Bundeskabinett stimmt für Entlastungen säumiger Beitragszahler
10.04.2013
Viele Menschen in Deutschland können ihren Krankenkassen-Beitrag nicht mehr zahlen. Betroffen sind in erster Linie „freiwillig gesetzlich Versicherte“, die beispielsweise als Einzelselbstständige stark variierende Einnahmen verzeichnen und trotzdem nicht selten von hohen Kassenbeiträgen betroffen sind. Damit die Schulden nicht ins Unermässliche steigen, hat das Bundeskabinett am heutigen Mittwoch aus Union und FDP einem Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministers zugestimmt. Dieser sieht vor, den jährlichen Säumniszuschlag für Schuldner von bislang 60 Prozent pro Jahr auf maximal zwölf Prozent zu senken. Darüberhinaus können Versicherte der Privaten Krankenversicherung (PKV) in einen sogenannten Notlagentarif übersiedeln, der mit stark reduzierten Gesundheitsleistungen fortgeführt wird. Wahltarife sollen zugunsten der PKV bei den Kassen stark eingeschränkt werden.
Mit dieser im Bundeskabinett bestätigten Reform sollen säumige Versicherte nach Angaben des Bundesgesundheitsministers Daniel Bahr (FDP) wieder die Option zu erhalten, in ihren bisherigen Versicherungsschutz zurückzukehren. „Gerät jemand in Schieflage, muss auch eine Möglichkeit bestehen, wieder rauszukommen“, so der Minister heute bei einer Pressekonferenz in Berlin. Laut Bahr handele es sich bei den Betroffenen „meist um Selbstständige“, die ihre Beiträge nicht mehr zahlen können.
240.000 Menschen haben Schulden bei ihrer Krankenversicherung
„Etwa 100.000 Menschen in Deutschland seien säumige Beitragszahler, die einen Schuldenberg von rund zwei Milliarden Euro angehäuft haben“, sagte Bahr. Wer sich aufgrund der Schulden keinen Versicherungsschutz leisten kann, darf nur eine Notfallversorgung, bei starken Schmerzen oder im Rahmen einer Schwangerschaft die Krankenversicherung in Anspruch nehmen. Auch in der privaten Krankenversicherung gebe es eine hohe Zahl von Schuldnern. Hier bezifferte Bahr die Zahl der Betroffenen bei rund 140.000 säumigen Privatversicherten.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die freiwillig gesetzlich Krankenversicherte anstelle des bisherigen Schuldenzuschlags von monatlich fünf Prozent nunmehr nur noch den regulären monatlichen Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent des rückständigen Betrages zahlen.
Notlagentarif für verschuldete Privatpatienten
Wer hingegen Schulden bei der Privaten Krankenversicherung hat, wird nach dem gesetzlich vorgeschriebenen Mahnverfahren in einen sogenannten „Notlagentarif“ übergesiedelt. Der bis dahin vereinbarte Privatversicherungsvertrag ruht solange, bis die Schulden bezahlt sind. Der Notlagentarif hat eine deutlich geringere Prämie, allerdings erhalten die Versicherten nur noch eine Gesundheitsversorgung, wenn sie an akuten bis lebensgefährdenden Erkrankungen leiden.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankeneversicherung GKV zeigte sich zufrieden mit dem Beschluss. Wie der Sprecher des Verbandes Florian Lanz sagte, würden „nun die Verhältnisse zurecht gerückt“ und die extremen Zinsen von 60 Prozent abgeschafft. Die SPD Gesundheitsexpertin und Bundestagsabgeordnete Hilde Matteis kritiserte das Vorhaben der Bundesregierung. Durch diese Reform werde nichts an der grundsätzlichen Situation der Schuldner geändert. Vielmehr müsse geschaut werden, warum die Betroffenen diese Schulden überhaupt anhäufen. Scharf kritisierte auch die Linkspartei die Neuregelungen. "Der Gesetzentwurf ist eine Einladung, Schulden anzuhäufen, um dann in einen günstigen Notlagentarif zu kommen“, sagte die Linke Martina Bunge. Sie bezog sich dabei auf die Regelung bei der PKV. Ihrer Ansicht nach seien „die Folgekosten unabsehbar“.
Gesetzliche Krankenkassen werden stark beschnitten
Die Linke kritisierte zudem, dass die gesetzlichen Krankassen zugunsten der PKV stark beschnitten werden. So dürfen die Kassen künftig keine sogenannten Wahltarife mehr anbieten. Hierzu gehörten Zusatzversicherungen für Zahnersatz oder Tarife, die eine Rückerstattung von Beiträge vorgesehen haben, wenn ein Versicherter bestimmte Gesundheitsleistungen nicht in Anspruch nahm. Auch sollen laut Gesetzentwurf „bei der Kalkulation dieser Angebote keine Halteeffekte mehr berücksichtigt werden“. Der Effekt besteht darin, Versicherte durch einen speziellen Wahltarif zu animieren, in der gesetzlichen Krankeneversicherung zu bleiben und nicht zur PKV abzuwandern. „Die Bundesregierung will mit der Abschaffung der Halteeffekte die Wahltarife stark verteuern“, hatten die Krankenkassen zuletzt befürchtet. So soll es den Kassen unmöglich gemacht werden, Wahltarife weiterhin anzubieten. (sb)
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