Schmerzmittel wie Aspirin oder Paracetamol können schwere Nebenwirkungen provozieren
23.01.2012
Etwa 3,8 Millionen Menschen schlucken jedes Jahr in Deutschland Schmerzmittel wie Aspirin oder Paracetamol. Die frei verkäuflichen Pillen ohne Pflicht auf eine ärztliche Verordnung können in der Apotheke käuflich erworben werden. Die meisten Deutschen gehen davon aus, dass die Wirkstoffe aus diesem Grund gut verträglich sind. Doch Experten warnen: Die Schmerzarzneien bergen ein hohes Risiko von unerwünschten Nebenwirkungen und fordern daher eine Rezeptpflicht oder gar ein vollständiges ein Verbot.
Kopfschmerzen, Migräne, Rückenschmerzen oder Gliederschmerzen: Immer mehr Deutsche schlucken Schmerzarzneien. Was viele nicht wissen: Schon geringe Mengen können schwere Folgen für die Gesundheit haben. So können schwere Leberschäden hervorgerufen werden. War die eingenommene Dosis zu hoch, können die Mittel gar tödlich enden. Selbst wenn die Dosierung durch den Konsumenten eingehalten wird, sind Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen. Trotzdem gehen die meisten Menschen sorglos mit den hochwirksamen Medikamenten um.
Verordnungspflicht reicht nicht aus
Der Mediziner und Arzneiexperte Professor Dr. Kay Brune von der Universität Erlangen machte kürzlich in einem Interview deutlich, dass das Mittel Paracetamol noch nicht mal per Rezept an Patienten weitergegeben dürfte und das, obwohl der enthaltene Wirkstoff seit 1977 auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der WHO steht. Laut gängiger Meinung können bei einer Überdosierung Erwachsene ab 10 Gramm Tagesdosis (Formel: 50 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht) nicht-reversible Schädigungen der Leberzellen davontragen. In schweren Fällen droht ein akutes Leberversagen. Patienten, die Alkoholkrank sind oder an einer geringeren Ausscheidung von Paracetamol leiden, können schon bei geringeren Mengen ein Leberversagen erleiden. In England werden jedes Jahr rund 30.000 Patienten aufgrund einer Paracetamol-Vergiftung in eine Klinik eingeliefert. Etwa 150 Menschen sterben jährlich an der toxischen Wirkung des Medikaments.
Vergiftungserscheinungen bei Schmerzmitteln
Erste Beschwerdebilder nach einer Vergiftung des Schmerzmittels zeigen sich in den ersten zwei Tagen nach der Einnahme. Die Vergifteten leiden zunächst an Übelkeit und Erbrechen, Gesichtsblässe, Nachlassendem Appetit und Unterleibsschmerzen als erstes Warnzeichen einer Leberschädigung. Im Blutbild zeigen sich erhöhte Leberwerte. Erfolgt keine schnelle ärztliche Therapie, so besteht in gut zehn Prozent die Möglichkeit eines bleibenden Leberschadens, woran gut 20 Prozent der Betroffenen versterben. Etwas seltener kann es auch zu einem Nierenversagen kommen.
Paracetamol würde heute nicht mehr zugelassen
„Heute würde ein Mittel wie Paracetamol nicht mehr zugelassen werden“, mahnt Brune in einem Interview mit dem Magazin FOCUS. Nicht einmal auf Rezept sollten Patienten das Mittel verabreicht bekommen. Seiner Ansicht nach können Schädigungen der Leber bereits ab vier Gramm Tagesdosis geschehen. Wird in etwa die doppelte Dosis eingenommen, kann ein Leberversagen erfolgen. Deshalb sollten Schmerzpatienten eher auf Alternativen zur Schmerzbeseitigung setzen, als Paracetamol zu verwenden. „Wir haben hier ein Medikament auf dem Markt, das bereits bei geringer Überdosierung tödlich wirkt“ sagt der Medikamenten-Spezialist Brune. „Es ist kein schöner Tod und er zieht sich über mehrere Tage hin“, mahnt er. Daher sollte das Mittel vom Markt genommen werden.
