Polio-Viren können womöglich Krebs heilen
04.04.2015
US-amerikanische Forscher haben ein neues Verfahren entwickelt, mit dem Krebstumore von innen heraus zerstört werden sollen. Zum Einsatz kommen dabei genetisch veränderte Polio-Viren. Erste Tests an Patienten in den USA verliefen bereits erfolgreich.
Krebs-Therapien mit schweren Nebenwirkungen
Umfragen zufolge fürchten etwa zwei Drittel der Deutschen, an Krebs zu erkranken. Auch in anderen Ländern dürften die Zahlen ähnlich aussehen. Es ist aber nicht nur die Angst vor dem potentiell tödlichen Verlauf, sondern auch die Nebenwirkungen von Bestrahlung und Chemotherapie, die den Menschen zu schaffen machen. Solche Behandlungsmethoden könnten in Zukunft möglicherweise unnötig werden. Seit Jahren wird weltweit an Alternativen zu bisherigen Krebs-Therapien geforscht. Nun konnten Forscher der Duke Universität im US-Bundesstaat North Carolina in einer Untersuchung erfolgversprechende Ergebnisse erzielen. Sie haben in der Studie mit bislang 22 Krebspatienten erstmals veränderte Polio-Viren in aggressive Hirntumore gespritzt, um so eine gezielte Immunreaktion des Körpers auszulösen.
Studienteilnehmer lebten nach Behandlung länger
Die Studienteilnehmer, die sich im Endstadium der Erkrankung befanden, lebten nach der Behandlung tatsächlich länger, als zuvor von den Ärzten prognostiziert wurde. Wie die Wissenschaftler berichteten, starben jedoch elf der Probanden, während sich das Krankheitsbild bei den anderen Elf fortdauernd verbesserte. Zwei der Patienten wurden den Angaben zufolge durch die Therapie sogar komplett vom Krebs geheilt, berichtete „cbsnews“. Die Forscher teilten zudem mit, dass keiner der Studienteilnehmer Symptome von Polio (Kinderlähmung) ausprägte. Die durch Polioviren hervorgerufene Infektionskrankheit Poliomyelitis befällt die muskelsteuernden Nervenzellen des Rückenmarks und kann zu bleibenden Lähmungserscheinungen bis hin zum Tod führen.
Krebszellen 21 Monate nach der Behandlung komplett verschwunden
Auf „cbsnews“ wird auch der Erfolg von Stephanie Lipscomb dokumentiert, bei der Ärzte 2011 im Alter von 20 Jahren einen Tennisball-großen Tumor hinter dem linken Auge entdeckten. Zunächst halfen zwar Chemo und Bestrahlung, doch nach einem Jahr kehrte der Tumor zurück. 2012 injizierten ihr die Ärzte im Rahmen der neuen Studie die veränderten Polio-Viren direkt in das Gehirn. Durch das Verfahren, das vorher noch an keinem Menschen getestet wurde, erhofften sich die Mediziner wenigstens die Lebenszeit der jungen Frau etwas verlängern zu können. Doch es kam viel besser: Der Tumor verkleinerte sich und fast 21 Monate nach der Behandlung waren die Krebszellen komplett verschwunden. Bis heute gilt die Frau als geheilt. Wie Dr. Henry Friedman im Interview mit der Nachrichtenseite erklärte, sei dies möglich, da „das modifizierte Polio-Virus sich zwar nicht mehr in normalen Zellen reproduzieren kann. Aber in Krebszellen schon und während dieses Prozesses, entlässt es Giftstoffe, die die Zelle vergiften.“
Weitere Studien werden folgen
Nun gab die amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) bekannt, dass die neue Methode wohl in einem Jahr den „Breakthrough Status“ erhalten könnte. Es handelt sich dabei um Therapien, die bei lebensbedrohlichen Krankheiten aller Wahrscheinlichkeit nach eine drastische Verbesserung gegenüber den bisherigen Behandlungsmethoden bringen. Daher durchlaufen derartige Wirkstoffe auch ein verkürztes Zulassungsverfahren. Die Wissenschaftler der Duke Universität teilten mit, dass nun weitere Studien folgen. So sollen die modifizierten Polio-Viren in Zukunft auch bei anderen Krebsarten, wie Brust-, Prostata-, Lungen-, Darmkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs getestet werden. In den vergangenen Jahren wurden in der Krebsforschung allgemein große Fortschritte gemacht. So wurden beispielsweise kürzlich zwei US-amerikanische Forscher mit dem Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis ausgezeichnet. Die beiden Pioniere der Immuntherapie gegen Krebs haben mit ihrer Entwicklung ein neues Kapitel der Medizin aufgeschlagen, hieß es. In Deutschland erhält jedes Jahr rund eine Million Menschen die Diagnose Krebs. Bislang war die Folge in der Regel Operation, Bestrahlung und/oder Chemotherapie. Womöglich könnte sich das dank neuer Erkenntnisse in Zukunft ändern. (ad)
>Bild: Bild: Aka / pixelio.de
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