auf den Arzttermin.“
In Deutschland werden Kassenpatienten benachteiligt
Der Trend aus Nordrhein-Westfalen lässt sich laut aktueller Studie der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) auf ganz Deutschland übertragen. Bei der Untersuchung wurden im September 2011 2.048 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger in Deutschland nach ihren Erfahrungen beim Arzt befragt. Dabei kam heraus, dass Kassenpatienten nicht nur deutlich länger auf einen Arzttermin warten müssen, sondern auch in der Arztpraxis als „Patient zweiter Klasse“ behandelt werden. Etwa 27 Prozent der gesetzlich Versicherten warten durchschnittlich länger als eine halbe Stunde und neun Prozent sogar länger als eine Stunde bis sie in das Behandlungszimmer gebeten werden. Lediglich 14 Prozent der privat Versicherten warten länger als eine halbe stunde in der Arztpraxis. Ärzte verteidigten die Handhabung. Schließlich würden privat Versicherte ansonsten bei längeren Wartezeiten zu anderen Praxen ausweichen. "Die höheren Honorare der PKV kommen auch Kassenpatienten zugute, da das Geld u.a. für Anschaffungen verwendet wird", sagte Dr. Werner aus Hannover. (ag)
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