Personalisierte Impfung: Immuntherapie gegen Krebs
07.04.2015
Jahr für Jahr erhält rund eine halbe Million Menschen in Deutschland die Diagnose Krebs. Meist folgen dann Operation, Chemotherapie und/oder Bestrahlung. Mittlerweile wird aber auch immer öfter auf personalisierte Therapien gegen Krebs gesetzt. Die sogenannte Immuntherapie ist ein neuer Behandlungsansatz, der für Patienten große Hoffnungen birgt.
Personalisierte Impfung
Medizner haben mit einer personalisierten Impfung das Immunsystem von Melanom-Patienten auf ihren Tumor abgerichtet, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Wie es heißt, lösten die therapeutischen Vakzine eine massive Immunreaktion gegen Tumorbestandteile aus. Die Forscher um Beatriz Carreno von der Washington University School of Medicine in St. Louis (USA) berichten, dass sie von den drei Patienten gut vertragen wurden. Zunächst soll die noch laufende Phase-1-Studie nur die Sicherheit des Verfahrens und die Reaktion der Körperabwehr prüfen. Die Wissenschaftler stufen sie aber als Machbarkeitsnachweis, „proof of principle“, ein. In der Fachzeitschrift „Science“ schreiben sie: „Die personalisierten Immuntherapien, die auf individuelle Tumorveränderungen abzielen, könnten in naher Zukunft möglich werden.“
Impfverfahren bei Hautkrebs-Patienten getestet
In den vergangenen Jahren wurde über diverse Ansätze berichtet, bei denen Krebs mit Immuntherapien bekämpft wird. Generell beruhen diese darauf, das Immunsystem von Patienten gegen Tumoren einzusetzen. Die US-amerikanischen Wissenschaftler testeten jetzt ein spezielles Impfverfahren an drei Patienten mit fortgeschrittenem schwarzen Hautkrebs, dem Melanom, deren Krebszellen die Lymphknoten erreicht hatten. Dabei schneiderten die Forscher die Therapie exakt auf den individuellen Tumor der einzelnen Patienten zu. Nach Entfernung der Primärtumoren sequenzierten sie deren Genome auf Mutationen, welche für den jeweiligen Hautkrebs typisch waren. Das Team um Carreno wählte für die Impfung jene sieben Patienten, von denen eine besonders starke Immunreaktion erwartetet wurde. Sie kombinierten diese mit sogenannten dendritischen Zellen des Immunsystems. Die Mediziner untersuchten nach insgesamt drei Impfungen das Blut der Patienten vier Monate lang jede Woche auf die Reaktion der Körperabwehr. Es zeigte sich, dass die Impfungen bei jedem Patienten eine individuelle Reaktion von T-Zellen verschiedener Gruppen stimulierten. Nach vier Monaten fanden die Forscher keine Nebenwirkungen.
Vorgehen auf andere Krebsarten übertragbar
„Die Machbarkeitsstudie zeigt, dass diese maßgeschneiderten Impfungen eine sehr starke Immunantwort auslösen“, erklärte Studienleiter Gerald Linette. „Die Tumor-Antigene in den Impfungen provozierten eine breite Reaktion unter jenen T-Zellen des Immunsystems, die für das Zerstören von Tumoren verantwortlich sind. Unsere Ergebnisse sind vorläufig, aber unserer Meinung nach haben die Impfungen angesichts der Breite und der bemerkenswerten Vielfalt der T-Zellen-Reaktion ein therapeutisches Potenzial.“ Wie die Forscher berichten, lasse sich das in der Studie gezeigte Vorgehen auch auf andere Tumoren mit hoher Mutationsrate übertragen. Als Beispiele nenen sie Lungen-, Blasen- und Darmkrebs.
Kleine Anzahl an Studienteilnehmern
Die Studie beweist nach Ansicht von Professor Ulrich Keilholz von der Berliner Charité tatsächlich das Prinzip, dass die Impfung mit ausgewählten Bestandteilen des eigenen Tumors eine breite Immunreaktion auslösen kann. Resultate von nur drei Patienten seien jedoch nicht ausreichend, um weiterreichende Schlüsse zu ziehen, erklärte der Experte für Tumorimmunologie. Auch Professor Volker Schirrmacher vom Immunologischen Onkologischen Zentrum in Köln äußerte sich ähnlich. Man habe inzwischen Verfahren, gezielt typische individuelle Mutationen eines Tumors zu ermitteln, mit denen sich eine breite Immunantwort auslösen lasse. Allerdings müsse sich erst noch zeigen, was dies für die Therapie bedeute.
Behandlungserfolg in Deutschland
Auch in Deutschland sind in den vergangenen Jahren Erfolge der Immuntherapie gegen Krebs erzielt geworden. So wurde Anfang des Jahres über den 27-jährigen Georgios Kessesidis berichtet, der im Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie Medikamente bekommt, die seinem Immunsystem helfen, Krebszellen zu erkennen und aus eigener Kraft zu bekämpfen. Kessesidis habe anfangs unter unspezifischen Beschwerden wie angeschwollenen Lymphknoten und verstärktem nächtlichen Schwitzen gelitten. Diagnosen hatten zunächst stets Bronchitis oder Asthma ergeben, auch weil der Patient den Angaben zufolge an Heuschnupfen litt. Erst nach Monaten habe sich herausgestellt, dass Kessesidis an Lungenkrebs erkrankt ist und sich dieser bereits in einem sehr fortgeschrittenen Krankheitsstadium befunden habe. Von Experten war er zunächst als weder heil-, noch sinnvoll operierbar bewertet worden. Dass er heute dennoch lebt und sich nach eigenen Angaben „richtig gut“ fühlt, verdankt er der Immuntherapie. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
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