Coli-Bakterien im Erfurter Trinkwasser
11.07.2012
Bei einer Routinekontrolle wurden an der Übergabestelle des Fernwassers im Versorgungsbereich der Thüringen Wasser GmbH Darmkeime im Trinkwasser ermittelt. Die Darmbakterien können zu gefährlichen Durchfallerkrankungen führen, weshalb die Bürger der Regionen Erfurt und Sömmerda dazu aufgerufen sind, Leitungswasser vor Gebrauch mindestens fünf Minuten abzukochen. Nachdem es zu Engpässen beim Tafelwasser kam, haben mehrere Supermarktketten angekündigt, die Wasserbestände umgehend wieder aufzufüllen, um „eine ausreichende Bereitstellung zu gewährleisten.“
Darmbakterien im Trinkwasser
Wie das Gesundheitsamt Erfurt erklärte, „wurden bei routinemäßigen Qualitätskontrollen an den Übergabestellen des Fernwasser Colibakterien festgestellt.“ Daher rufen die zuständigen Gesundheitsämter dazu auf, „im gesamten Versorgungsgebiet das Trinkwasser abzukochen“. Für die Bürger der Stadt Erfurt, der Kreise Sömmerda, Gotha, Henschleben, Döllstädt und Wandersleben bedeutet dies, das Trinkwasser bis aus Widerruf nur im abgekochtem Zustand für die Zubereitung von Nahrung und Getränken zu benutzen. Dazu sollte „das Leitungswasser mindestens 5 Minuten im sprudelndem Zustand gekocht werden.“ Insgesamt 230.000 Menschen sind in der Region betroffen.
Wie das Gesundheitsamt betonte, handelt es sich beim dem erlassenen „Abkochgebot“ um eine Vorsichtsmaßnahme. Am Montag waren mehrere Proben des Trinkwassers mit Darmkeimen positiv getestet worden. Zwar war die Belastung eher gering, „für Colibakterien ist jedoch ein Nullwert im Trinkwasser vorgeschrieben", erklärte die Sprecherin der Stadtwerke. Damit das Problem in den Griff bekommen wird, hat der Wasserlieferant die Chlordosierung zur Trinkwasserdesinfektion erhöht. Dies sei in Abstimmung mit den Gesundheitsbehörden geschehen. Dadurch sollen die Bakterien abgetötet werden, so die Stadtwerke-Sprecherin. Durch diese Maßnahme kann es allerdings zu Geruchsbeeinträchtigungen des Wassers kommen.
Experte: Kein Grund zur Panik
Nach Meinung von Prof. Dr. Matthias Pletz von der Universitätsklinik Jena sollten die Keime im Leitungswasser kein Grund zur Panik sein. Die Darmbakterien seien bei allen Menschen in natürlicher Form vorhanden. Erst in hohen Konzentration können typische Durchfallerkrankungen entstehen. "Bei dem ermittelten Wert von 10 Colibakterien je 100 Milliliter müsste ein gesunder Mensch 1000 Liter trinken, um in den Bereich einer gesundheitsgefährdenden Dosis zu kommen“, erklärte der Experten für Infektiologie. Allerdings sollten Immungeschwächte und alte Menschen vorsichtig sein.
Eine Infektion mit Darmkeimen durch kontaminierte Nahrung sei in Deutschland recht gering, so Pletz. Trinkwasser aus der Wasserleitung darf laut gesetzlichen Vorgaben keine Colibakterien aufweisen, weil sie ein Indikator dafür sein können, dass andere gefährliche Darmbakterien enthalten sind. Wird das Wasser, wie von den Behörden angeraten, fünf Minuten abgekocht, bestehe kaum mehr eine Gefahr. Zudem reiche wahrscheinlich das Zusetzen von Chlor aus, um die Bakterien abzutöten, so der Mediziner.
