EHEC-Epidemie verschärft den Mangel an Spendernieren
13.06.2011
Die EHEC-Epidemie wird auch nach ihrem Abklingen lange nachhallen. Denn bei zahlreichen EHEC-Patienten wurden die Nieren durch die schweren EHEC Symptome so stark geschädigt, dass die Betroffenen eine Spenderniere brauchen – doch Spenderorgane sind knapp. Rund 8.000 Menschen warten derzeit bundesweit auf eine Spenderniere.
Vor allem bei EHEC-Patienten, die an dem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) litten, wurden die Nieren im Verlauf der Erkrankung häufig so stark geschädigt, dass sie möglichst bald eine Spenderniere benötigen. Der ohnehin bestehende Mangel an Spenderorganen hat sich hierdurch weiter verschärft. Außerdem leiden zahlreiche EHEC-Infizierte an schweren neurologischen Störungen, die auch nach überstandener Krankheit nur langsam zurückgehen und „mögliche Dauerschäden im Nervensystem“ bedingten können, so die Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Insgesamt werden die Betroffenen noch lange nach dem Abklingen der aktuellen EHEC-Epidemie mit deren Folgen zu kämpfen haben.
100 EHEC-Patienten brauchen eine Spenderniere
Bei rund 100 EHEC-Patienten wurden im Verlauf der aktuellen Epidemie die Nieren so stark geschädigt, „dass sie ein Spenderorgan brauchen oder lebenslang zur Dauerdialyse müssen“, erklärte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach gegenüber „Bild am Sonntag“. Die Betroffenen werden auch lange nach dem Ende der derzeitigen EHEC-Krise noch an den Folgen der Erkrankung leiden. Außerdem verschärft sich laut Aussage der Experten der ohnehin bestehende Engpass bei den benötigten Spenderorganen. Denn den über 8.000 Patienten auf der Warteliste für eine Spenderniere stehen laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation durchschnittlich deutlich weniger als 3.000 tatsächliche Nierentransplantationen pro Jahr gegenüber. Experten bemängeln in diesem Zusammenhang die geringe Bereitschaft in der Bevölkerung zur Lebendspende der Organe. Denn der Mensch benötigt prinzipiell nur eine seiner beiden Nieren und könnte daher die andere für eine Nierentransplantation zur Verfügung stellen. Zuletzt hat mit dieser Form der Organspende der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Frank-Walter Steinmeier, für Aufmerksamkeit gesorgt. Steinmeier spendete eine seiner Nieren an seine schwerkranke Frau. Doch trotz der medialen Wirkung, die damit für das Thema Nierenspende einher ging, sind die Deutschen weiterhin äußerst zögerlich in Bezug auf eine mögliche Lebendspende ihrer Nieren.
EHEC-Erreger weltweit au dem Vormarsch
Während die Experten vor den langfristigen Folgen der EHEC-Infektionen für die Betroffenen und einem steigenden Bedarf an Spenderorganen warnen, ist die Zahl der EHEC-Neuerkrankungen in den vergangenen Tagen weiter zurückgegangen. Insgesamt sind den Gesundheitsbehörden zufolge im Verlauf der aktuellen EHEC-Epidemie deutschlandweit mehr als 4.000 Patienten an einer Infektion mit den gefährlichen Darmkeimen erkrankt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtet von 34 tödlichen Krankheitsverläufen in Deutschland sowie einem Todesfall in Schweden und benennt die aktuelle EHEC-Epidemie als heftigsten Ausbruch, der bisher in Europa zu verzeichnen war. Auch wenn die Infektionswelle derzeit offenbar abklingt, muss nach Ansicht der Experten auch in Zukunft mit weiteren EHEC-Infektionswellen gerechnet werden. Karl Lauterbach (SPD) warnte gegenüber „Bild am Sonntag“, dass „EHEC-Erreger weltweit auf dem Vormarsch“ seien und daher „auch in Deutschland künftig immer wieder EHEC-Ausbrüche“ auftreten können. Dabei bereiten den zuständigen Ministern nicht nur die möglichen gesundheitlichen Folgen sondern auch der Umgang mit derartigen Infektionswellen Kopfzerbrechen.
