Erkrankungen der Herzkranzgefäße häufig Folge von Diabetes
02.01.2013
Bei den meisten Diabetikern kommt es im Laufe der Jahre zu Folgeschäden durch den chronisch erhöhten Blutzuckerspiegel. Häufig kommt es zu Erkrankungen der Herzkranzgefäße – weshalb immer wieder die Frage diskutiert und in neuen Forschungs-Projekten untersucht wird, was für die Behandlung von Diabetes-Patienten sinnvoller ist: Die Bypassoperation oder das Einsetzen eines so genannten „Stents“, eines medizinischen Implantats, welches in die verengten Gefäße eingebracht wird, um diese offen zu halten.
Neue internationale Studie zeigt: Ein Bypass ist die sinnvollste Behandlung
Diese Frage scheint nun durch eine aktuelle internationale Studie geklärt, denn die Anfang November 2012 im "New England Journal of Medicine" veröffentlichten Ergebnisse der Langzeituntersuchung zeigen deutlich: Patienten, die unter mehrfach verengten Herzkranzgefäßen leiden, sollten sich eher einer Bypass-Operation unterziehen als sich einen Stent legen zu lassen. Denn der Studie nach traten bei den Diabetikern, die einen Bypass erhalten hatten, innerhalb von fünf Jahren weniger Todesfälle und Herzinfarkte auf als bei denen, die eine Gefäßstütze erhalten hatten.
Teilnehmer der Studie: 1900 Diabetiker weltweit
An der Studie hatten von 2005 bis 2010 insgesamt 1900 Diabetiker aus weltweit 140 Kliniken teilgenommen, darunter Behandlungszentren aus den USA, Kanada, Brasilien, Indien, Frankreich und Spanien. Die untersuchten Patienten, 71 % Männer und 29% Frauen, waren im Durchschnitt 63 Jahre alt und litten alle unter mehrfach verengten Herzkranzgefäßen, bei 83% der Probanden waren die Gefäße an drei Passagen verengt. Es wurden zwei Gruppen gebildet: Der einen wurden Bypässe gelegt, um die verstopften Herzkranzgefäße zu überbrücken, bei der anderen Gruppe wurden hingegen mittels eines Katheters mit Medikamenten beschichtete Stents in die verengten Gefäße eingebracht, um diese zu weiten und durch die Freisetzung kleiner Medikamenten-Mengen einen erneuten Verschluss zu verhindern.
Mit Bypass: Deutlich weniger Todesfälle und Herzinfarkte, etwas mehr Schlaganfälle
Nach den Eingriffen folgte ein Beobachtungszeitraum von fünf Jahren, nach dessen Ablauf die Mediziner ein klares Ergebnis vorliegen hatten: Während in der Gruppe der Bypass-Patienten innerhalb der fünf Jahre 10,9 Prozent der Betroffenen verstorben waren, lag der Anteil der Verstorbenen in der Gruppe derjenigen, die einen Stent erhalten hatten, bei 16,3 Prozent. Auch die Anzahl der Herzinfarkte lag in der Stent-Gruppe deutlich höher: So waren hier 13,6 der Patienten betroffen, wohingegen der Anteil in der Bypass-Gruppe bei nur 6 Prozent lag.
Genau gegensätzlich verhielt es sich jedoch bei der Anzahl der Schlaganfälle: Hier hatten von den Patienten mit implantiertem Stent innerhalb von fünf Jahren nur 2,4 % einen Schlaganfall erlitten, während der Anteil bei den Bypass-Patienten bei 5,2 % lag.
Veränderungen der Gefäße treten bei Diabetikern früher auf
Die positiven Ergebnisse innerhalb der Bypass-Gruppe hätten laut Professor Friedrich-Christian Rieß, Chairman des Albertinen-Herz- und Gefäßzentrums Hamburg und Chefarzt der Herzchirurgie, mehrere Gründe: Zum einen sei der Durchmesser der Herzkranzgefäße bei Diabetikern oft kleiner als bei Menschen ohne Diabetes. Zum anderen würden gerade bei Diabetes-Patienten Gefäßveränderungen im Sinne einer Arteriosklerose, auch bekannt als „Arterienverkalkung“ bzw. „Arterienverhärtung“ deutlich früher auftreten als bei Nicht-Diabetikern. Denn die Gefäße würden sich dem Professor nach beim Diabetiker sehr viel schneller verändern, zudem seien diese Veränderungen diffuser: „Das heißt, es kommt nicht nur an den Abgängen der Arterien zu Engstellen, sondern sie ziehen sich oft durch das ganze Gefäß bis in die Spitze. Das bedeutet aber auch, dass es sich oft um langstreckige Verengungen handelt. Und je länger die Strecke ist, die oftmals mit Stents versorgt werden muss, umso größer ist das Risiko, dass es hier erneut zu Einengungen kommt", so der Mediziner.
