Kaffee ist keineswegs überproportional ungesund, wie zahlreiche Studien belegen
09.04.2012
Zu Unrecht wurde Kaffee in der Vergangenheit allgemein als ungesund und Risikofaktor für verschiedene Krankheiten eingestuft. Jüngere Studien konnten nahezu sämtliche Mythen über die gesundheitsschädliche Wirkung des Kaffees widerlegen.
Kaffee galt seit jeher als gesundheitsschädlich. Das koffeinhaltige Heißgetränk wurde als potenzieller Auslöser von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nervenleiden, Stoffwechselstörungen, Fruchtbarkeitsstörungen und sogar Krebs diffamiert. In den letzten Jahren hat jedoch eine Vielzahl von Studien die einzelnen gesundheitlichen Aspekte des Kaffeegenusses genauer untersucht und diese einem nach dem anderen widerlegt. Zuletzt kam eine umfassende Studie des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DiFE) zu dem Ergebnis, dass der Kaffeekonsum keine Erhöhung des Risikos chronischer Erkrankungen bedingt.
Mythos vom gesundheitsschädlichen Kaffee widerlegt
Damit scheint der Mythos vom gesundheitsschädlichen Kaffee endgültig widerlegt. Millionen Deutsche können weiterhin ihr Lieblingsgetränk genießen, ohne zu befürchten, dass sie damit einem Schlaganfall, Herzinfarkt, Diabetes oder Krebs Vorschub leisten. Wieso der Kaffee über die letzten Jahrhunderte in Europa einen derart schlechten Ruf bekommen hat und schwarzer Tee, trotz eines ähnlichen Koffeingehalts als unkritisch galt, ist auf Basis der heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse kaum nachzuvollziehen. Zwar enthält das Endprodukt nach einem Teeaufguss tatsächlich weniger Koffein als der herkömmliche Kaffee, doch die Konzentration des wachmachenden Alkaloids in den Teepflanze liegt oft sogar höher als bei den Kaffeebohnen. Lediglich die Bezeichnung des Wirkstoffs ist eine andere. Statt Koffein ist hier von Teein die Rede.
Kaffee mit beruhigender und gleichzeitig wachmachender Wirkung
Das Koffein einer Tasse Kaffee wirkt jedoch in der Tat deutlich schneller als bei einer Tasse Tee, da einerseits die Konzentration höher liegt und anderseits die Alkaloide beim Kaffee vom Organismus leichter verarbeitet werden können. Diese schnellere Wirkung des Koffeins hat an sich jedoch nicht zwangsweise negative gesundheitliche Folgen, sondern kann mitunter sogar einen Vorteil darstellen. Die vermeintlich wachmachende Wirkung des Kaffees ist trotz jahrzehntelanger Forschung bis heute nicht vollständig entschlüsselt. Denn das Koffein zeigt sowohl eine aktivierende als auch eine beruhigende Wirkung auf den Organismus. Einerseits wird die Ausschüttung von Neurotransmittern wie Dopamin und Adrenalin gefördert, anderseits die Atemfrequenz und der Blutdruck gesenkt. Die Förderung der Ausschüttung von Neurotransmittern erfolgt über eine Blockierung des körpereigenen Adenosins, das normalerweise die Freisetzung von Dopamin, Adrenalin und Co. hemmt. Da die Hirnbotenstoffe eine aktivierende Wirkung auf den Organismus haben, geht mit der Tasse Kaffee zeitlich versetzt ein wachmachender Effekt einher. Anderseits wird durch den Kaffeegenuss kurzfristig den Querschnitt der Blutgefäße (auch in den Atemwegen) erhöht, wodurch der Blutdruck und die Atemfrequenz sinkt und eine beruhigend Wirkung einsetzt. Erst eine Viertelstunde nach der Tasse Kaffee setzt die belebende Wirkung der Hirnbotenstoffe ein.
