Südeuropäer trinken heute deutlich weniger Alkohol als vor 40 Jahren
26.06.2012
Die Europäer trinken weltweit mit Abstand am meisten Alkohol. Allerdings ist die Entwicklung der letzten Jahrzehnte in den einzelnen europäischen Staaten äußerst unterschiedlich ausgefallen. So zeigte sich in vielen südeuropäischen Ländern ein erheblicher Rückgang des Alkoholkonsums, wohingegen beispielsweise in Osteuropa ein weiterer Anstieg zu beobachten war.
Während der Alkoholkonsum in Deutschland seit den 1970er Jahren relativ konstant blieb, verzeichneten die südeuropäischen Staaten einen deutlichen Rückgang, berichtete Professor Dr. Jürgen Rehm vom Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Technischen Universität Dresden am Dienstag in Berlin. Als Vertreter der „Initiative für eine aktive Alkoholtherapie" (AktivA) präsentiert Rehm auf einer Veranstaltung anlässlich des Weltdrogentages einen Bericht der Initiative zum Alkoholkonsum in Deutschland. Dabei liefert der Experte auf Basis von Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auch einen Einblick in die internationale Entwicklung des Alkoholkonsums.
Alkoholkonsum in Südeuropa seit 1970 deutlich reduziert
Aus den vorgestellten Zahlen geht deutlich hervor, dass die Europäer in puncto Alkoholkonsum seit Jahren weltweit an der Spitze liegen. Durchschnittlich habe jeder Europäer im Alter über 15 Jahren im Jahr 2009 rund 12,5 Liter puren Alkohol getrunken, berichtet Prof. Rehm. Damit ist „der europäische Alkoholkonsum mehr als doppelt so hoch wie der globale“, zitierte die Nachrichtenagentur „dpa“ die Aussage des Psychologen der Technischen Universität Dresden. In Deutschland lag der Alkoholkonsum Prof. Rehm zufolge mit durchschnittlich 12,9 Litern pro Jahr leicht über dem europäischen Mittel. Seit Jahrzehnten habe sich die Alkoholkonsum hierzulande ungefähr auf dem gleichen Niveau gehalten. Anders sei die Situation jedoch in Südeuropa, wo seit Jahren ein rückläufiger Alkoholkonsum zu beobachten ist. Laut Prof. Rehm haben „die gesamten südeuropäischen Länder in den vergangenen 30 bis 40 Jahren ihren Alkoholverbrauch mindestens halbiert.“ So tranken zum Beispiel die Italiener 1970 noch 19 Liter Alkohol pro Jahr, im Jahr 2009 waren es nur noch sieben Liter, berichtete der Experte. Vergleichbar sei die Entwicklung in Spanien, Portugal und Frankreich verlaufen, so Rehm weiter. Wesentliche Ursachen dieses Rückgangs beim Alkoholkonsum waren dem Psychologen der TU Dresden zufolge vor allem die immer kürzer werdenden Mittagspausen (Siesta) und die gestiegenen Alkoholpreise.
Steigender Alkoholkonsum in Osteuropa und Skandinavien
Während der Alkoholkonsum in Südeuropa zurückgeht, ist laut Aussage des Experten in Osteuropa und Skandinavien eine gegenläufige Entwicklung zu beobachten. Dies gelte auch für Großbritannien und Irland, wo seit einigen Jahren mehr getrunken werde, berichtet Rehm. So sei beispielsweise in Großbritannien der Alkoholkonsum von rund sieben Litern im Jahr 1970 auf fast elf Liter im Jahr 2009 gestiegen. Insgesamt werde in Europa regelmäßig relativ viel getrunken, doch die hier zu beobachtenden Trinkmuster seien nicht so problematisch, wie in anderen Regionen der Welt, „wo die Mehrzahl aller Trinkgelegenheiten zum Rausch führt“, erklärte Prof. Dr. Jürgen Rehm. Ein solches Trinken des Rauschzustandes wegen, bringe ein besonders hohes Risiko der Alkoholabhängigkeit mit sich, wohingegen das Trinken zum Genuss, ohne anschließenden Rausch, weniger Risiko-belastet sei. Kritisch ist in diesem Zusammenhang das sogenannte Komasaufen zu bewerten, welches auch bei deutschen Jugendlichen in den vergangenen Jahren ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen hat. Hier besteht neben den akuten gesundheitlichen Gefahren, wie beispielsweise einer Alkoholvergiftung, ebenfalls ein erhöhtes Risiko der Alkoholabhängigkeit.
Millionen Deutsche alkoholabhängig
Auf einem Symposium für aktive Alkoholtherapie in der Berliner Charité stellt Prof. Rehm am heutigen Weltdrogentag (26. Juni) die umfassenden Ergebnisse des „Alcohol Comparator Report 2012“ vor. Wie die „Initiative für eine aktive Alkoholtherapie“ berichtet, soll damit auch die Notwendigkeit zum Handeln unterstrichen werden. Denn Alkoholerkrankungen bei Erwachsenen seien schon lange kein Randproblem der Gesellschaft mehr. Rund „1,3 Millionen Deutsche sind alkoholabhängig, 9,5 Millionen konsumieren Alkohol in riskanter Weise“, berichtet AktivA auf der eigenen Internetseite. Eine verbesserte Prävention und Sensibilisierung von Risikogruppen sollten daher nach Ansicht der Initiative vordringliche Ziele der Gesundheitspolitik sein. „Nur ein aktiver und offener Umgang mit der Erkrankung lässt die Gesellschaft Wege aus der Alkoholsucht finden“, so das Fazit von AktivA. (fp)
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