Studienergebnis auch für Herzspezialisten des UKE eindeutig
Auch für die Herz-Spezialisten der Klinik für Allgemeine und Interventionelle Kardiologie am Universitären Herzzentrum des Universitätsklinikums Eppendorf ist das Ergebnis der Studie klar: "Sie bestätigt unsere bisherige Vorgehensweise. Auch am UKE ist die Bypassoperation bei Diabetikern mit Erkrankungen von mehreren Herzkranzgefäßen die Therapie der ersten Wahl", so der Direktor der Klinik Prof. Stefan Blankenberg.
Schlaganfallrate könnte durch schonende OP-Techniken verringert werden
Auch die etwas erhöhte Anzahl der Schlaganfälle nach einer Bypass-OP ließe sich laut Professor Rieß weiter senken – durch schonendere Operationstechniken. Denn hierzulande würde – ähnlich wie in den USA – noch häufig mit der Herz-Lungen-Maschine operiert und für die Bypässe teilweise Venen verwendet, die in die Hauptschlagader eingepflanzt werden würden. Diese Vorgehensweisen würden dem Professor nach allerdings Risiken bergen, denn aus der Wand der Hauptschlagader könnten sich Verkalkungen lösen, welche über den Blutstrom ins Gehirn gelangen und dort einen Schlaganfall auslösen könnten.
Alternative Methode für den Bypass: Verwendung der Brustbeinarterien
Aus diesem Grund würde nach Professor Rieß im Albertinen-Herz- und Gefäßzentrums Hamburg in den meisten Fällen eine Methode angewandt, bei der die Hauptschlagader gar nicht berührt werde. Stattdessen würde ein anderer Weg gewählt: "Wir operieren die Patienten am schlagenden Herzen ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine und verwenden für den Bypass die Brustbeinarterien, die an die Herzkranzgefäße angeschlossen werden." Durch dieses Vorgehen könne laut Rieß ein Schlaganfall nahezu ausgeschlossen werden – denn in den Brustbeinarterien käme es aus bisher ungeklärten Gründen nie zu Ablagerungen durch Arteriosklerose, wodurch wiederum lediglich ein minimales Risiko eines erneuten Gefäßverschlusses bestehe. Anders würde sich dies dem Professor nach bei der Verwendung venöser Gefäße, denn "werden diese zum Teil des arteriellen Systems, beginnen sie, sich gegen den für sie ungewohnt hohen Blutdruck durch Umbauten ihrer Gefäßwand zu wappnen. Dadurch steigt aber das Risiko, dass es dort zu neuen Einengungen kommt". Hier hätte laut Rieß auch eine Studie gezeigt, dass nur knapp zwei Drittel der venösen Bypässe nach zehn Jahren noch offen waren.
Deutsche Diabetes Gesellschaft fordert stärkere Aufklärung
Aus Sicht der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) besteht nun angesichts der Studienergebnisse dringender Handlungsbedarf: „Beratung und Behandlung von herzkranken Menschen mit Diabetes müssen sich verbessern“, so Professor Dr. med. Stephan Matthaei, Präsident der DDG. Es sei dringend erforderlich, dass Ärzte ihre Patienten vor einer Katheteruntersuchung über den Überlebensvorteil der Bypass-Operation aufklären, denn nur so könnten herzkranke Diabetespatienten eine informierte Entscheidung treffen.
Dieser Meinung ist auch Professor Dr. med. Andreas Fritsche, Pressesprecher der Deutschen Diabetes Gesellschaft aus Tübingen: „Herzkranke Diabetespatienten sollten dies bereits vor einer geplanten Katheteruntersuchung erfahren, damit sie eine informierte Entscheidung für Bypass oder Stent treffen können“. Denn nur auf diesem Wege sei sichergestellt, dass der Patient genug Zeit habe, „seine Therapieentscheidung mit seiner Familie, dem behandelnden Herzteam und seinem Diabetologen gründlich zu besprechen.“ Denn angesichts der Studienergebnisse müsse dem Mediziner nach davon ausgegangen werden, dass viele herzkranke Diabetespatienten derzeit nicht richtig behandelt werden würden. (sb)
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