Schlafstörungen können Hyperaktivität auslösen
11.11.2011
Können Kinder sich nicht richtig konzentrieren, keinen Moment ruhig sitzen und zappeln viel, dann lautet heutzutage immer öfter die Diagnose „Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung“, kurz ADHS. Andere Aspekte wie Ernährung oder Schlaf werden fälschlicherweise vielfach kaum beachtet. Bei einem Viertel der vermeintlichen kleinen ADHS-Patienten könnten Schlafstörungen ursächlich sein, wie der Facharzt für Kinderheilkunde Prof. Dr. Alfred Wiater erklärte.
Der Chefarzt der Kinderklinik des Krankenhauses Porz am Rhein in Köln und Fachmediziner für Kinderheilkunde, Dr. Alfred Wiater schätzt die Zahl der falsch gestellten ADHS Diagnosen auf rund 25 Prozent. Vielmehr könnten die vermeintlich hyperaktiven Kinder an Schlafstörungen leiden, wie der Arzt gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“ erklärte. Denn Kinder reagieren auf Schlafstörungen anders als Erwachsene. „Während Erwachsene bei Schlafmangel tagsüber müde sind, sind Kinder motorisch sehr aktiv.“ Bevor vorschnell ADHS Diagnosen gestellt werden, sollte Abklärungen bei einem Kieferorthopäden und/oder Hals-Nasen-Ohrenarzt stattfinden. Denn Kinder mit übergroßen Rachen- oder Gaumenmandeln (Polypen) oder Kieferproblemen, wie zum Beispiel einem Überbiss, haben vielmals Probleme beim Einatmen und Schlafen. Die Folge: Die Kleinen schnarchen während der Nacht und wachen immer wieder auf. Schnarchen ist auch bei Kindern ein ernsthaftes Problem, denn „Eltern sollten das Schnarchen ihres Nachwuchses nicht einfach abtun, nach dem Motto: Papa schnarcht auch“, mahnte der Experte während der 19. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin in Mannheim. Je früher eine Behandlung eingeleitet wird, um so besser ist auch das Wohlbefinden des Kindes.
Viele Eltern erkennen Schlafstörungen der Kinder nicht
Der Chefarzt stützt seine Aussagen auf eine wissenschaftliche Studie der Universität Köln. Die Forscher hatten vier Jahre lang rund 13.000 Eltern und deren Kinder beobachtet. Etwa ein Drittel der Eltern hatten die Schlafstörungen ihres Kindes nicht bemerkt. Doch nicht nur Eltern, sondern auch Ärzte müssten stärker thematisch sensibilisiert werden. Können die Schlafstörungen nicht rechtzeitig therapiert werden, kann dies schwerwiegende Folgen haben. „Wird nicht rechtzeitig behandelt, können die Folgen irreversible sein. Studien zeigen, dass Schlafstörungen oft zu schlechteren Leistungen in der Schule führen.“
Feste Einschlafrituale erleichtern das Zubettgehen
Natürlich kommen nicht nur physische sondern auch psychische Hintergrundprobleme für Schlafstörungen von Kindern in Frage. Manche Kinder schlafwandeln in der Nacht oder leiden unter wiederkehrenden Alpträumen. Wiater schätzt, dass etwa 40 Prozent der Kinder im Grundschulalter unter Schlafproblemen leiden. Vielfach könnten Eltern durch klare Strukturen einer mangelnden Schlafhygiene vorbeugen. „Kinder sollten möglichst zur gleichen Zeit ins Bett gehen“, rät Diplompädagogin Gritli Bertram in einem Gespräch mit „Heilpraxisnet.de“. Das Zubettgehen sollte am Besten mit erfreulichen Ritualen verbunden sein. „Eine schöne Gute-Nacht-Geschichte oder eine Körperreise erleichtert den meisten Kindern das Einschlafen“. Eltern sollten sich möglichst Zeit nehmen, um den Tag mit ihren Kindern positiv zu beenden. Fernsehen, PC oder Videokonsolen-Spiele sollten vor der Einschlafenszeit tabu sein, rät Wiater. Aus medizinischer Sicht ist ein „fester Schlaf-Wachrhythmus extrem wichtig, genauso wie Ruhe vor dem Zubettgehen.“
Die neunzehnte Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin findet noch bis zum Samstag statt. Auf dem Kongress beraten und diskutieren rund 1800 Forscher und Mediziner die aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse bei bei Schlafstörungen und Schlaferkrankungen. (sb)
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Bild: Rainer Sturm /Pixelio.de
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