Foodwatch entlarvt „perfideste Werbestrategien von Lebensmittelherstellern“
18.04.2013
Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch verleiht alljährlich den „goldenen Windbeutel“ für besonders „dreiste Werbemaschen bei Kinderlebensmitteln“. In diesem Jahr wurden Produkte der Lebensmittelhersteller Dr. Oetker, Ehrmann, Wild, Funnyfrisch und Nestlé nominiert, über die Verbraucher online abstimmen können.
Werbestrategien bei Süßigkeiten und Snacks für Kinder
„Kinder sind die Zielscheibe der perfidesten Webestrategien von Lebensmittelherstellern“, erklärt Oliver Huizinga, Experte für Lebensmittelwerbung von Foodwatch. „Mit allen Mitteln versuchen die Unternehmen, den Einfluss der Eltern zu umgehen und Kinder für jene Produkte anzufixen, die die höchsten Gewinnmargen versprechen.“ Und genau das seien Süßigkeiten und Snacks.
Bereits zum fünften Mal vergibt Foodwatch in diesem Jahr den Negativpreis „goldener Windbeutel“ für besonders dreiste Werbemaschen. Im vergangenen Jahr stimmten knapp 130.000 Verbraucher für den Lebensmittelhersteller Hipp. 2011 ging die negative Auszeichnung an Ferrero, 2010 an Zott und 2009 an Danone.
In diesem Jahr stellte die Verbraucherschutzorganisation Produkte der Hersteller Wild/SiSi-Werke, Ehrmann, Dr. Oetker, Funnyfrisch und Nestlé zur Wahl. Das Produkt Capri-Sonne der Wild/SiSi-Werke wurde von Foodwatch für „Schul-Marketing und Sport-Schwindel“ nominiert. „Für die Wasser-Zucker-Aroma-Mixtur mit ein bisschen Fruchtsaft setzt Hersteller Wild auf die Nähe zum Sport“, so Foodwatch. Das Unternehmen spreche Kinder bei gesponserten Sportveranstaltungen an und vergebe sogar ein eigenes Schwimmabzeichen. Darüber hinaus verbreite der Capri-Sonne-Hersteller Unterrichtsmaterial, das mit dem mit Markenlogo geschmückt sei und Aufgaben zum Produkt enthalte. Mit dieser indirekten Werbung würden die Eltern umgangen, berichtet die Verbraucherorganisation.
Wild/SiSi-Werke weißt die Vorwürfe bezüglich des von Foodwatch kritisierten Zuckergehalts von Capri-Sonne zurück. „Viele Kinder mögen Capri-Sonne. Sie sind jedoch nur selten die Käufer der Getränke“, so das Unternehmen. Vielmehr seien es die Mütter, die Capri-Sonne vor allem im Vorratspack kaufen würden. Foodwatch habe bewusst darauf verzichtet, Capri-Sonne mit anderen Fruchtsäften zu vergleichen, stattdessen aber mit Cola. „Auch Fruchtsaft weist einen Zuckergehalt von zehn Prozent auf“, teilt der Hersteller mit. Ein anderes Produkt von Wild/SiSi-Werke, die „Bio-Schorly“ sei nicht erwähnt worden, obwohl diese von Ökotest 2012 mit „sehr gut“ bewertet worden sei. „Diese Produkte enthalten 60 Prozent Frucht und 40 Prozent Wasser, keine weiteren Zutaten“, erklärt das Unternehmen. Damit werde die „Bio-Schorly“ auch kritischen Verbrauchern gerecht.