Kaffee ohne negative Folgen für den Flüssigkeitshaushalt
Zu den gängigsten Vorurteilen, denen der Kaffee ausgesetzt ist, zählen die vermeintlich negative Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System, die Blutfettwerte, den Flüssigkeitshaushalt und die männliche Fruchtbarkeit sowie das Risiko von Sodbrennen, Bluthochdruck, Diabetes und Krebs. Doch die Anschuldigungen erfolgen meist zu unrecht, wie zahlreiche neuere Studien belegen. So betonte beispielsweise der Ernährungsmediziner Prof. Dr. med. Olaf Adam vom Physiologikum der Ludwig-Maximilians-Universität in München im Interview mit „Welt Online“, die Sichtung der wissenschaftlichen Daten zu den Auswirkungen des Kaffees auf den Flüssigkeitshaushalt belege, dass Kaffee keineswegs ein entwässernder „Harntreiber“ sei. Dem Experten zufolge ist „Kaffee ein wichtiger Teil der täglichen Gesamt-Wasserzufuhr“ und könne „in der Flüssigkeitsbilanz in der Regel so wie jedes andere Getränk behandelt werden.“ Laut Aussage von Prof. Adam beruht „die Geschichte vom Kaffee als Flüssigkeitsräuber auf einem Irrtum, sie ist eine Mär.“ Tatsächlich fördere Kaffee gleichzeitig die Harnausscheidung und die Natriumabgabe über die Nieren, wodurch der Wasseranteil zwischen den Zellen sinkt, ohne dass Flüssigkeit aus den Zellen herausgezogen wird, erklärte der Ernährungsmediziner. Denn der sinkende Natriumgehalt führe seinerseits zu einer Verringerung des osmotischen Drucks, so dass keine Flüssigkeit durch die Zellwände wandern könne. Den Kaffeetrinkern drohe also keineswegs eine Dehydratation.
Sodbrennen, dass von vielen Menschen mit übermäßigem Kaffeekonsum assoziiert wird, geht laut Aussage holländischer Experten ebenfalls nicht auf den Kaffeegenuss, sondern höchsten auf den Zustand des Magens beim Kaffee trinken zurück. Nur auf nüchternen Magen bewirke der Kaffee einen Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre, dies gelte jedoch auch für andere Getränke wie Obstsaft oder Limonade. Wird der Kaffee mit andern Nahrungsmitteln zusammen aufgenommen – wie zum Beispiel beim Frühstück – besteht indes kein erhöhtes Sodbrennen-Risiko.
Zusammenhang zwischen Kaffeegenuss und chronischen Erkrankungen?
Die Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung haben im Rahmen der sogenannten EPIC-Studie (EPIC = European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) eine umfassende Auswertung der Krankheitsrisiken durch Kaffeegenuss vorgenommen, bei der zahlreiche chronische Erkrankungen berücksichtigt wurden. Während die meisten Studien „nur die Beziehung zwischen Kaffeegenuss und einer Erkrankungsart“ berücksichtigen, habe das „deutsche Forscherteam nun die Langzeiteffekte des Kaffeekonsums nicht nur hinsichtlich einer Erkrankung, sondern hinsichtlich mehrerer chronischer Erkrankungen gleichzeitig“ untersucht, berichtet das DiFE. Die Forscher um Prof. Dr. Heiner Boeing und Anna Flögel von der Abteilung Epidemiologie am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke nutzten für ihre Analyse die EPIC-Studie, welche als eine der größten prospektiven Studien weltweit, die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Krebs und anderen chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes untersucht. Zu den beteiligten Forschungszentren gehören in Deutschland das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ) und das DiFE.
