Volkssymptom Kopfschmerzen: Mediziner, Forscher und Experten stellen auf dem Weltkopfschmerzkongress in Berlin neue Behandlungsansätze vor.
23.06.2011
80 Prozent der Menschen in Deutschland leiden unter wiederkehrenden leichten, mittleren bis starken Kopfschmerzen. Auf dem Weltkopfschmerzkongress in Berlin werden neue Therapieansätze diskutiert und vorgestellt. Auffällig: Bereits viele jungen Menschen leiden unter Migräne und Kopfschmerz-Anfälle. Wer bereits an einer psychischen Erkrankung leidet, ist anscheinend anfälliger für chronische Kopfschmerzen.
Bereits Jugendliche leiden an Kopfschmerzen
Experten schätzen, dass beinahe jeder Deutsche schon einmal Kopfschmerzen hatte. Die unmittelbaren Auslöser bleiben meistens im Verborgenen und viele bekämpfen die Schmerzen mit Tabletten ohne nach den konkreten Ursachen zu forschen. Waren früher vor allem Patienten ab dem 40. Lebensjahr betroffen, leiden bereits heute verstärkt junge Menschen im Schulalter an wiederkehrenden Kopfschmerzen. Die Fallzahlen sollen laut wissenschaftlicher Studie in etwa vergleichbar mit denen der Erwachsenen sein. Nach Erkenntnissen der Forscher aus München und Greifswald leiden bereits vier von fünf Schülern an gelegentlich auftretenden Kopfschmerzen.
Auf dem heute beginnenden Weltkopfschmerzkongress in Berlin diskutieren Ärzte, Forscher und Experten über das am weitesten verbreitetste Beschwerdebild überhaupt. Wichtig ist neben der Prävention der Kampf gegen das auslösende Grundübel und die effektivste Form der Schmerzlinderung. Ein rechtzeitiges Eingreifen soll zudem einen chronischen Verlauf verhindern. Der Kongress findet vom 23.6. bis zum Sonntag den 26.6. statt. Über 1200 Kongressteilnehmer und Dozenten haben sich angekündigt.
Aufklärungsprogramme bereits für die Schulen initiieren
Bereits in der Schule muss damit begonnen werden, einen chronischen Verlauf zu verhindern. So sagte Professor Dr. Andreas Straube vom Uniklinikum München: „Die Prävention von Kopfschmerzen muss schon in der Schule beginnen“. Im Verlauf der letzten 40 Jahre hat sich die Anzahl der jugendliche Patienten mit Kopfschmerzen fast vervierfacht. Mädchen sind gegenüber Jungs in etwa zweieinhalb mal häufiger betroffen. Ob Jungs den Schmerz eher für sich behalten oder ein genetischer Faktor dafür verantwortlich ist, ist noch unklar. Fest steht allerdings, dass bereits minimale Programme zur Aufklärung ausreichen, um junge Menschen über das Risiko von chronischem Kopfschmerz aufzuklären. Dabei ist es ebenfalls wichtig, die unterschiedlichen Gruppen der Kopfschmerzvarianten aufzuzeigen, so die Ergebnisse einer norwegische Studie.
Weitere Kopfschmerzstudie mit Schülern geplant
Der Kopfschmerzexperte will nun die bereits dargelegten Studien mit einer eigenen Untersuchung untermauern. Hierzu soll demnächst eine Studienarbeit mit Münchener Gymnasialschülern stattfinden. Die Kinder und Jugendlichen sollen im Rahmen des Unterrichts darüber informiert werden, in welchem Kontext mangelhafte Ernährung, zu geringe Bewegung, Lebensrhythmus und Kopfschmerzen stehen. Ganz besonders ist dem Experten wichtig, die Schüler über die Vermeidung von Stress zu informieren. Denn die Ansprüche an die Kinder von heute sind weitaus höher, als noch vor einigen Jahrzehnten. Zudem sind die medialen Einflüsse weitaus stärker präsent, als noch vor gut 10 Jahren. Stressig kann aber auch Musik sein: „Wer mehr als eine Stunde MP3-Player hört, hat ein höheres Kopfschmerzrisiko“, erklärt Straube. Fest steht aber auch, dass Ausdauersport und aktive Bewegung Stress minimiere und somit das Risiko an Kopfschmerzen mindere. (80 Prozent der Schüler leiden unter Kopfschmerzen)
Depressionen begünstigen chronischen Verlauf
Wer bereits an der chronischen Form leidet, der hat laut einer Studie der Universitätsklinik Essen eine generell veränderte Schmerzwahrnehmung. Das bedeutet, dass die Betroffenen Schmerzen hoch sensibilisiert wahrnehmen und der Impuls überreagiert. „Die zentralen Verarbeitungssysteme sind dysreguliert“, erläuterte Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener (Uni Essen). Patienten leiden oftmals an einer Überempfindlichkeit der Haut. Schon minimale Berührungen können bei den Betroffenen subjektive Schmerzen auslösen.