Auch Aspirin ist gefährlich
Nun gehen viele davon aus, Aspirin könne als alternatives Präparat eingenommen werden. Aber auch der Klassiker kommt bei Brune in seiner Bewertung schlecht weg. Die in Aspirin enthaltene Acetylsalicylsäure (ASS) sei nur empfehlenswert für Herzpatienten, die unter zum Beispiel einen Herzinfarkt erlitten. Zwar wirke das Mittel kurzfristig schmerzstillend aber längerfristig auch blutverdünnend, sagt der Pharmakologe. Wird ASS eingenommen, bestehe ein „unnötiges Risiko für Blutungen“. Daher werden regelmäßig operative Eingriffe in Kliniken abgesagt, wenn der Patient zuvor Aspirin einnahm. Werden hohe Dosen von mehr als 10 Gramm eingenommen, können lebensgefährliche Übersäuerungen (Azidose) mit Atemlähmungen und Bewusstlosigkeit provoziert werden. Was in der Öffentlichkeit nicht wahr genommen wird: Nebenwirkungen um ASS und Mittel wie Paracetamol oder Ibuprofen gehören in den USA zu sechzehn häufigsten Todesursachen. Da aber die Anzahl der Opfer von frei erwerbbaren Schmerzmitteln in den öffentlich zugänglichen Statistiken nicht einzeln aufgeführt wird, nehmen die Meisten von den Schmerzmittelgefahren kaum Notiz. Daher passen viele ihr Konsumverhalten nicht an und begeben sich in die Gefahr einer schweren Vergiftung.
Warnung vor kombinierten Schmerzmitteln
Experte Brune warnt in diesem Kontext eindringlich vor kombinierten Arzneien, die verschiedene Wirkstoffe miteinander vereinen. Diese seien besonders riskant für die Gesundheit, da viele Patienten leicht den Überblick darüber verlieren, welche Wirkstoffe in welchen Dosen verzehrt werden. Daher sei der Nutzen gegenüber den schädlichen Wirkungen meist geringer.
„Warum unterliegen die Schmerzmittel nicht einer schärferen Kontrolle durch die zuständigen Arznei- und Gesundheitsbehörden?“ Professor Brune berichtet: Die Wirkstoffe von Paracetamol und Aspirin unterliegen keinem Patient. Aus diesem Grund will keiner der Pharmakonzerne finanzielle Mittel in die weitere Forschung investieren. Denn von den Ergebnissen profitiert auch die konkurrierenden Hersteller, sagt der Forscher.
Wenn notwendig andere Schmerzmittel einnehmen
Müssen Schmerzmittel eingenommen werden, so empfiehlt Brune stattdessen Ibuprofen oder Deiclofenac einzunehmen. Allerdings können auch diese Mittel bei einer unsachgemäßen Einnahme zur schweren Schäden führen. Zwar sind die Schmerzmittel besser erforscht und im allgemeinen gut verträglich, doch es handelt sich auch hier um hoch-potente Mittel und keine Bonbons. So könnten die Medikamente zum Beispiel den Schutz der Gefäße zerstören, wenn die Dosis falsch eingeschätzt und eingenommen wurde.
Bei der Einnahme von Ibuprofen können Beschwerden wie Sodbrennen, Übelkeit oder Durchfall auftreten. Bei höheren Dosen und längerer Einnahme können auch Magen-Darm-Blutungen, Magengeschwüre oder eine Magenschleimhautentzündung entstehen. Schweizer Wissenschaftler haben zudem unlängst in einer Studie herausgefunden, dass bei einer regelmäßigen Einnahme das Schlaganfall-Risiko um das Dreifache erhöht wird. Der Berner Epidemiologen Peter Jüni und sein Team verglichen die Daten von 31 Studien mit insgesamt 116000 Probanden. Jüni sagte in einem Interview: Als Alternative „zu einem Schmerzmittel eigene sich Bewegung“. Der Forscher verweist dabei auf einer Reihe von wissenschaftlichen Auswertungen, die zeigten, dass sich beispielsweise Rückenschmerzen bessern, wenn Betroffene Sport treiben. Nicht schädigende Alternativen bietet auch die traditionelle chinesische Medizin in Form von Akupunktur und Naturheilverfahren. Als sinnvoll haben sich auch homöopathische Mittel gezeigt.
Giftinformationszentrum fordert Verordnungspflicht für Schmerzmittel
Das Ostdeutsche Giftinformationszentrum in Erfurt hatte unlängst vor Schmerzmitteln gewarnt und forderte in diesem Zusammenhang eine generelle Rezeptpflicht. „Jeden Tag erleben wir einen Fall von Überdosierung“, erklärte der Leiter der Einrichtung Helmut Hentschel. Der Schritt zur Verordnungspflicht sei „längst überfällig, da eine Überdosierung schwere Nebenwirkungen verursacht.“ Allein in Erfurt wurden im vergangenen Jahr 360 Vergiftungen mit Paracetamol registriert. Zwar gäbe es eine Beschränkung bei der Ausgabemenge, aber Patienten könnten einfach in die nächste Apotheke gehen und weitere Schmerzmittel kaufen. Deshalb müsse der Erwerb durch die Verordnungspflicht erschwert werden. (sb)
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Bild: Gerd Altmann, Pixelio.de
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