Zum Duschen und Waschen keine Vorsichtsmaßnahme notwendig
Zum Duschen oder Baden kann das Wasser weiterhin ohne weitere Vorsicht verwendet werden, sofern das Wasser nicht getrunken wird oder auf Wunden gelangt. Das gilt auch bei der „Nutzung von Geschirrspülmaschinen oder Waschmaschinen“. Hier gebe es bei dem Wasser aus dem Trinkwassernetz keinerlei Einschränkungen. „Zu Reinigungszwecken, der Toilettenspülung, der Versorgung von Haustieren und Vieh ist kein Abkochen erforderlich.“ Wird das Wasser allerdings zum Reinigen von Lebensmittel-Behältnissen, Brettchen, Obst und Gemüse benutzt, sollte dies zuvor ebenfalls unbedingt abgekocht werden. Das gilt auch für jede Zubereitung von Nahrungsmitteln, bei dem das Wasser beispielsweise zum Abwaschen von Obst benötigt wird.
Übelkeit, Durchfall und Fieber
„Die E.Coli-Bakterien per se sind ungefährlich. Sie kommen auch in unserem Verdauungstrakt vor. Allerdings könnten sie ein Anzeichen für eine Verunreinigung sein“, erläuterte Sandra Kühn von der Thüringen-Wasser GmbH. Werden die Bakterien in höheren Dosen über die Nahrung oder Wasser zu sich genommen, können Magenkrämpfe, Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Fieber sowie Durchfall entstehen. Besondere Vorsicht gilt bei Menschen mit angeschlagener Gesundheit, älteren Menschen, Kindern und Säuglingen. Daher sollte bei der Zubereitung von Nahrungsmitteln nur gekochtes Wasser verwendet werden.
Sonder-Bürgertelefon geschaltet
Das Infotelefon des Wasserversorgers war aufgrund der zahlreichen Bürgeranfragen zeitweise stark überlastet. Aus diesem Grund hat nun auch das Gesundheitsamt Erfurt eine Infohotline eingerichtet, die unter der Nummer 0361/6554220 erreichbar ist.
Ursache noch weitestgehend unbekannt
Die genaue Ursache für die bakterielle Verunreinigung ist bislang noch nicht gefunden. Die Thüringer Fernwasserversorgung arbeitet jedoch daran, den Grund schnellstmöglich festzustellen und zu beheben. „Zur Sicherheit der Abnehmer werden in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt an allen Fernwasser-Übergabestellen, den Hochbehältern der ThüWa zusätzliche Wasserproben entnommen und untersucht“, erklärte eine Sprecherin des Gesundheitsamtes. Zusätzlich werden in Krankenhäusern, Altenheimen, Dialyse-Zentren und Kindertagesstätten weitere Wasserproben entnommen. Diese werden derzeit durch das Wasserlabor des Thüringer Landesamtes für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz untersucht. Mit ersten Erkenntnisse rechnen die Behörden am Donnerstag gegen 18.00 Uhr.
Supermärkte ordern mehr Tafelwasser
Unterdessen haben die Supermarktketten ihre Wasserbestände wieder aufgefüllt. Am Montag und Dienstag sei es zu kleineren Engpässen gekommen. „Wir wussten auch erst am Montag von der Wasserverunreinigung“, erklärte die tegut-Kette. Es werden derzeit Sonderlieferungen durchgeführt, um genügend Tafelwasser in größeren Mengen verkaufen zu können. Einige Cafés und Restaurants bieten momentan keine Kaffeeprodukte an, da die Kaffeeautomaten direkt mit dem Leitungswasser verbunden sind.
Das Gebot des Abkochens von Wasser besteht bis auf Widerruf und mindestens bis Donnerstagabend. Die Behörden werden „umgehend informieren, sobald das Wasser wieder unbehandelt und uneingeschränkt genutzt werden kann.“ Alle Bürger sind dazu aufgerufen, auch die Nachbarn über die Kontaminierung des Wassers zu informieren, damit auch diese Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. (sb)
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