Forscher aus den Niederlanden haben ermittelt, dass Patienten, die an seelischen Krankheiten wie Depressionen leiden, im Vergleich zu Nicht-Depressiven häufiger an einer Überempfindlichkeit der Hautsensoren leiden. Das Verhältnis ist nach Forscherangaben in etwa doppelt so hoch. Das zeige, dass Kopfschmerzen und Migräne oftmals weitere Hintergrundkrankheiten im Schlepptau mit sich führen. Diese Erkrankungen müssen zeitgleich therapiert werden, um einen ganzheitlichen Behandlungserfolg zu erzielen. Der beste Behandlungsansatz ist der integrative, zu dem Entspannungsmethoden, Psychotherapie und Bewegungstherapie gehören.
Migräne-Attacken durch neue Wirkstoffe minimieren
Die Migräne ist mitunter die schlimmste Form des Kopfschmerzes. Laut aktueller Erhebungen leiden rund zehn Prozent der Erwachsenen in Deutschland unter Migräne-Attacken. Laut Experten könnten zeitnah neue Therapieansätze zur Verfügung stehen, auch wenn bis heute nicht eindeutig geklärt ist, wie und warum Migräne entsteht. Ein Ansatz ist der Wirkstoff Triptan, der auch ohne Nadel mittels Hochdruck in die Haut injiziert wird. Ein weiterer Pharmastoff ist Dihydroergotamin, der zukünftig durch Nase und Mund inhaliert werden kann. Dadurch soll eine bessere Wirksamkeit erzielt werden. Einige Studien haben sogar ermittelt, dass das Mittel „Botox“ mit dem Wirkstoff „Onabotulinumtoxin“ Migräne-Schmerzen lindern kann. „Vermutlich werden dabei die Schmerzsignale unterbrochen.“ Dabei werden Injektionen an 31 unterschiedlichen Stellen des Kopfes gesetzt. Die Studienautoren behaupten, dass die Attacken mit Botox deutlich reduziert werden konnten. Andere Forscher sahen allerdings kaum einen Nutzen und sprachen von voreingenommenen Studiendaten.
Neue Therapieansätze gegen Cluster-Kopfschmerzen
Auf dem Kopfschmerzkongress in Berlin sollen auch neue Behandlungsansätze gegen den schlimmsten aller Kopfschmerzen vorgestellt werden, die sogenannten Cluster-Kopfschmerzen. Prof. Arne May vom Institut für Systemische Neurowissenschaften am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf wird von den neusten Ergebnissen einer Studie berichten, bei der die Wirkung eines Mini-Stimulator untersucht wurde. Der Stimulator wird im Oberkiefer des Patienten implantiert. Kommt es zu akuten Anfällen, kann der Patient per Handy eine Stimulation der Nervenbündel in Gang setzen, dass wiederum die Schmerzen reduzierten soll. May kündigte hierfür entsprechend positive Ergebnisse an. Der Kopfschmerz-Weltkongress wird noch bis Sonntag stattfinden.
In der Naturheilkunde wird vor allem der wiederkehrende Griff zu Schmerzmedikamenten kritisiert. Die meisten Therapien beinhalten zwar eine Linderung der Schmerzen, berücksichtigen jedoch nicht die auslösenden Faktoren. Neben der Homöopathie, Entspannungstechniken existieren auch Hausmittel gegen Kopfschmerzen, die zu mindestens bei leichten Schmerzen Anwendung finden kann. (sb)
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