Kinder-Cerealien: Zuckerbomben statt gesundem Frühstück in Frühstücksflocken
18.12.2012
Frühstücksflocken – gerade bei Kindern sind die so genannten „Cerealien“ sehr beliebt und daher häufig fester Bestandteil des Familien-Frühstücks. Doch so gesund und reichhaltig diese auf den ersten Blick scheinen mögen, bei der Auswahl der „richtigen“ Flocken für die Kleinsten sollten Eltern genauer hinsehen. Denn wie der Marktcheck der Verbraucherorganisation foodwatch aus Berlin ermittelte, enthalten speziell an Kinder adressierte Produkte in den meisten Fällen fast die doppelte Menge an Zucker im Vergleich zu Cerealien, die für erwachsene Konsumenten vermarktet werden.
Verbraucherorganisation foodwatch nimmt 180 Produkte unter die Lupe
foodwatch hatte für diesen Check 180 Produkte von insgesamt sieben Anbietern für Kinder und Erwachsene untersucht, dabei waren die großen, konventionellen Hersteller Nestlé, Kellogg’s, Kölln und Wurzener, ebenso wie das Bio-Unternehmen Dennree und die beiden Discounter Lidl und Aldi (Nord).
Der Test brachte Erstaunliches und zugleich Erschreckendes zu Tage: In allen Kinder-Produkten war deutlich mehr Zucker enthalten als in den Erwachsenenprodukten.Während die Produkte für erwachsene Konsumenten im Mittel 20 Gramm Zucker pro 100 g enthielten, fanden sich in den Cerealien für Kinder sogar 30g pro 100g Produkt.
Eltern werden von der Industrie hinters Licht geführt
Dieses Ergebnis überrascht und steht im Prinzip im krassen Gegensatz zu dem, was die Hersteller den Eltern durch Werbung suggerieren. Denn "bei Kinderlebensmitteln geben sich Hersteller besonders verantwortungsbewusst", so Anne Markwardt, Lebensmittelexpertin bei der Verbraucherorganisation. Durch den Zusatz von Vitaminen und die Verwendung von Vollkorngetreide werden vermeintlich gesunde Produkte präsentiert und so den „Eltern und Großeltern […] vorgegaukelt, die Zuckerbomben im Müsli-Look seien ein ausgewogenes Frühstück.“ kritisiert Markwardt.
"Die Industrie geht verantwortungslos mit der Gesundheit der Kinder um", so die foodwatch-Expertin weiter, statt den Kindern tatsächlich ein gesundes Frühstück zu bieten, würden die Hersteller einen anderen Weg wählen – einer, der mehr Erfolg zu versprechen scheint: "Mehr Zucker rein und auf die Packung bunte Comicfiguren und Gewinnspiele – so fixen die Hersteller schon kleine Kinder auf ihre Zuckerflocken an."
Die ersten Lebensjahre entscheiden über den Geschmack
Denn der Geschmack wird tatsächlich in erster Linie in den ersten Lebensjahren geprägt. Wer bereits früh viel Zucker zu sich genommen hat, der ist den süßen Geschmack von Speisen und Getränken im weiteren Leben einfach gewöhnt – und möchte in vielen Fällen auch ungern darauf verzichten. Und das birgt natürlich Risiken: Nicht ohne Grund ist Fettleibigkeit mittlerweile zu einem der größten gesundheitlichen Probleme weltweit geworden – gerade bei Kindern würden die Zahlen hier stetig steigen: bereits 15 Prozent der Kinder würden der Verbraucherorganisation nach hierzulande als zu dick gelten, 6 Prozent sogar als fettleibig (adipös).
Mehr Profit durch gezuckerte Kinder-Lebensmittel
Doch mit gesundheitsfördernden Lebensmitteln lässt sich eben weniger Geld verdienen. Für die Industrie seien gezuckerte Frühstücksflocken ein lukratives Geschäft, so foodwatch, denn die Margen seien hier deutlich höher als bei Obst und Gemüse.
Aldi und Nestlé ganz groß im (Zucker-)Geschäft
Das mit zuckerhaltigen Produkten für Kinder mehr Geld zu verdienen ist als mit gesunden Lebensmitteln scheinen dem Test nach besonders der traditionelle Hersteller Nestlé und Aldi für sich entdeckt zu haben: So finden sich in den Produkten des Discounters für Kinder im Mittel 35 Gramm Zucker pro hundert Gramm, in denen für Erwachsene hingegen „nur“ 20 Gramm. Bei Nestlé enthalten die Kinderprodukte im Mittel 32 Gramm Zucker pro hundert Gramm, gegenüber 17 Gramm bei den Erwachsenen. "Wer glaubt, das wären bereits große Mengen Zucker in den vermeintlich gesunden Frühstücksflocken, der irrt: Als Zucker-Spitzenreiter konnte der Test die Honey Bees von Wurzener ausmachen, die mit 48 Gramm Zucker pro hundert Gramm Flocken eine richtige Zuckerbombe darstellen."
Protestaktion gegen Nestlé
So ein Check hinterlässt Spuren – und das bekommt derzeit besonders der größte Nahrungsmittelkonzern der Welt, Nestlé, zu spüren: In einer E-Mail-Protestaktion, die auf der Homepage von foodwatch läuft, haben bereits mehr als 30.000 Verbraucher Änderungen der Rezepte gefordert. Und damit bereits einen kleinen Erfolg verbuchen können: So kündigte Nestlé laut foodwatch an, den Zuckergehalt seiner in Deutschland an Kinder vermarkteten Flocken ab 2013 senken zu wollen – auf maximal 28 Prozent.
Unrealistische Vorhaben seitens der Industrie
Für foodwatch sind dies allerdings nur leere Versprechungen – denn 28 Prozent Zuckeranteil entspräche immer noch dem Zuckergehalt vieler Kuchen und Torten, so die Kritik. Zudem habe Nestlé erst in diesem Jahr ein neues Produkt auf den Markt, das wieder einen immens hohen Zuckeranteil habe, nämlich 34%, versteckt in den „Kosmostars“.
Daher gibt es für die foodwatch-Expertin für Kinderlebensmittel Anne Markwardt nur eine Lösung für das Problem mit den überzuckerten Cerealien: „Wir brauchen endlich eine gesetzliche Zuckergrenze: Nur noch solche Frühstücksflocken, die maximal 10 Prozent Zucker enthalten, dürfen an Kinder vermarktet werden.“ (sb)
Lesen Sie auch:
Joghurt, Sesam- und Reiskleie-Öl senken Blutdruck
Foodwatch: Viel Zucker in Kinder-Frühstücksflocken
Schulkinder: Mehr Leistung durch Frühstück
Strukturierter Tagesablauf schützt vor Übergewicht
Mehr Konzentration durch gesundes Frühstück
Viele Kinder gehen ohne Frühstück zur Schule
Jedes dritte Kind frühstückt nicht
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.