EHEC-Infektionen: Politiker kritisieren bisherige Meldeverfahren
Bei einer EHEC-Epidemie, die sich so dramatisch ausbreitet, wie die Infektionswelle der vergangenen Wochen, müssen nach Einschätzung des Bundesgesundheitsministers Daniel Bahr (FDP) und des SPD-Gesundheitsexperten Lauterbach Meldeverfahren gewährleistet werden, die eine zeitnahe Überwachung der Infektionsausbreitung ermöglichen. Dass die Neuinfektionen teilweise offenbar per Post an das Robert-Koch-Institut (RKI) gemeldet wurden, ist nach Ansicht von Lauterbach inakzeptabel. Der SPD-Gesundheitsexperte kritisierte außerdem die bisherige Meldekette, die vom Gesundheitsamt vor Ort über das Landesgesundheitsamt bis zum Robert Koch-Institut reicht. Bis dem RKI die aktuellen Infektionszahlen vorliegen, könne mitunter eine Woche vergehen, erklärte der Oppositionspolitiker. Daher sollten „Kliniken in Zukunft jeden EHEC-Fall direkt per Mail an das Robert Koch-Institut melden“, forderte Karl Lauterbach in der „Bild am Sonntag“. Der Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr bemängelte gegenüber dem Blatt ebenfalls die Meldeverfahren und erklärte, dass Länder und Bund nach dem Abklingen der EHEC-Epidemie „gemeinsam die Arbeit bewerten“. Dabei soll der „Informationsfluss zwischen den Beteiligten“ einen besondere Schwerpunkt bilden. „Das Meldeverfahren gehört auf die Tagesordnung“, betonte der Bundesgesundheitsminister.
Einige EHEC-Rätsel weiter ungeklärt
Auch wenn die aktuelle EHEC-Epidemie anscheinend ihrem Ende entgegen geht und die Ursache der Infektionen geklärt werden konnte, bleiben noch einige Fragen offen. Zwar wurden Sprossen des Biohofs im Landkreis Uelzen von den Behörden einstimmig als Infektionsquelle identifiziert, doch die Lieferketten bis zu den einzelnen Erkrankten sind an einigen Stellen noch nicht vollständig aufgeklärt, betonte der nordrhein-westfälische Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) gegenüber dem „WDR“. Außerdem stellt sich die Frage, wie die neuen besonders aggressiven Erreger entstanden sind und wie sie auf den Biohof in Bienenbüttel gelangen konnten. Die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ilse Aigner (CSU) forderte angesichts der Tatsache, dass die aktuelle EHEC-Infektionswelle durch den Verzehr von Sprossen ausgelöst wurde, auch eine strengere Überwachung der entsprechenden Lebensmittelhersteller. Gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ kündigte Aigner Anpassungen bei der Lebensmittelüberwachung an: „Ich habe die Länderbehörden gebeten, bundesweit schwerpunktmäßig Produzenten und Importeure von Sprossen und deren Produkte zu überprüfen.“ Der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zufolge müssen dabei „natürlich auch Importe von Samen aus dem Ausland“ überprüft werden.
Umsatzeinbußen durch EHEC – Hilfspaket für Landwirte geplant
Währen die EHEC-Epidemie bei den Infizierten oft massive gesundheitlich Beeinträchtigungen zur Folge hat, sind die Landwirte und Bio-Bauern durch die Infektionswelle auf einer anderen Ebene in ihrer Existenz bedroht. Die drastischen Umsatzeinbußen haben viele an den Rande des Ruin getrieben. Daher erhoffen sich die Landwirte nun schnelle Hilfe von der EU. Der EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos erklärte diesbezügliche gegenüber der „Passauer Neuen Presse“, dass die Mitgliedsstaaten voraussichtlich am Dienstag über ein Hilfspaket in Höhe von 210 Millionen Euro für die Landwirte entscheiden werden. Im Sinne der Landwirte kann die Hilfe jedoch gar nicht schnell genug kommen, denn viele mussten in den vergangenen Tagen einen Großteil ihrer Gemüseernte vernichten. Da bisher nicht abzusehen ist, wann sich die Umsätze im Gemüsesektor wieder erholen werden, sind die betroffenen Landwirte dringend auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Dabei stellt sich angesichts der zu verzeichnenden Umsatzeinbußen auch die Frage, ob ein Hilfspaket von 210 Millionen Euro überhaupt ausreicht, um die Verluste der Landwirte aufzufangen. So drohen nicht nur den EHEC-Patienten erhebliche langfristige Folgen der aktuellen Infektionswelle, sondern auch die Landwirte werden noch einige Zeit mit den Konsequenzen der EHEC-Epidemie zu kämpfen haben. (fp)
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Bild: tokamuwi / pixelio.de
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