Lichtverschmutzung in Städten irritiert den Biorhythmus von Vögeln
14.02.2013
Lichtverschmutzung beziehungsweise die städtische Beleuchtung während der Nacht beeinflusst den Biorhythmus und die Paarungsbereitschaft von Vögeln. „Schon seit längerem wird vermutet, dass das nächtliche Kunstlicht der Städte Pflanzen, Tiere und Menschen beeinflussen kann“, berichtet das Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell am Bodensee. Bislang seien jedoch nur wenige „Studien, die diesen Einfluss direkt testen“, durchgeführt worden. Daher haben die Ornithologen des Max-Planck-Instituts nun in einer umfassenden Untersuchung überprüft, „wie sich die nächtliche Stadtbeleuchtung auf Amseln () auswirkt.“
Durch künstliches Licht von Straßenlaternen, Ampeln, Leuchtwerbung und Wohnungsbeleuchtungen werden die Nächte in Deutschland seit Jahren immer heller. Hierdurch könnte der Rhythmus bei Pflanzen, Menschen und Tieren empfindlich gestört werden, so die vielfach geäußerte Sorge. Die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Ornithologie haben diese Bedenken nun in einer Untersuchung an Amseln überprüft. Sie stellten fest, dass Vögel, „die nachts geringen Lichtstärken, vergleichbar mit Lichtintensitäten in Städten, ausgesetzt sind“, früher im Jahr die Fortpflanzungsbereitschaft erreichen, früher anfangen zu singen und sich früher mausern. Welche Folgen diese maßgeblichen Umstellungen der tageszeitlichen und jahreszeitlichen Rhythmen für die zukünftige Amselpopulation haben, konnte die Wissenschaftler jedoch nicht sagen.
Für „viele Tiere ist die jahreszeitliche Veränderung der Tageslänge eines der wichtigsten Umweltsignale für die Steuerung tageszeitlicher (zum Beispiel Schlaf-Wach-Zyklen) und saisonaler Rhythmen (zum Beispiel Brutzeit)“, berichten die Ornithologen des Max-Planck-Instituts in Radolfzell. Dieser Effekt werde beispielsweise in Legebatterien ausgenutzt, wo „die Eiproduktion durch Veränderung der Tageslänge mit Hilfe von künstlicher Beleuchtung“ gesteigert wird. Auch Tiere in Städten erfahren durch das Kunstlicht teilweise extreme Lichtverhältnisse. Hier sind Folgen für den Biorhythmus eine logische Folge, doch waren diese bislang nur unzureichend wissenschaftlich untersucht. Die Experten des Max-Planck-Instituts für Ornithologie haben daher in ihrer Studie überprüft, „welchen Einfluss das künstliche Licht auf die tages- und jahreszeitliche Organisation dieser Stadttiere“ hat.
Nächtliche Beleuchtung bewirkt erhebliche Veränderungen des Biorhythmus
Zunächst ermittelten die Wissenschaftler, welcher Lichtintensität die Amseln während der Nacht tatsächlich ausgesetzt sind. Das Forscherteam um Jesko Partecke vom Max-Planck-Institut für Ornithologie fing mehrere Stadtamseln und stattete sie mit Lichtsensoren aus, die feststellen konnten, „welchen Beleuchtungsstärken die Vögel durchschnittlich in der Nacht ausgesetzt waren“, berichtet das Institut. Dabei ergab sich laut Angaben des Studienleiters, dass „die Intensitäten mit 0,2 Lux sehr gering waren – nur ein Dreißigstel dessen, was eine typische Straßenlampe ausstrahlt.“ Die Forscher setzten anschließend „gefangene Stadt- und Waldamseln über einen Zeitraum von zehn Monaten nachts einer Beleuchtungsstärke von 0,3 Lux aus.“ Bereits diese geringen Werte reichten aus, um drastische Veränderungen des Biorhythmus der Vögel zu bewirken, so die Mitteilung des Max-Planck-Instituts für Ornithologie.
