Wahltarife der gesetzlichen Krankenkassen sollen faktisch abgeschafft werden
11.03.2013
Die goldenen Zeiten der privaten Krankenversicherungen scheinen vorbei zu sein. Viele Versicherte glauben den Versprechungen der Branche nicht mehr. Denn wer alt und krank wird muss übermäßig viel zahlen, während Jung- und Neuversicherte mit niedrigen Beiträge gesegnet sind. Um den angeschlagenen Privatkassen unter die Arme zu greifen, will der FDP Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr das Wahltarifangebot der gesetzlichen Krankenversicherung stark beschneiden. Besonders Gutverdienende sollen mit der Gesetzesänderung zu einem Wechsel in die PKV animiert werden. Die Opposition hingegen beschimpft den Gesetzesentwurf als „Klientel-Politik zugunsten der Privaten Krankenversicherung“.
Die geschäftlichen Bestrebungen der gesetzlichen Krankenkassen sollen nach dem Willen des Gesundheitsministers Daniel Bahr laut eines Berichtes der „Berliner Zeitung“ deutlich beschnitten werden. So ist unter anderem geplant, die Angebot von Wahltarifen stark einzuschränken. Den Kassen sollen zunehmend erschwert werden, Wahltarifangebote ihren Versicherten zu unterbreiten, wie die Zeitung in ihrer heute erscheinenden Ausgabe unter Berufung interner Kreise berichtet.
Seit dem Jahre 2007 haben gesetzliche Krankenkassen die Möglichkeit, ihren Kunden verschiedene Gesundheitsleistungen mit unterschiedlichen Wahltarifen anzubieten. Diese Tarife werden nach Informationen der Krankenkassen von rund neun Millionen Kassenpatienten in Anspruch genommen. Diese Tarife sind teilweise dem Angebot der Privatversicherer ähnlich.
Gutverdienende sollen in die Privatkassen wechseln
Zielgruppe der Wahltarife sind vor allem Versicherte, die über ein sehr gutes Einkommen verfügen. Mit diesen Tarifen sollen sie davon abgehalten werden, von der GKV in die PKV zu wechseln. Daher sind diese Wahltarife den Versicherungskonzernen schon lange ein Dorn im Auge, weshalb seit langem seitens der PKV immer wieder versucht wurde, die Bundesregierung zu Gesetzesänderungen anzuhalten. „Die Wahltarifangebote sollen abgeschafft werden“, lautet die eindeutige Forderung der PKV.
Doch ganz verbieten will das Bundesgesundheitsministerium die Wahltarife nicht. Vielmehr sollen diese durch eine Gesetzesänderung für die Kassen sehr teuer werden, dass es sich künftig nicht mehr lohnt, diese überhaupt anzubieten. „Die Folge wäre, dass die Krankenkassen die Wahltarife einstellen würden“, sagt Thomas Meyer, Versicherungsexperte aus Hannover. Dann würde nach Ansicht Meyers die PKV in die Offensive gehen und Wahltarife stark bewerben. Das Hauptziel sei aber dann, „nicht nur die Zusatztarife anzubieten, sondern Neukunden in die PKV zu locken, die über ein gutes Einkommen verfügen“.
Die Zusatzversicherungen der PKV boomen
Die Zahl der Zusatzversicherungen in der PKV stieg 2011 um rund 500.000 Neuversicherungen auf 22,5 Millionen. Einen besonders starken Wachstum gab es wie in den Jahren zuvor bei den Pflegezusatzversicherungen zu verzeichnen. Hier stieg die Zahl um 10,6 Prozent auf 1,88 Millionen. In den letzten 5 Jahren hat sich die Zahl aller privaten Zusatzversicherungen um vier Millionen bzw. um rund ein Fünftel erhöht. Bis Mitte 2012 verzeichnete die PKV bei den Zusatztarifen einen Zuwachs um 86.300. „Durch die Einführung der sogenannten Unisex-Tarifen wurden die Geschäftserwartungen der Branche etwas gedämpft“, wie der Verband erklärte. Viele Kunden warten erst einmal die Entwicklung der Tarife ab. Dennoch zeigen die Zahlen, dass die Branche wächst und eigentlich keine Neugesetze benötigt, um weiter zu wachsen.
Opposition gegen den Gesetzentwurf
Die Opposition kritisierte die Pläne des Gesundheitsministerium stark. „Die Wahltarife der Kassen sollen durch die Hintertür ausgetrocknet werden“, sagte der SPD-Gesundheitspolitiker Dr. Karl Lauterbach der Zeitung in Berlin. Bundesgesundheitsminister Bahr begehe „eindeutig Klientel-Politik für die Private Krankenversicherung“, so der Politiker und Medzinier.
Halteeffekte bei der Finanzierung der Wahltarife sollen verboten werden
Minister Bahr will per Gesetz verbieten, dass „sogenannte Halteeffekte bei der Finanzierung der Wahltarife berücksichtigt werden“. Kassen können nämlich Beiträge von Versicherten ein-berechnen, die von einem Wechsel in die PKV abgehalten wurden. Bis zu 90 Prozent der Kosten eines Tarifs können laut Zeitung über diesen Effekt eingerechnet werden. Der Gesetzentwurf sieht nunmehr vor, dass diese Tarife bis Ende 2014 wieder umgestellt werden. Aus dem Ministerium war zu hören, dass „ein europarechtliches Verbot der Quersubventionen hierfür verantwortlich“ ist.
Die Krankenkassen wettern schon jetzt gegen Bahrs Pläne. „Wird der Halteeffekt nicht berücksichtigt, verlieren wir gutverdienende Mitglieder an die Privatversicherungen“ prognostiziert der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas. Die Wahltarife würden das Angebot der gesetzlichen Krankenversicherung deutlich attraktiver machen. Es ist ein Mittel, um Besserverdiener im solidarischen System zu halten. (sb)
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