80 Prozent der Schüler leiden unter Kopfschmerzen. Weitere 50 Prozent beklagen Rückenschmerzen oder Nackenprobleme. Die Schüler haben immer weniger unverplante Zeit, die Sucht nach Schmerzmitteln nimmt zu.
Unsere Gesellschaft fordert vor allem von jungen Menschen immer mehr Leistungen ab und das macht sich deutlich in der Gesundheit der Kinder bemerkbar. Bei einer Befragung unter Schülern von Gymnasien zeichnet sich ein düsteres Bild ab. Von etwa 1200 Schülern in München berichten 80 Prozent, sie leiden regelmäßig über Kopfschmerzen. Weitere 50 Prozent berichten zudem, sie leiden beispielsweise über Rückenschmerzen oder Nackenverspannungen. In diesem Zusammenhang sind auch diese Zahlen wichtig: Rund 50 Prozent der Münchner Gymnasiasten gaben an, sich im Alltag überfordert zu fühlen.
Diese erschreckenden Zahlen wurden durch Prof. Andreas Straube auf einer Pressekonferenz am Mittwoch zum Deutschen Schmerzkongress in Mannheim vorgestellt. In diesem Kontext warnte Prof. Christoph Maier davor, junge Patienten mit chronischen Schmerzen könnten abhängig von Medikamenten werden, weil sie falsche Mittel zur Schmerztherapie verabreicht bekommen.
Etwa ein Viertel der befragten Schüler gaben an, dass sie unter sozialen Stress leiden. Auch Stress könne Schmerzen verursachen, wie Straube betont. Weitere zehn Prozent der Befragten beklagten, dass sie am Tag weniger als eine Stunde unverplanter Zeit zur Verfügung hätten. Bei rund 50 Prozent der Schüler waren es je zwei Stunden ohne anstehende Termine oder Aufgaben. Das zeigt, dass sich die Verdichtung von Zeit und Aufgaben nicht nur bei den Erwachsenen bemerkbar mache. Angesichts dieser Zahlen kritisierte Professor Straube, die „Verdichtung und Beschleunigung des Lebens“. Man müsse sich fragen, ob das auf Dauer uns allen zuträglich ist und nicht zu zunehmenden Problemen führt“, so der Experte für Schmerzen.
Als effektiven Ausgleich empfiehlt der Mediziner ausreichende körperliche Bewegung. Denn wer sich mehr aktiv bewegt, habe auch weniger Schmerzen. Als Beispiel nannte Straube die Möglichkeit, in Ganztagsschulen 20 bis 30 Minuten aktives Laufen anzubieten. Auch Entspannungstechniken und Übungen könnten von den Schulen vermittelt werden. Kinder und Jugendliche benötigen zudem genügend Zeit für sich, um „eben auch mal abspannen“ zu können. „Ich glaube, da ist einfach ein ganz großes Umdenken erforderlich“, so Straube.
Die Diplom Sozialpädagogin und Trauma-Expertin Gritli Bertram machte in diesem Kontext gegenüber Heilpraxisnet.de darauf aufmerksam, dass eine freie Einteilung von Zeit unabdingbar für eine gesunde Entwicklung des Kindes ist. „Ist die Zeit der jungen Menschen verplant, fehlt auch Zeit für Entspannung und Kreativität“. Das hat nicht nur schwerwiegende Folgen für die Gesundheit, sondern auch für die soziale Integrität. „Es bleibt oft nur noch Zeit für soziale Netzwerke im Internet, persönliche Treffen und das Pflegen von sozialen Kontakten treten aufgrund von Zeitmangel immer mehr in den Hintergrund“, so die Pädagogin. "Das wird für unsere Gesellschaft fatale Folgen haben, weil die Menschen verlernen, miteinander auf persönlicher Ebene in Kontakt zu treten. Soziale Phobien könnten zunehmen."
Im gleichem Atemzug steige auch die Anzahl der Patienten, die von Schmerzmitteln abhängig sind. Es zeige eben auch, dass die Menschen mit einer gravierenden Fehlversorgung konfrontiert werden, so Straube auf dem Schmerzkongress. Es zeige sich, dass immer mehr Ärzte gutwillig oder unwissend starke Schmerzmittel verschreiben, obwohl eine psychosomatische Erkrankung vorliegt. So steige die Gefahr von Arzneimittelabhängigkeit und Sucht. In den USA könne man diesen Trend sehr gut beobachten: Dort sind laut umfangreichen Studienergebnissen rund 40 Prozent der süchtigen Menschen über eine „legale“ Arzneimittelabhängigkeit in die Sucht geraten.
Auf dem Schmerzkongress 2010 werden auch neue Studienergebnisse vorgestellt. Eine Untersuchung der Vestischen Kinder- und Jugendklinik in Datteln fand heraus, dass in etwa die Hälfte aller Kinder die bereits länger als zwei Jahre unter Diabetes Typ I leiden, verborgene Nervenschäden haben. Die Nervenschäden konnten anhand einer neuen Messmethode erkennbar gemacht werden, berichtete Dr. Markus Blankenburg von der Kinderklinik. Schmerzen bei Patienten, die aufgrund einer frühkindlichen Hirnschädigung eine Spastik haben, werden nicht durch Muskelverspannungen ausgelöst, sondern durch die Nervenschäden selbst. Nach Angaben der Experten könnten diese neue Erkenntnisse zu Fortschritten in der Behandlungen der Schmerzpatienten führen. (sb, 07.10.2010)
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