Sprunghafter Anstieg der Kaiserschnitt-Geburten
17.11.2012
Immer mehr Frauen entscheiden sich bei der Geburt ihres Kindes für einen Kaiserschnitt. Obwohl bereits Studien belegen, dass die Schnittentbindung zum Teil erhebliche Risiken birgt, entscheiden sich viele Frauen für die Bauchoperation, auch wenn keine medizinische Notwendigkeit besteht Der Kaiserschnitt wird von vielen werdenden Müttern als eine „angenehme Alternative zur natürlichen Entbindung“ geradezu verklärt.
Deutliche regionale Unterschiede bei Kaiserschnitt-Quote
Drei von zehn Säuglinge in Mecklenburg-Vorpommern kommen per Schnittentbindung zur Welt. Nach Angaben der Techniker Krankenkasse (TK) lag die Quote vor gut 12 Jahren noch bei 17 Prozent. Heute sind es laut Auswertungen des Statistischen Bundesamtes bereits fast 25 Prozent.
Auffällig ist, dass es Deutschlandweit deutliche Unterschiede gibt. So beträgt der Anteil der OP-Geburten im Saarland mit 38 Prozent am Höchsten und mit 23,2 Prozent in Sachsen am Niedrigsten. Der Bundesdurchschnitt beträgt etwa 32 Prozent. In den letzten zehn Jahren nahm die Kaiserschnittrate um etwa zehn Prozent zu.
Vielfach ohne medizinische Indikation
Die deutlichen Unterschiede machen deutlich, dass ein hoher Anteil der Kaiserschnitt-Geburten nicht aufgrund medizinischer Indikationen durchgeführt wird. Vielfach äußern Frauen Ängste vor den Geburtsschmerzen oder nachträglichen gesundheitlichen Risiken. Zudem kommen sogenannte „planbare Geburten“ immer mehr in Mode, weil viele Frauen neben ihrer Mutterrolle auch eine berufliche Karriere einschlagen. Andere Eltern wünschen sich, dass die Geburt ihres Kindes an einem speziellen Tag stattfindet. So zeigte eine Studie der Techniker Kasse, dass am 11 November 2011 etwa doppelt so viele Kaiserschnitte durchgeführt wurden, als durchschnittlich an anderen Tagen.
Ein weiterer Verdacht, der sich aufdrängt, sind finanzielle Aspekte der Kliniken. Denn für eine Schnittentbindung können die Krankenhäuser mehr Geld bei der Kasse abrechnen. Allerdings konnte dieser Verdacht bis heute nicht eindeutig belegt werden.
Ein Aspekt sind in der Tat medizinische Gründe. Aber auch diese sind in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. Das durchschnittliche Alter der Mütter bei der Erstgeburt wird immer höher, die Babys immer schwerer und die Anzahl der Zwillingsgeburten steigt aufgrund künstlicher Befruchtungen rasant an. Das alles sind Gründe, warum Ärzte ebenfalls zur einer Schnittgeburt raten.
Nach Angaben der Gesundheitswissenschaftlerin Petra Kolip von der Universität Bielefeld liege der Anteil bei tatsächlichen medizinischen Gründe nur bei zehn Prozent. Hinzukommend wird Frauen, die bereits eine Kaiserschnitt-Entbindung durchführen ließen, geraten, bei der nächsten Geburt ebenfalls eine Schnittentbindung unternehmen zu lassen. Denn in solchen Fällen raten die meisten Frauenärzte generell zu einer Wiederholung. Es könne nämlich sein, dass Narben während des Geburtsvorganges aufplatzen und Kind und Mutter akut gefährden. Allerdings treten derlei Komplikationen extrem selten auf. „Auch wenn bei einer vorhergehenden Schwangerschaft ein Kaiserschnitt notwendig war, kann eine Frau bei einer weiteren Schwangerschaft natürlich entbinden“. Mediziner raten zum wiederholten Kaiserschnitt, wenn die Gebärmutter wegen früherer Operationen einreißen könnte, zum Beispiel bei einem Längsschnitt bei einem früheren Kaiserschnitt oder wenn Myome großflächig entfernt wurden. Auch wenn vor der Geburt die gleichen Komplikationen auftreten, wie bei der Erstgeburt, raten Ärzte zur erneuten Schnittgeburt. Aus diesem Grund empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie zunächst eine vaginale Geburt trotz vorangegangenen Kaiserschnitt zu probieren.
Zum Teil schwerwiegende Folgen für Mutter und Kind
Viele Frauen wissen nur wenig über die Folgen eines Kaiserschnitts. Zwar ist es dem medizinischen Fortschritt geschuldet, dass immer seltener unmittelbar Komplikationen eintreten, allerdings treten vielen Nebenerscheinungen erst sehr viel später auf. Kolip kritisiert daher, dass Ärzte häufig nur unzureichend aufklären, weshalb viele Eltern meinen, einen Kaiserschnitt gegenüber einer vaginalen Geburt vorzuziehen.
Neben den Wundschmerzen besteht schon bei der normalen Geburt ein erhöhtes Risiko für Thrombosen oder Lungenembolien. Ein Kaiserschnitt erhöht dieses Risiko noch einmal um ein vielfaches.
In letzter Zeit zeigten Studien, dass der Kaiserschnitt auch für Kinder erhebliche Nachteile bringen kann. So zeigten Datenauswertungen, dass Kaiserschnittkinder einem erhöhten Risiko unterliegen, später an Typ-1-Diabetes, Asthma, Allergien und Weizenunverträglichkeit zu erkranken. (sb)
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Bild: JMG / pixelio.de
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