Ärztemangel: Bundesländer fordern Mitsprachrecht bei Zulassungen
06.04.2011
Bei der Zulassung von Arztpraxen fordern die Bundesländer in Zukunft ein Mitspracherecht. Der Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) und die Gesundheitsminister der Länder wollen bei ihrem heutigen Sondertreffen in Berlin über entsprechende Möglichkeiten beraten.
Die bisherige Vergabe von Praxiszulassungen durch die Kassenärztliche Vereinigung ist nach Ansicht zahlreicher Landespolitiker nicht dazu geeignet, den drohende Ärztemangel in ländlichen Regionen zu beheben. Daher fordert beispielsweise die Landessozialministerin Mecklenburg-Vorpommerns, Manuela Schwesig (SPD) ein Mitspracherecht der Länder bei zukünftigen Entscheidungen über geplante Praxiszulassungen. Die Kassenärzte lehnen einen solchen Eingriff in die Selbstverwaltung strikt ab.
Ärztemangel in ländlichen Regionen ernsthaftes Problem
Der Ärztemangel in ländlichen Regionen ist nach Aussage der Landessozialministerin Mecklenburg-Vorpommerns ein nicht zu unterschätzendes Problem. Gegenüber tagesschau.de erklärte Manuela Schwesig, dass die Ursachen des Ärztemangels „vielschichtig“ seien und die Länder bereits mehrere Vorschläge unterbreitet hätten, um die bekannten Schwierigkeiten zu beheben. Zum Beispiel würden Teilzulassungen nach Ansicht von Schwesig nicht nur dazu beitragen den Arztberuf wieder attraktiver zu machen, sondern Ärztinnen auch bessere Möglichkeiten bieten Beruf und Familie miteinander zu vereinen. „Für junge Frauen ist es eben wenig attraktiv, eine Landarztpraxis allein rund um die Uhr zu unterhalten“ betonte die Landessozialministerin. Ihrer Ansicht nach brauchen junge Ärztinnen „auch nach der Geburt eines Kindes die Option auf eine Vertretung für zwölf Monate und nicht nur für sechs Monate“.
Regionale Ärzteplanung zur Sicherung der medizinischen Versorgung
Das Kernproblem bei der Zulassungsvergabe durch die Kassenärztliche Vereinigung liegt nach Einschätzung der Politikerin jedoch bei den allerorts gleichermaßen angewendeten Zulassungskriterien. Dabei werden regionale Unterschiede nicht angemessen berücksichtigt, denn „die Bevölkerungssituation in einer ländlichen Region mit vielen alten Menschen wie in Mecklenburg-Vorpommern ist ganz anders als in einer Metropole wie Berlin“, betonte Manuela Schwesig. Um genauer und zielgerichteter planen zu können, forderte die Ministerin eine regionale Ärzteplanung bei der die Politik ein deutliches Mitspracherecht hat. Die Bundesländer seien sich einig, dass dringend neue rechtliche Regelungen erforderlich sind, denn bisher hätten sie zu wenig Einblick in die Planung der Kassenärztlichen Vereinigung, erklärte Schwesig. In Mecklenburg-Vorpommern ist der drohende Ärztemangel besonders gravierend, da rund 40 Prozent der dortigen Haus- und Fachärzte bis 2020 in den Ruhestand gehen. Schon heute finden zahlreiche Landärzte nur schwer einen Nachfolger und den aktuellen Meldungen zufolge stehen im Nordosten des Bundeslandes bereits mehr als 100 Hausarztpraxen leer. Das Schwesig angesichts dieser Zahlen eine Mitspracherecht bei der Vergabe von Praxiszulassungen fordert, scheint nur legitim, doch die Kassenärzte Mecklenburg-Vorpommerns lehnen dies ab.
Kassenärzte Mecklenburg-Vorpommern gegen Mitspracherecht der Politik
Die Kassenärztliche Vereinigung auf Bundesebene zeigte sich laut Aussage von Manuela Schwesig indes offen gegenüber einem Mitspracherecht der Länder. Die Kassenärzte Mecklenburg-Vorpommerns sprechen sich allerdings trotz des drohenden Ärztemangels gegen weitere staatliche Regulierungen aus. „Eine zentralistische Planung und Lenkung hatten wir in der DDR. Und trotzdem sind die Ärzte nicht geblieben, wo sie hingeschickt wurden“, betonte der Vizechef der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommerns, Dieter Kreye. Seiner Ansicht nach sollte sich „die Politik (…) darauf beschränken, vernünftige Rahmenbedingungen für Ärzte zu schaffen“. Kreye sieht außerdem die Verantwortung für den drohenden Ärztemangel zumindest teilweise bei der Politik, denn in Deutschland Arzt zu sein, mache keinen Spaß mehr. „40 Prozent unserer Arbeitszeit verbringen wir mit dem Ausfüllen von Formularen“, wobei durch Gängelung, Regressandrohungen und Überbürokratisierung ein Großteil des Arbeitsalltages der Mediziner bestimmt werde. Mit seiner Kritik wendete sich Kreye auch an die Kassenärztlichen Bundesvereinigung, denn diese lässt nach Ansicht des Vizechefs der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern bei ihren Vereinbarungen mit der Politik meist die konkreten Probleme in den Regionen außer Acht.
Ärztemangel – Ist die medizinische Versorgung gefährdet?
Wieso sich die Kassenärzte in Mecklenburg-Vorpommern trotz des bereits einsetzenden Ärztemangels so massiv gegen ein Mitspracherecht der Länder bei der Vergabe von Zulassungen aussprechen, ist für Außenstehende kaum nachvollziehbar. Denn eigentlich sollte an oberster Stelle immer die medizinische Versorgung der Bevölkerung stehen und wenn diese mit dem herkömmlichen Modell nicht mehr angemessen gewährleistet werden kann, muss über Alternativen nachgedacht werden. Hier hat sich die Kassenärztliche Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern jedoch in der Vergangenheit äußerst bedeckt gehalten und kaum Vorschläge zur Beseitigung des Ärztemangels unterbreitet. Möglicherweise wurde einfach davon ausgegangen, dass statistisch betrachtet deutschlandweit genügend Ärzte zur Verfügung stehen und diese sich bei drohender Arbeitslosigkeit in den Ballungszentren automatisch für eine Praxisübernahme im ländlichen Bereich entscheiden. Wie die Zahlen aus Mecklenburg-Vorpommern verdeutlichen, stehen jedoch relativ wenig Ärzte für eine Praxisübernahme in ländlichen Regionen zur Verfügung, so dass zahlreiche Arztpraxen schließen und die medizinische Versorgung gefährdet scheint. „Wenn es so weiter läuft wie bisher, dann ist die medizinische Versorgung in Deutschland nicht mehr gesichert“, warnte Manuela Schwesig. (fp)
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