Gesundheitliche Auswirkungen des Kaffees an knapp 50.000 Probanden untersucht
Die Forscher um Heiner Boening und Anna Flögel nutzten für ihre Auswertung der möglichen Gesundheitsrisiken durch Kaffeekonsum, die Daten von mehr als 42.600 erwachsene Frauen und Männer aus Potsdam und Heidelberg. Von den Probanden erkrankten im durchschnittlichen Nachbeobachtungszeitraum „von knapp neun Jahren erstmals 1.432 Studienteilnehmer/innen an Typ-2-Diabetes, 394 erlitten einen Herzinfarkt, 310 einen Schlaganfall und 1.801 Teilnehmer erkrankten an Krebs“, so die offizielle Mitteilung des DiFE. Eine Erhöhung des Risikos von „Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen“ sei nicht festzustellen gewesen und das Risiko für Typ-2-Diabetes habe sich bei Personen, „die täglich mehr als vier Tassen (über 600 Milliliter) koffeinhaltigen Kaffee konsumierten, im Vergleich zu Personen, die durchschnittlich weniger als eine Tasse tranken, um 23 Prozent verringert“, so das Ergebnis des deutschen Forscherteams. „Unsere Studienergebnisse decken sich mit den Resultaten aktueller prospektiver Studien aus den USA“, betonte Anna Flögel und ergänzte: „Wer Kaffee also gut verträgt und ihn gerne trinkt, sollte dies auch weiterhin tun.“ Allerdings dürfe das Resultat ihrer Untersuchung nicht als Aufforderung zum Kaffeekonsum missverstanden werden. Bisheriger Kaffee-Abstinenzler können auch weiterhin getrost auf Kaffee verzichten und es sei viel „wichtiger, darauf zu achten, ausreichend Vollkornprodukte, wenig Fleisch sowie viel Obst und Gemüse zu essen, nicht zu rauchen und sich ausreichend zu bewegen“, um das persönliche Erkrankungsrisiko gering zu halten, erläuterte Prof. Heiner Boeing.
Beeinträchtigungen der Fruchtbarkeit durch Kaffee?
In Bezug auf mögliche Beeinträchtigungen der Fruchtbarkeit beim Mann durch den Kaffeegenuss sind die wissenschaftlichen Ergebnisse bisher nicht eindeutig. So hatte im Jahr 2006 ein Team von US-Wissenschaftlern um Andrew Wyrobek von der University of California festgestellt, dass die Samenzellen durch den Kaffeekonsum nachhaltig geschädigt werden. „Schon drei Tassen Kaffee täglich können zu einer Schädigung der Spermien führen“, betonte damals der Studienleiter Andrew Wyrobek. Durch die Schädigung der Samenzellen drohen Veränderungen der Chromosomenstrukturen in den Embryos, wodurch schlimmstenfalls Missbildungen und Fehlgeburten begünstigt werden, erklärten die US-Wissenschaftler. Im Gegensatz zu den Aussagen stehen die Ergebnisse brasilianischer Forscher, die feststellten, dass die Fruchtbarkeit der Kaffeetrinker durch deren extrem bewegliche Spermien begünstigt wird. Sie empfehlen Kaffee sogar zur Therapie von Unfruchtbarkeit. Die gegensätzlichen Ergebnisse der Forscher lassen sich möglicherweise jedoch nicht auf den Kaffee, sondern auf den begleitende Lebensstil zurückführen. So erklärte auch Andrew Wyrobek, dass unter Umständen „nicht das Koffein, sondern etwas im Lebensstil der Kaffeetrinker“ für die verringerte Spermienqualität verantwortlich sei. Denn eine Studie der Harvard School of Public Health in Boston hatte ergeben, dass Kaffeetrinker generell eher zu einem ungesunden Lebensstil tendieren, als Personen die keinen Kaffee trinken. Demnach liegt der Anteil der Raucher unter den Kaffeetrinkern überproportional hoch, sie neigen vermehrt zum Alkoholkonsum und verfügen über geringere sozial Bindungen, so das Ergebnis der US-Wissenschaftler. (fp)
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Autoren- und Quelleninformationen
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