Studie: Bakterien können vor Lebensmittelallergie schützen
26.08.2014
Immer mehr Menschen in Deutschland leiden an Lebensmittelallergien. Da sich diese kaum behandeln lassen, verzichten Betroffene meist auf die Allergie-auslösenden Nahrungsmittel. Forscher haben nun herausgefunden, dass bestimmte Darmbakterien vor der Erkrankung schützen können.
Sechs Millionen Lebensmittelallergiker
Die Zahl der Menschen mit Lebensmittelallergien in Deutschland nimmt immer mehr zu. Experten zufolge hat sie sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Laut Schätzungen des Deutschen Allergie- und Asthmabundes (DAAB) sollen rund sechs Millionen Menschen von einer Nahrungsmittelallergie betroffen sein. Zu den häufigen Auslösern gehören unter anderem verschiedene Krustentiere, Fisch, diverse Hülsenfrüchte (Erbsen), Obst (Kirschen), Gemüse (Sellerie), Senfsamen, Getreide (Buchweizen) oder Histamine (im Käse). Oft besteht bereits eine Pollenallergie, die zu einer Kreuzallergie führt.
Bestimmte Bakterien können vor Lebensmittelallergien schützen
Wie sich jetzt herausstellte, können "bestimmte Darmbakterien anscheinend vor Lebensmittelallergien schützen". Einer dpa-Meldung zufolge zeigte ein internationales Forscherteam an Mäusen, dass die Mikroorganismen der Klasse Clostridia den Übergang von Allergie auslösenden Stoffen vom Darm ins Blut hemmen. Die Forscher um Cathryn Nagler von der Universität Chicago schreiben in den „Proceedings“ der US-nationalen Akademie der Wissenschaften („PNAS“), dass möglicherweise "probiotische Therapien gegen die sonst kaum behandelbaren Lebensmittelallergien helfen" könnten.
Verschiedene mögliche Ursachen für Zunahme von Allergien
Nicht nur hierzulande, sondern allgemein in Industrieländernnimmt die Zahl der Menschen mit Allergien seit langem stark zu. So stieg der Anteil betroffener Kinder in den USA von 1997 bis 2007 nach Angaben der Gesundheitsbehörde CDC um 18 Prozent. Fachleute vermuten eine Reihe von Ursachen, darunter auch eine veränderte Darmflora. „Umwelteinflüsse wie übermäßiger Gebrauch von Antibiotika, fettreiche Ernährung, Kaiserschnitt-Geburten, Beseitigung gängiger Krankheitserreger und selbst Muttermilchersatz beeinflussen die Mikroorganismen, mit denen wir uns gemeinsam entwickeln“, so Nagler in einer Mitteilung ihrer Universität. „Unsere Resultate deuten darauf hin, dass dies zur zunehmenden Sensibilität für Lebensmittelallergien beiträgt.“
Einfluss der Darmflora an Mäusen getestet
Die Forscher testeten an Mäusen den Einfluss der Darmflora. Sie konfrontierten dazu zwei Gruppen von Mäusen mit Allergie-auslösenden Stoffen, sogenannten Allergenen, aus Lebensmitteln. Von den Tieren lebte ein Teil unter sterilen Bedingungen und der andere wurde nach der Geburt mit Antibiotika behandelt, was die Darmflora reduziert. Diese beiden Gruppen bildeten in stärkerem Maße Antikörper gegen Erdnuss-Allergene als Mäuse mit normaler Darmflora. Wenn die Wissenschaftler den Nagern dann jedoch bei Menschen gängige Clostridia-Bakterien verabreichten, sank die Sensibilität. Eine zweite große Gruppe von Darmbewohnern, die Bacteroides, hatten diesen Effekt nicht.
Weniger Allergene gelangen in den Blutkreislauf
In einem zweiten Schritt wurden von den Forschern die Mechanismen hinter der Schutzwirkung geprüft. Clostridia sorgen demnach dafür, dass Immunzellen große Mengen Interleukin-22 (IL-22) produzieren. Dieser Signalstoff verringert die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut und auch mit IL-22 konnten die Forscher die Erdnuss-Sensibilität der Mäuse verringern. Wie es heißt, deuten die Resultate darauf hin, dass Clostridia-Mikroben durch die Anregung der IL-22-Produktion dafür sorgen, dass weniger Allergene in den Blutkreislauf gelangen.
Darmflora ein gutes Ziel für therapeutische Eingriffe
„Wir haben eine Bakterienpopulation identifiziert, die vor einer Sensibilisierung für Lebensmittel-Allergene schützt“, erklärte Nagler. „Der erste Schritt hin zu einer Sensibilisierung besteht darin, dass ein Allergen ins Blut gelangt und dem Immunsystem präsentiert wird. Die Präsenz dieser Bakterien reguliert diesen Prozess.“ Die Forscher räumen jedoch ein, dass dies nicht der einzige Faktor sei. Dennoch betonten die Wissenschaftler – die bereits ein vorläufiges Patent beantragt haben -, dass die Darmflora ein gutes Ziel für therapeutische Eingriffe biete, das sich zudem einfach überprüfen lasse. „Es ist aufregend, weil wir die Bakterien kennen“, so Nagler. „Wir haben nun eine Möglichkeit, einzugreifen.“
Betroffene verzichten auf Allergie-auslösende Nahrungsmittel
Ob die neuen Erkenntnisse zu konkreten Therapien führen, ist unklar. Lebensmittelallergiker werden wohl weiter meist auf die jeweiligen Allergie-auslösenden Nahrungsmittel verzichten, da sich die Erkrankung kaum behandeln lässt. Symptome, die bei einer Lebensmittelallergie häufig auftreten können, umfassen beispielsweise Durchfall, Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Viele Allergiker haben zudem mit Beschwerden wie geschwollenen Lippen, Atemnot, Hautrötungen oder einem Juckender Hautausschlag zu kämpfen. In besonders schlimmen Fällen kann die Reaktion zu einem allergischen Schock mit Blutdruckabfall und Pulsanstieg bis hin zum Herzstillstand führen. (ad)
Bild: Sigrid Rossmann / pixelio.de
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