Foodwatch kritisiert „Vermarktung überzuckerter Produkte als Spielzeug“
Monster-Backe Knister von Ehrmann wurde von Foodwatch „für die Vermarktung überzuckerter Produkte als Spielzeug“ nominiert. Der Hersteller setze alles daran, „überzuckerte Produkte als Spielzeug zu vermarkten“, berichtet die Verbraucherschutzorganisation. Aufgrund der „Knister-, Blubber- oder Zunge-Färb-Applikationen“ werde beim „Fun- und Action-Joghurt“ schnell vergessen, dass dieser acht Stücke Würfelzucker pro 135 Gramm-Becher enthalte und damit als Süßigkeit anzusehen sei. Ehrmann wies die Vorwürfe laut der „Süddeutschen Zeitung“ zurück: „Wer sich ausgewogen ernährt, kann sich auch mal mit etwas Besonderem belohnen.“
Auch der "Pom-Bär" von "Funnyfrisch" wurde von den Verbraucherschützer für den „goldenen Windbeutel“ nominiert. Das Produkt sei „ein Paradebeispiel scheinheiliger Werbebeschränkungen“. Denn der Hersteller habe sich „eine Selbstbeschränkung für verantwortungsvolles Marketing“ auferlegt, die Werbung für unter 12-Jährige ausschließe. Ausnahmen würden nur für Produkte mit besonderen Nährwerteigenschaften gemacht. „Nach Funnyfrischs kreativer Definition“ treffe das auf den fettig-salzigen Pom-Bär-Snack mit 2,5 Prozent Salz und 28 Prozent Fett zu, so Foodwatch. Pom-Bär enthalte damit mehr als fünf Mal so viel Salz und doppelt so viel Fett wie Pommes frites des Fastfood-Anbieters McDonald’s. Funnyfrisch äußerte sich bisher nicht zur Nominierung von Foodwatch.
Foodwatch entlarvt „Zucker-Kleinrechen-Tricks“
Der Pudding „Paula“ von Dr. Oetker wurde für den „digitalen Kinderfang“ für den Negativpreis nominiert. Der „Kuhflecken“-Pudding enthalte 13 Prozent Zucker und damit mehr als der Schokopudding des Herstellers, so Foodwatch. Zudem veranstalte Dr. Oetker eine wahre Materialschlacht: „Von Klingeltönen über eine iPhone-App bis Online-Karaoke zum Auswendiglernen des Paula-Kinder-Raps aus dem Werbespot“. Es gebe auch Internetspiele wie die „Flecken-Jagd“. Der Hersteller weist alle Vorwürfe zurück. „Grundsätzlich möchten wir darauf hinweisen, dass Paula ein Pudding ist. Als solcher ist er eindeutig deklariert und als solcher wird er beworben. Es handelt sich dabei um ein süßes Dessert, weder um eine Süßigkeit noch um ein Produkt mit einem gesundheitlichen Mehrwert“, heißt es in einer Pressemitteilung von Dr. Oetker. Werbung und Marketing betrachte das Unternehmen als „einen unverzichtbaren Teil der Gesellschaft“. Kinder und Jugendliche müssten dazu befähigt werden, mit der sie umgebenen Werbung umzugehen und diese richtig einzuschätzen.
Die "Nestlé Kosmostars" wurden von Foodwatch für „Zucker-Kleinrechen-Tricks“ nominiert. Denn Nestlé zufolge seien in dem Produkt „weniger als 9 Gramm Zucker pro Portion“ enthalten. Dabei rechnet der Konzern laut Foodwatch für eine Portion gerade einmal 30 Gramm. „Tatsächlich stecken 25 Prozent Zucker in den Kosmostars, mehr zum Beispiel als in Butterkeksen“, berichtet die Verbraucherschutzorganisation. Demnach habe das „Zuckerreduktionsprogramm“ lediglich „eine Verbesserung von sehr viel zu viel auf viel zu viel“ gebracht. Nestlé gab dazu bislang keine Stellungnahme ab.
Mit dreister Werbemasche werden Kinder direkt angesprochen
Foodwatch will in diesem Jahr mit der Wahl der dreistesten Werbemasche bei Lebensmitteln für Kinder auf das Thema „Kinderlebensmittel“ aufmerksam machen. Nach wie vor werde die Lebensmittelindustrie nicht für die Fehlentwicklung der Kinderernährung zur Verantwortung gezogen. Bereits 2012 hatte Foodwatch nachgewiesen, „dass drei Viertel der gezielt an Kinder vermarkteten Industrieprodukte süße und fettige Snacks sind“. Durch Werbung für fast ausschließlich ungesunde Produkte verstärke die Lebensmittelindustrie diesen Entwicklung. Die Eltern würden dabei bewusst umgegangen, indem die Kinder beispielsweise in Schulen und Sportvereinen direkt angesprochen werden.
Zahlreiche Untersuchungen bestätigen, dass Übergewicht (Adipositas) auch immer mehr Kinder betrifft. Übergewicht gilt als einer der Hauptrisikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie die koronaren Herzkrankheit und Herzinfarkt. (sb)
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Bild: Martina Friedl / pixelio.de
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