Amseln durch nächtliche Beleuchtung früher zur Fortpflanzung bereit
Die relativ geringe Erhöhung der Lichtintensität während der Nacht habe ausgereicht, um die Keimdrüsen männlicher Amseln früher reifen zu lassen, so eines der Studienergebnisse. „Die Resultate waren erstaunlich: Die Hoden der Vögel wuchsen im Durchschnitt fast einen Monat früher, als bei Tieren, die nachts in Dunkelheit schliefen“, betonte Jesko Partecke. Bei Messungen der Testosteronwerte im Blut der Vögel habe sich gezeigt, dass dieser durch nächtliche Beleuchtung im jahreszeitlichen Verlauf früher ansteigt. Dies spreche ebenfalls dafür, dass die Amseln eher ihre Fortpflanzungsbereitschaft erreichen. Des Weiteren sei der tageszeitliche Rhythmus der Gesangsaktivität durch das Kunstlicht durcheinander geraten. Die Vögel begannen laut Aussage der Forscher rund eine Stunde früher am Tag mit ihrem Gesang. Neben den Hinweise auf ein verfrühtes Fortpflanzungsverhalten, habe sich auch gezeigt, dass die nächtlich beleuchteten Amseln gegen Ende der Brutzeit viel früher mit der Mauser begannen, als die Vögel mit dunklen Nächten.
Abweichungen der tageszeitlichen und jahreszeitlichen Rhythmen
„Diese Ergebnisse zeigen deutlich, dass das Kunstlicht, welches wir in Städten vorfinden, die jahreszeitliche Organisation von Wildtieren drastisch verändern kann“, erläuterte Studienleiter Jesko Partecke. Allerdings sind sich die Forscher noch nicht sicher, wieso das künstliche Licht bei den Amseln eine frühzeitige Fortpflanzungsbereitschaft bedingt und ob dies eher ein Vorteil oder Nachteil ist. Ein Erklärung für die frühere Fortpflanzungsbereitschaft sei zum Beispiel, dass den Amseln durch das nächtliche Kunstlicht eine längere Tageslänge vorgegaukelt werde. Möglicherweise werde durch die Beleuchtung auch die nächtliche Nahrungssuche der Vögel erleichtert, so dass den Tieren zusätzliche Energie für die Fortpflanzung zur Verfügung steht. Letztendlich könne das Licht „auch den Stoffwechsel der Tiere beeinflussen und der veränderte Stoffwechsel für ein früheres Keimdrüsenwachstum sorgen“, berichtet das Max-Planck-Institut für Ornithologie. Waren die Vögel nachts Licht ausgesetzt, zeigten sie sich laut Aussage der Experten auch tagsüber aktiver.
Frühere Fortpflanzungsbereitschaft ein Vorteil oder Nachteil?
Der langfristige Effekt der künstlichen Beleuchtung auf die Amselpopulation bleibt den Angaben der Ornithologen des Max-Planck-Instituts in Radolfzell zufolge bisher ebenfalls unklar. „Ob das frühere Brüten den Stadtamseln einen Vorteil bietet oder lediglich eine ungewollte Begleiterscheinung der Beleuchtung ist“, lasse sich anhand der aktuellen Studienergebnisse nicht feststellen. Tatsächlich wäre theoretisch denkbar, dass die „Amseln in der Stadt durch das Kunstlicht früher im Jahr brüten und dadurch mehr Junge im Jahr hervorbringen“ können, erläuterte Studienleiter Jesko Partecke. Dieser vermeintliche Vorteil entfalte jedoch nur seien Wirkung, „wenn die Nestlinge dann auch genügend geeignetes Futter zur Verfügung“ haben. „Ansonsten könnte sich die frühe Fortpflanzungsfähigkeit für die Amseln als evolutionärer Nachteil herausstellen“, so das Fazit des Max-Planck-Instituts für Ornithologie. (fp)
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